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01.07.2021 – TI: Aufwand vs. Nutzen

Startschuss für die freiwillige Anbindung
Physiotherapeuten mit GKV-Zulassung können sich ab dem 1. Juli 2021 freiwillig an die TI anbinden lassen. Logopäden, Ergotherapeuten, Podologen und Ernährungstherapeuten bekommen diese Chance (bisher) noch nicht. Doch ist eine Anbindung überhaupt erstrebenswert? Oder sind Praxisinhaber besser dran, die Finger davon zu lassen?
© iStock: kali9

Was schon einmal gut ist: Wer sich als Physiotherapiepraxis an die TI anbinden lassen möchte, soll die Kosten dafür und auch einen bestimmten Anteil für die laufenden Kosten erstattet bekommen. Doch sich alleinig aus dem Grund an die TI anbinden zu lassen, weil es ab dem 1. Juli 2021 möglich ist, wäre kein kluger Schachzug – sehen wir doch, wie viel Ärger Ärzte und Psychotherapeuten durch die Anbindung hatten und immer noch haben (siehe Kasten). Ein weiterer Punkt ist die Frage, ob der Nutzen der TI-Anwendungen für Physiotherapiepraxen den Aufwand rechtfertigt.

Anwendungen der TI

Aktuell gibt es nur eine Anwendung, die über die TI möglich ist: Das Versichertenstammdatenmanagement (VSDM). Ärzte und Psychotherapeuten müssen überprüfen, ob die Versichertenstammdaten der gesetzlich Krankenversicherten, die auf der elektronischen Gesundheitskarte gespeichert sind, aktuell sind und diese ggf. anpassen – Name, Geburtsdatum, Anschrift sowie Angaben zur Krankenversicherung: Krankenversichertennummer, Versichertenstatus.

Weitere Anwendungen sollen sukzessive eingeführt werden:

  • Notfalldatenmanagement: Über die elektronische Gesundheitskarte (eGK) können Ärzte zukünftig Notfalldaten (Informationen zu Diagnosen und Medikationen) schnell abrufen. Die Industrie muss dafür jedoch erst noch die nötige Technik entwickeln.
  • Elektronischer Medikationsplan: Auf diesen haben Patienten Anspruch, die mindestens drei auf Kassenrezept verordnete, systemisch wirkende Medikamente dauerhaft gleichzeitig anwenden. Gespeichert wird er auf der eGK.
  • Elektronische Patientenakte: Auf der ePA sollen Daten über Befunde, Diagnosen, Therapiemaßnahmen, Behandlungsberichte sowie Impfungen enthalten sein, auf die fall- und einrichtungsübergreifend zugegriffen werden kann. Ab Januar 2021 geht die ePA an den Start.
  • Kommunikationsdienst KOM-LE: Dieser eigene Kommunikationsdienst der TI ermöglicht einen sicheren Austausch zwischen Praxen und anderen TI-Teilnehmern – also im Falle einer freiwilligen Anbindung Ihnen. Arztbriefe sollen zukünftig nur noch darüber verschickt werden. Wann es den Dienst geben wird, ist noch nicht bekannt.

Nutzen für Physiotherapeuten

Stand jetzt sind es vor allen Dingen zwei Anwendungen, die interessant für Physiotherapiepraxen sein können: Die elektronische Patientenakte und der Kommunikationsdienst KOM-LE. Der Zugriff auf die lückenlose Behandlungshistorie von Patienten bietet Therapeuten die Chance, besondere Gegebenheiten zu erkennen und die Therapie entsprechend anzupassen. Auch bei der Behandlung von dementen Patienten, bei denen die Erfragung der Krankengeschichte nicht immer möglich ist, kann die ePA eine Hilfe sein. Über KOM-LE können Rückfragen schneller geklärt werden und der Austausch von Dokumenten – etwa e-Verordnungen – kann reibungsloser und schneller erfolgen. Damit der Nutzen überwiegt, muss jedoch eine Voraussetzung erfüllt sein: Physiotherapeuten können auch alle Anwendungen uneingeschränkt nutzen.

Das können Sie konkret machen:

Spätestens zum 1. Juli 2021 können sie sehr gut abwägen, welche Vor- und Nachteile die Anbindung an die TI mit sich bringt. Anhand dessen können Sie sich dann das weitere Vorgehen überlegen. Tipp: Wenn Sie sich für den Anschluss entscheiden, lassen Sie den Anschluss in jedem Fall durch einen zertifizierten Systembetreuer durchführen, vergleichen Sie zudem die Angebote der Anbieter vorab.

2019 – das Jahr der Probleme und Unsicherheiten

Bis zum 30. Juni 2019 mussten sich alle Arzt-, Zahnarzt- und Psychotherapiepraxen an die TI anbinden lassen. Doch das lief alles andere als reibungslos ab – Negativschlagzeilen über Datenlecks und Funktionsfehler häuften sich. Hier drei Beispiele, die es lohnt, im Hinblick auf die freiwillige Anbindung im Auge zu behalten:

  • Probleme beim Einlesen der Karte: Schaut man im Internet nach Erfahrungswerten, stößt man unter anderem auch darauf, dass einige Versichertenkarten nicht eingelesen werden können – sei es, weil sie abgelaufen sind oder einfach nicht funktionieren, obwohl sie noch gültig sind. Jetzt zeigt der Konnektor sofort an, wenn eine Karte abgelaufen ist oder nicht funktioniert. Karten werden dann offline eingelesen oder Ersatzbescheinigungen angefordert. Das alles bedeutet deutlichen Mehraufwand.
  • Datenlecks: Hacker, die über die TI leicht an die Daten der Patienten kommen – ein Unding und doch in 2019 traurige Realität. Im Zuge dessen kam dann auch die Frage auf: Wer haftet, wenn es zum Datenklau kommt? Das kommt ganz darauf an, wo der Fehler lokalisiert ist – die Zuständigkeit der gematik endet beim Konnektor. Wir haben das Thema in unserem Themenschwerpunkt zum DVG (up|Ausgabe 12-2019) genauer beleuchtet.
  • Unklarheit beim Anschluss: In einigen Praxen wurden ohne das Wissen der Praxisinhaber die Konnektoren nicht, wie von der gematik empfohlen, im Reihenbetrieb, sondern im Parallelbetrieb installiert. Dann sind jedoch besondere Sicherheitsvorkehrungen notwendig, da die im Konnektor installierte Firewall dann nicht aktiv ist. Das wussten (und wissen) aber die wenigsten Ärzte, seitens der Techniker erfolgte oft keine Aufklärung.

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