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Bundesrahmenverträge: Aus diesen Gründen muss konsequent verhandelt werden

Der § 125 SGB V legt fest, welche Inhalte in den bundeseinheitlichen Rahmenverträgen geregelt werden müssen. Die folgenden elf Punkte verdeutlichen, worum es konkret geht und welche Veränderungen auf die Heilmittelerbringer zukommen (können). Konsequente Verhandlungen sind nun notwendig.

1. Preise für Leistungen und einheitliche Regeln für die Abrechnung

In einer Anlage zum eigentlichen Vertrag werden die „Vergütungsvereinbarungen“ dokumentiert – für Preise, die ab dem 1.7.2020 hoffentlich höher sind als jetzt. Gegenstand des Vertrags sind zudem die Regeln zur elektronischen Abrechnung. Dank des DVG enthalten diese jetzt endlich auch Vorgaben zur elektronischen Leistungsquittung.

2. Fortbildungspflicht der Leistungserbringer

Die bis dato ominöse Fortbildungspflicht ist vergleichbar mit einem zahnlosen Tiger ohne irgendwelche rechtlich sinnvoll durchsetzbaren Regeln. Das wird sich in Zukunft vermutlich durch die Pflicht zur fachlichen Fortbildung ändern. Ein wichtiger Aspekt, den es dabei zu beachten gilt, ist, dass die Therapeuten selbst die Kontrolle über die Fortbildungspflicht übernehmen und nicht der Überwachung durch die Kassen ausgeliefert werden. Bei Ärzten geschieht das über die ärztliche Selbstverwaltung, die Kammern. Eine deutlich bessere Regelung als die Kontrolle durch die Kassen.

3. Weiterbildungsanforderungen für Zertifikatspositionen in der Physiotherapie

Die Zertifikatspositionen der Physiotherapeuten sind ein Anachronismus. Anstatt hier den Status quo festzuschreiben, sollten sich alle Physiotherapeuten darüber verständigen, ob es überhaupt weiterhin sinnvoll ist, Zertifikatspositionen aufrecht zu erhalten. Schon heute werden in vielen KVen nicht die medizinisch sinnvollen, sondern die günstigsten Leistungen verordnet. Wo genau findet gerade die ernsthafte Diskussion zu diesem Thema in der Branchenöffentlichkeit statt?

4. Leistungsbeschreibungen für jedes einzelne Heilmittel

In der Anlage „Leistungsbeschreibung“ der Physiotherapeuten muss es endlich auch eine bezahlte Befundposition geben, Vor- und Nacharbeiten müssen in allen Fachbereichen der Heilmittelbranche berücksichtigt werden. Wie lange wollen sich Physiotherapeuten noch mit absurd niedrigen Zeittakten abgeben, die jede sinnvolle Therapie im Keim ersticken? Viele Therapeuten reagieren darauf bereits mit Flucht aus den ambulanten Praxen. Die Abschaffung der Zertifikate und eine Umstellung der Zeittakte würde viele Probleme lösen.

5. Maßnahmen zur Qualitätssicherung

In den Entwürfen des GKV-Spitzenverbandes wird der aktuelle Status quo abgebildet. Wer wirklich Qualitätssicherung will, muss allerdings mehr tun, als die Einhaltung von formalen Regeln zu prüfen. Wie wäre es mit einer finanziellen Beteiligung für die Teilnahme an fachlichen Qualitätszirkeln? Warum erlaubt man den Praxen nicht, bei einem Patienten einmal im Behandlungsfall zwei Therapeuten gleichzeitig behandeln zu lassen? Das wäre eine kassenfinanzierte therapeutische Supervision! Wetten, dass das zu erheblichen Verbesserungen der Behandlungsergebnisse führen würde?

6. Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit mit dem verordnenden Arzt

Der aktuelle Vertragsentwurf des GKV-Spitzenverbands dokumentiert mit überraschender Klarheit, wie Therapeuten und Ärzte zusammenarbeiten – nämlich eher gar nicht. Im Vertrag wird nicht einmal geregelt, dass es einen Unterschied zwischen einem Therapieabbruch und einem vorzeitigen Therapieende, herbeigeführt durch die erfolgreiche Behandlung, gibt. Wenn man diesen wichtigen Unterschied nicht dokumentieren kann, lässt er sich auch nicht statistisch auswerten bzw. berichten. Zusammenarbeit sieht eindeutig anders aus.

7. Notwendige Angaben auf der Heilmittelverordnung durch den Leistungserbringer

Vermutlich gibt es in Zukunft weniger Angaben bei der Taxierung der Verordnung, mit der eVerordnung wird diese lästige Pflicht bald ganz wegfallen.

8. Maßnahmen der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung und deren Prüfung

Die Regeln zu Wirtschaftlichkeitsprüfungen betreffen die Leistungserbringung herkömmlicher Verordnungen, jedoch nicht die Regeln der Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Blankoverordnungen. Hier bleibt erst einmal alles beim Alten: Kassen haben vergleichsweise starke Kontrollmöglichkeiten, bei Begehungen gelten unklare Regeln. Eine Verfahrensregel für die Praxisbegehung muss eindeutig her. Es müsste beispielsweise seitens der Kasse vor der Begehung Angaben dazu geben, was genau kontrolliert werden soll. Unangekündigte Kontrollen darüber hinaus sind dann nicht möglich. Interessant ist zudem, dass man jetzt versucht hat, neue unbezahlte Leistungen in den Vertragstext aufzunehmen. Zum Beispiel soll es in Zukunft eine Pflicht geben, Anfragen der Kassen schriftlich beantworten zu müssen.

9. Vergütungsstrukturen für Arbeitnehmer in Therapiepraxen

Zukünftig soll eine Anlage „Vergütungsstrukturen für Arbeitnehmer“ die angemessene Bezahlung der Mitarbeiter in den Praxen regeln. So ist es jedenfalls in den Entwürfen des GKV-Spitzenverbands festgelegt und entspricht leider auch der Intention des Gesetzgebers. Möglich ist die Einführung einer Art Tarif, an dem die Kassen mit verhandeln können. Ob das zielführend ist, darf man bezweifeln. Besser wäre es, wenn sich die Praxisinhaber und die angestellten Mitarbeiter in ambulanten Praxen endlich aufraffen würden, einen Tarifvertrag zu vereinbaren – und zwar ganz ohne Mitspracherecht der Kassen.

10. Zulassungsbedingungen

Vermutlich wird sich bei den Zulassungsbedingungen nicht viel ändern. Allerdings muss hier erneut die Frage diskutiert werden, warum man seine Praxis mindestens 30 Stunden pro Woche geöffnet haben muss.

11. Gemeinsame Empfehlung zur Ausgestaltung einer barrierefreien Praxis

Neue Praxen werden sich den Empfehlungen verbindlich zu unterwerfen haben – ein Schritt, der für Heilmittelpraxen durchaus sinnvoll ist. Für bestehende Praxen bleiben sie jedoch unverbindlich.

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