Verpasste Chancen zur (Neu-)Gestaltung
Die Verträge folgen keinem erkennbaren Muster oder Sinn, es bleibt unklar, wie diese Verträge dazu beitragen, die Heilmittelversorgung für GKV-Versicherte in Zukunft zu verbessern. Die gesetzlich geforderte Einbindung der Leistungserbringer in die Versorgungsverantwortung findet außer in der Festlegung von Pflichtöffnungszeiten faktisch nicht statt. Und auch die im Gesetz geforderten Regelleistungszeiten (inkl. Vor- und Nachbereitung) werden entweder vollständig ignoriert (Physiotherapie) oder entgegen der gesetzlichen Intention verwendet (Logopädie) oder führen zu einer faktischen Reduktion der möglicher Behandlungseinheiten (Ergotherapie).
Bei der gesetzlich vorgegebenen Festlegung von Honoraren, die einen wirtschaftlich zu führenden Praxisbetrieb ermöglichen, helfen die neuen Verträge ebenfalls nicht weiter. Denn erneut wird über Honorar so verhandelt, als hätte die Leistung damit nichts zu tun. Fast so, als wenn wir erst den Preis für eine Einheit Milch vereinbaren, bevor wir dann darüber aufgeklärt werden, wie viel Milch sich hinter einer Einheit verbirgt. Insofern bleibt es ein Geheimnis der Schiedsstelle, wie man über eine prozentuale Honorarerhöhung entscheiden kann, wenn die Leistungsbeschreibung noch strittig ist.
Verbesserungspotential heben
Bleibt die Frage, was man aus diesem wenig zufriedenstellenden Ergebnis lernen kann und welches Verbesserungspotential in den Versorgungsverträgen steckt.
Erstens würde es helfen, wenn alle Berufsgruppen zusammen eine Formularkommission bilden würden, die einen einheitlichen Umgang mit Muster 13 mit dem GKV-Spitzenverband aushandelt, z. B. als einheitliche Anlage 3 zu allen Versorgungsverträgen. Das würde übrigens nicht nur Therapeuten das Leben erleichtern, sondern auch Krankenkassen hätten weniger unterschiedliche Eingangsprüfregeln zu beachten und Ärzte weniger Diskussionen mit Therapeuten verschiedener Fachrichtungen über die Notwendigkeit von Verordnungskorrekturen.
Zweitens wird es höchste Zeit, die vertraglichen Regelungen endlich mit Geldaufwand zu beziffern. Wenn die GKV unbedingt Zuzahlungs-Exkasso in die Verträge aufnehmen will, dann müsste der damit verbundene Verwaltungsaufwand in Euro je Fall beziffert und in die Höhe der Honorare einbezogen werden. Das lässt sich gut für jeden einzelnen Paragraphen der Versorgungsverträge umsetzen.
Drittens bedarf es einer vollständigen Neuauflage der Leistungsbeschreibungen. Wie lange wollen sich Therapeuten noch mit Leistungsbeschreibungen herumärgern, die mit der Behandlungsrealität und dem Ergebnis medizinischer Studien nichts zu tun haben? Der aktuelle Fachkräftemangel hat eben nicht nur mit unzureichender Bezahlung zu tun, sondern auch mit teilweise absurden Arbeitsbedingungen, wie z. B. dem 20-Minuten-Takt bei Physiotherapeuten, in dem auch noch ein ausführlicher Befund erstellt werden soll. Höchste Zeit für faire Minutenpreise und die Möglichkeit für Therapeuten, selbst zu entscheiden, wieviel Zeit sie mit Vor- und Nachbereitung und Behandlung verbringen.
Womit wir bei viertens wären: Allen Beteiligten ist klar, dass wir mehr Studien und mehr Versorgungsforschung für den Heilmittelbereich benötigen. Und gleichzeitig wissen alle, dass es dafür keine finanziellen Mittel gibt. Deswegen gehört in die Preisverhandlung zwischen GKV-Spitzenverband und Heilmittelverbänden unbedingt die Forderung nach dem „Forschungscent“, das wäre ein Cent je ein Euro Heilmittelumsätze und würde damit sofort 100 Millionen Euro Forschungsetat bereitstellen. Wetten, dass damit eine ganze Reihe guter Studien entstehen könnten, mit deren Hilfe man Parameter für erfolgreiche Heilmitteltherapie identifizieren könnte und damit die Grundlage für zielführende Leistungsbeschreibungen und bessere Verträge erhalten würde? Und wetten, dass dann auch mehr Menschen Lust hätten, als Heilmittelerbringer zu arbeiten? Lassen Sie es uns einfach probieren.
Diese Artikel gehören zum Themenschwerpunkt „Dauerbaustelle Versorgungsverträge“
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