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Große und kleine Unterschiede zwischen den Verträgen

Banale Dinge werden in den Berufsgruppen verschieden geregelt
Ein Vergleich zeigt, dass in den Verträgen die Umsetzung derselben Heilmittel-Richtlinie und desselben Verordnungsformulars Muster 13 keineswegs einheitlich gestaltet ist, sondern sich zum Teil deutlich unterscheidet. War das wirklich nötig? Besonders für interdisziplinäre Praxen sind diese unterschiedlichen Regelungen kein Spaß und bringen zusätzlichen bürokratischen Aufwand.
© Antti Heikkinen

Verschiedene Pflicht-Öffnungszeiten

Das fängt ganz einfach mit den Öffnungszeiten für Praxen an. Wenn Physio- und Ergotherapeuten die GKV-Zulassung haben wollen, dann müssen sie an wenigstens drei Tagen mindestens 25 Wochenstunden Behandlungszeit anbieten. Logopäden müssen mindestens vier Tage in der Woche öffnen und damit insgesamt 24 Wochenstunden abdecken. Und Podologen müssen einfach nur 25 Wochenstunden geöffnet haben. Ernährungstherapeuten haben es einfacher, die müssen lediglich erreichbar sein, dass dann aber dafür an wenigstens vier Tagen für mindestens 30 Stunden.

Ist das wichtig? Eher nicht – für die täglich praktische Arbeit sind solche Vorgaben vermutlich irrelevant. Aber es wird alle Praxen dazu zwingen, offizielle Öffnungszeit zu definieren, ein schlichtes „Termine nach Vereinbarung“ ist in Zukunft ein Vertragsverstoß, wenn man die Regel genau nimmt.

Quittung durch Kinder

Die Behandlungsquittung durch Kinder selbst kann bei Logopäden schon ab dem vollendeten siebten Lebensjahr erfolgen. Bei den Physiotherapeuten muss man dazu das zehnte Lebensjahr vollendet haben. Das gilt auch für die Ergotherapie, aber dort können auch schon jüngere Kinder unterschreiben, wenn die Eltern die Unterschrift bestätigen.

Ist das wichtig? Die Regelung ist überflüssig, egal mit welchem Alter, denn im BGB ist ziemlich klar im Taschengeldparagrafen geregelt, dass Kinder ab dem siebten Lebensjahr eingeschränkt geschäftsfähig sind. Wenn Kinder aber einkaufen gehen dürfen, warum dann nicht auf eine Heilmittelverordnung unterschreiben? Und warum der Unterschied zwischen Logopäden, Ergo- und Physiotherapeuten?

Übernahme von Hausbesuchen

Ernährungstherapeuten verpflichten sich Hausbesuche im Praxisumkreis mit einem Radius von 25 Kilometern durchzuführen. Logopäden brauchen das nur innerhalb eines Radius von 10 Kilometern um ihre Praxis herum, bei Podologen beträgt der Radius für die Hausbesuche nur noch 5 Kilometer und bei den Physiotherapeuten hat man die Hausbesuchspflicht auf den „üblichen Praxisbereich“ beschränkt. Die Zulassung von reinen „Hausbesuchstherapeuten“ darf bei den Logopäden, Podologen und Ernährungstherapeuten die Anzahl der in der Praxis zugelassenen Therapeuten nicht überschreiten. Diese Einschränkung gilt jedoch nicht für Physio- und Ergotherapeuten.

Ist das wichtig? Die Verpflichtung zur Übernahme von Hausbesuchen ist eher theoretisch, denn wer keine freien Kapazitäten hat, muss auch nicht zum Hausbesuch. Auffällig ist die sehr offene Regelung bei den Physio- und Ergotherapeuten, hier ist viel Luft für reine Hausbesuchsketten, da fragt man sich schon, ob die Regelung wirklich im Sinne der aktuell überwiegenden Einzelpraxen ist. Alle anderen Berufe haben vermutlich gute Gründe gehabt, solche Möglichkeiten zum „Abschöpfen“ finanziell lukrativer, geriatrischer Patienten zu verhindern.

Aufbewahrungspflichten

Warum Logopäden ihre Verlaufsdokumentation drei Jahre, Ergotherapeuten vier Jahre, Physio- und Ernährungstherapeuten fünf Jahre und Podologen lediglich gemäß den Bestimmungen des BGB aufbewahren müssen, bleibt ein Geheimnis der Vertragspartner.

Ist das wichtig? Das hätte man auch vollständig weglassen können, denn es gilt für die Behandlungsdokumentation sowieso die im BGB festgelegte Aufbewahrungsfrist von zehn Jahren. Interessant könnte es sein, dass die von der GKV geforderte Verlaufsdokumentation scheinbar etwas anderes ist, als die vom BGB vorgeschriebenen Behandlungsdokumentation.

Medizinproduktegesetz

Wirklich überraschend ist, dass Logopäden, Podologen, Ergo- und Ernährungstherapeuten im Vertrag ausdrücklich auf die Einhaltung einschlägiger Gesetze, z. B. des Medizinproduktegesetz (MPG) verpflichtet werden, bei den Physiotherapeuten hingegen solche Verpflichtungen fehlen.

Ist das Wichtig? Im medizinischen Kontext sind solche Verordnungen ohnehin zwingend, allerdings hilft eine ausdrückliche Klarstellung im Vertrag, um die Rahmenbedingungen für alle zugelassenen Leistungserbringer einheitlich zu gestalten.

Abrechnungsintervalle

Die Unterschiede, die von der GKV zwischen den Heilmittelberufen gemacht werden, sind immer wieder überraschend: Logopäden und Ernährungstherapeuten dürfen gemäß Vertrag nur einmal im Monat abrechnen, Podologen und Ergotherapeuten dürfen zweimal im Monat und die Physiotherapeuten dreimal im Monat Rechnungen schreiben.

Ist das wichtig? Das ist vermutlich schwer durch die Kassen kontrollierbar. Was will man machen, wenn eine Logopädin trotzdem zweimal im Monat abrechnet? Zurückschicken macht vermutlich mehr Arbeit, als die Abrechnung durchzuwinken. Und was macht eine Praxis, die sowohl Physiotherapie als auch Logopädie erbringt und abrechnet? Einfach so oft abrechnen, wie man will.

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