Ein Formular mit 21 Stolperfallen
Banale Dinge verschieden geregelt
Kein Spaß für interdisziplinäre Praxen
Interdisziplinäre Praxen sind auf dem Vormarsch, weil es medizinisch/therapeutisch für die jeweiligen Patienten (z. B. Kinder oder Patienten mit Schlaganfall) von großem Vorteil ist, wenn die behandelnden Therapeuten einen gemeinsamen, abgestimmten Behandlungsplan haben. Wie ärgerlich es da doch ist, dass die verschiedenen Berufsgruppen in einer Praxis jetzt aufgrund vieler unterschiedlicher Regeln in den Versorgungsverträgen viel mehr Aufwand haben, als es notwendig ist. Wenn Unterschiede dabei helfen würden, die Versorgung der Patienten zu verbessern, könnte man das noch akzeptieren, aber die meisten Unterschiede sind rein bürokratischer Natur.
Beispiel: Behandlungsbestätigung durch Kinder
Die Frage, wann ein Kind eine Leistungserbringung quittieren darf, ist schon seit Jahren ein strittiges Thema zwischen Krankenkassen und Heilmittelpraxen. Das war bisher zwar nicht ausdrücklich in den Versorgungsverträgen geregelt, aber man konnte sich an § 110 BGB orientieren, dem sogenannten Taschengeldparagrafen, der regelt, dass Kinder ab dem vollendeten siebten Lebensjahr beschränkt geschäftsfähig sind. Diese Regel haben sich jetzt GKV-Spitzenverband und die Logopäden vernünftigerweise zu eigenen gemacht und in den bundeseinheitlichen Versorgungsvertrag für die Stimm-, Sprach-, Sprech- und Schlucktherapie so übernommen.
Kinder, die Physio- oder Ergotherapie bekommen, müssen nach Ansicht der Vertragspartner allerdings älter sein, um den Erhalt von Behandlungen quittieren zu können. Im neuen Versorgungsvertrag Physiotherapie und im Vertrag der Ergotherapeuten ist vereinbart, dass man dazu mindestens zehn Jahre alt sein muss, sonst wird das die Kasse nicht akzeptieren. Hier reicht die beschränkte Geschäftsfähigkeit des BGB also offensichtlich nicht aus.
Es sei denn, das Kind unterschreibt in einer ergotherapeutischen Praxis, denn dort gibt es eine Ausnahme zu dieser Regel, die besagt, dass Behandlungsbestätigungen von Kindern, die schon vor dem vollendeten 10. Lebensjahr unterschrieben haben, von den Kassen akzeptiert werden, wenn ein Elternteil diese Unterschriften einmalig je Verordnung bestätigt.
Fazit: Die Kassen und Verbände haben hier unterschiedliche Lösungen verhandelt, die eigentlich gar keiner Verhandlung bedürfen, weil man der Einfachheit halber auf die Regeln des BGB zurückgreifen könnte.
1. Gültigkeit einer Verordnung
Jede Berufsgruppen hat unterschiedliche Regeln, die die Gültigkeit einer VO bestimmen.
2. Allgemeine Rahmenbedingungen für Korrekturen
Logopäden und Podologen müssen für Korrekturen nach erfolgter Abrechnung 40 Euro je VO bezahlen, alle anderen Berufe nicht.
3. Personalienfeld
Physios dürfen im Personalienfeld mehr ändern/ergänzen als Logos, Ergos und Podos, Ernährungstherapeuten dürfen nichts.
4. Ausstellungsdatum
Ergotherapeutische Folgeverordnungen können unter bestimmten Umständen auch über die 28 Kalendertage hinaus die Gültigkeit behalten. Alle anderen nicht.
5. Zuzahlungs-Inkasso
Physios und Ergos sind verpflichtet vor der Behandlung schriftlich auf die Zuzahlungspflicht und die Möglichkeit des Exkassos hinzuweisen, alle anderen nicht.
6. Zuzahlungs-Exkasso
Zuzahlungen müssen zurückerstattet werden von Ergo, Podo und Ernährungstherapeuten und ausgestellte Quittung werden geändert oder ausgetauscht. Ebenso bei Physios, hier muss die alte Quittung eingezogen werden und eine neue erstellt werden. Logos müssen nur nach Aufforderung durch Patienten erstatten und Änderung auf der Originalquittung vermerken.
7. Diagnosegruppe
Logopäden und Ernährungstherapeuten dürfen nach erfolgter Abrechnung nicht mehr korrigieren, alle anderen schon.
8. Leitsymptomatik
Physios müssen Änderungen auf der Vorderseite mi dem Kürzel LE versehen, Ernährungstherapeuten dürfen nach erfolgter Abrechnung nichts mehr korrigieren.
9. Heilmittel
Ergänzende Angaben zum Heilmittel korrigieren Physios auf der Vordereite der VO mit Kürzel LE, Logopäden, Podos und Ernährungstherapeuten ändern auf der Rückseite der VO, Ergotherapeuten können ändern oder sogar ergänzen auf der Rückseite der VO. Logos können dies auch nach erfolgter Abrechnung noch ändern.
10. Behandlungseinheiten
Physios und Ernährungstherapeuten können nach der Abrechnung nichts mehr ändern, alle anderern schon.
11.Ergänzendes Heilmittel
Logos können im Einvernehmen mit dem Arzt selbst ändern, Physios und Ergos nur mit Arztunterschrift. Logos können auch noch nach erfolgter Abrechnung korrigieren.
12. Frequenz
Alle korrigieren die Frequenz auf der Rückseite, nur die Ergotherapeuten auf der Vorderseite. Physios können nach erfolgter Abrechnung nicht mehr korrigieren, alle anderen Berufe schon.
13. Hausbesuch
Physios dürfen nach erfolgter Abrechnung korrigieren, alle anderern nicht, bei den Ergos gilt eine Korrektur nur ab Korrekturdatum.
14. Hausbesuchspflicht
Die Pflicht, einen Hausbesuch zu übernehmen hängt von der Entfernung zum Patienten ab. Da gibt es mit dem „üblichen Praxisbereich“, 25, 10, oder 5 Kilometer vier verschiedene Entfernungen in fünf Verträgen.
15.Bestätigungsfeld: Behandlungsdatum
Fehlen bei Physios und Logos die Unterbrechnungskürzel FKT, ist das unproblematisch, bei allen anderen müssen die Kürzel eingetragen werden.
16. Bestätigungsfeld: Maßnahme
Korrekturmöglichkeiten nach erfolgter Abrechnung sind je Berufsgruppe unterschiedliche und bei Ernährungtherapie gar nicht möglich.
17. Bestätigungsfeld: Initiale des Leistungserbringers
Logos, Podos, Ernährungstherapeuten müssen die Initialen des Behandler eintragen, Physio und Ergos nicht.
18. Bestätigungsfeld: Unterschrift
Bei Logos dürfen Kinder ab 8 unterschreiben, bei Physios, Podologen und Ernährungstherapeuten ab 11, bei Ergos ab 10 oder früher, wenn Eltern einmal je VO gegenzeichnen.
19. Abrechnungsdaten
Ernährungstherapeuten dürfen nach erfolgter Abrechnung nichts korrigieren, alle anderer Berufe schon.
20. Behandlungsabbruch
Behandlungsabbrüche müssen bei Physio, Logo und Ernährung begründet werden, bei den beiden anderen Berufen nicht.
21. Abrechnungsfrequenz
Logopäden und Ernährungtherapeuten dürfen einmal, Ergotherapeuten und Podologen dürfen zweimal und Physiotherapeuten dürfen dreimal je Monat abrechnen.
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