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Warum eine Branche sich trauen sollte

Ein Kommentar von Ralf Buchner
Der aktuelle Schiedsspruch zu den Physiotherapie-Rahmenverträgen beschäftigt sich praktisch ausschließlich mit Preisen, an keinem Punkt wird auf Inhalte eingegangen. Ebenso sieht es bei den verschiedenen Gutachten der Krankenkassen – aber auch der Verbände – zur Wirtschaftlichkeit aus. Alles dreht sich nur um die Höhe der Preise, jedoch fast nie um die dazu notwendige Leistung oder die Rahmenbedingungen und Strukturen, die für diese Leistungserbringung auch für die Kassen zielführend sind. Das muss sich ändern.
© Arendt Schmolze

Wenn man beobachtet, wie sich die Logopäden qua Leistungsbeschreibung einen Therapiebericht haben vorschreiben lassen, der an inhaltlicher Dürftigkeit an den Start der Heilmittel-Richtlinie 2001 erinnert, dann ist das zwar finanziell ein sehr winziger Fortschritt, inhaltlich jedoch unakzeptabel. Aber so etwas passiert, wenn man bei der Diskussion über Preise den eigenen Anspruch aus den Augen verliert.

Klar, die Preise müssen stimmen. Doch um zu wissen, ob der Preis stimmt, muss ich die dazugehörige Leistung kennen. Erst dann wird ein Schuh draus. Wenn aber Politik, Schiedsstelle und Krankenkasse – und sogar die Heilmittelvertreter selbst – keine genaue Vorstellung davon haben, wohin die Reise der Heilmittelbranche eigentlich gehen soll, dann wird eben nur noch über das Geld geredet und sind Heilmittelerbringer plötzlich nur noch ein Kostenfaktor!

Das kann man vermeiden, wenn man den Fokus etwas mehr auf die Inhalte legt. Die Heilmittelberufe selbst müssen definieren, was Qualität in der Therapie bedeutet, und darauf achten, dass Therapie zulasten der GKV so erbracht wird, dass man die Wirksamkeit der Therapie auch deutlich aufzeigen kann.

Letztlich muss man darauf achten, dass dem Fachkräftenachwuchs klar wird, warum und mit welchem Zweck Heilmittel-Therapie erbracht wird. Ein zu starker Fokus auf die Bezahlung vernebelt den Blick auf den Sinn. Umgekehrt geht es auch: Nachweislich sinnvolle Therapie wird gut bezahlt. Die Nachweise müssen von den Therapeuten kommen, die Bezahlung von den Kassen. Das sollten wir uns trauen.

Diese Fragen sollte man dabei immer im Hinterkopf haben:

  • Wer, wenn nicht die Therapeuten selbst, kann dafür sorgen, dass Therapie so wertvoll wird, das kleinliche Preisdiskussionen mit der GKV der Vergangenheit angehören?
  • Wann beginnt die bislang nur hinter verschlossener Tür geführte Debatte darüber, wie wir die Patienten richtig behandeln, anstatt zu viel Zeit mit Rezeptabarbeitung im Fließband-Takt zu verbringen?
  • Wann beginnt die bislang nur in Hochschulen geführte Diskussion darüber, wie man evidenzbasierte Therapie in die breite Fläche der ambulanten Heilmittelversorgung bekommt?
  • Und wann haben wir ein Vergütungs- und Leistungserbringungssystem, dass gute Therapie überhaupt erstmal definiert und auch differenziert bezahlt?

Diese Artikel gehören zum Schwerpunkt Preis und Leistung:

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