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GKV-Therapie im Blindflug

Gelten die alten oder neuen Rahmenverträge?
Die bundeseinheitlichen Rahmenverträge nach § 125 Abs. 1 SGB V regeln die Heilmittel-Versorgung von GKV-Patienten. Sie sind die Basis der Praxen für die Abrechnung ihrer Leistungen mit der GKV. Wenn Therapeuten die Verträge nicht kennen, fehlen ihnen entscheidende Informationen für ihre Arbeit. Sie können dann beispielsweise Kürzungen nicht nachvollziehen. Die neuen Verträge existieren, wurden bislang aber nicht veröffentlicht. Gelten also die alten weiter? Wir haben bei den Verbänden, dem GKV-Spitzenverband, der Schiedsstelle und dem Gesetzgeber nachgefragt. Die Ansichten gehen auseinander.
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Eigentlich ist die Antwort ganz eindeutig: Im Physiotherapie-Schiedsspruch – den wir offiziell gar nicht haben, denn die Schiedssprüche wurden noch immer nicht veröffentlicht – heißt es: „Der Inhalt des Rahmenvertrages sowie der Anlage 3a und 3b wird mit Wirkung ab 01.04.2021 entsprechend der beigefügten Anlage festgesetzt.“

GKV-Spitzenverband: Die alten Verträge gelten weiter

In § 125 Abs. 1 SGB V steht: „Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen hat die Verträge sowie die jeweils geltenden Preislisten zu veröffentlichen.“ Das könnte man nun so interpretieren, dass die Verträge erst veröffentlicht werden, wenn alles entschieden ist. Trotzdem ergibt es wenig Sinn, rechtskräftige Teile der neuen Verträge, die ja auch bereits seit 01.04.2021 gelten, nicht zu veröffentlichen. Denn so wissen die Praxen ja gar nicht, wonach sie arbeiten sollen.

Dennoch erklärt der GKV-Spitzenverband auf Nachfrage: „Der GKV-Spitzenverband und die maßgeblichen Verbände der Heilmittelerbringer der Physiotherapie konnten sich im Anschluss an die Entscheidung der Schiedsstelle leider nicht abschließend auf Preise der einzelnen Leistungspositionen einigen. Bis zum Inkrafttreten des Vertrages nach § 125 SGB V gelten somit die bisherigen kassenindividuellen Verträge nach § 125 Abs. 2 SGB V (alt) fort.“ Diese Auffassung teilt auch der VDB. Aktuell sei es so, dass die neuen Preise und die neue Heilmittel-Richtlinie mit ihren Anlagen gelten, aber die alten Rahmenverträge mit ihren Anlagen bis zu einem Schiedsspruch Gütigkeit haben, so der Verband.

Kann die Schiedsstelle weiterhelfen?

Die Verbände VPT, IFK und Physio Deutschland gehen bezüglich der Verträge von einer ungeklärten Rechtslage aus: „Bekanntermaßen vertreten die Kassen und wir bei der von Ihnen aufgeworfenen Fragestellung eine unterschiedliche Rechtsposition, weshalb wir derzeit über die Schiedsstelle versuchen, eine Klärung dieser Frage herbeizuführen“. Auf Nachfrage bei der Schiedsstelle erklärt diese, dafür nicht zuständig zu sein. Also haben wir uns direkt an den Gesetzgeber gewandt und bei Dr. Roy Kühne, MdB und Physiotherapeut, nachgefragt.

Was sagt der Gesetzgeber?

Der Gesundheitspolitiker sieht es ebenfalls nicht als Aufgabe der Schiedsstelle, die Verträge zu veröffentlichen. Dafür seien die Vertragspartner, also der GKV-Spitzenverband und die beteiligten Verbände zuständig. Er kann auch nicht nachvollziehen, warum der GKV-Spitzenverband der Ansicht ist, dass die alten Verträge weiterhin gelten. „Das ist nach meinem Wissensstand so nicht korrekt. Im Schiedsspruch steht, dass die Verträge ab dem 01.04.2021 gelten – mit Ausnahme der Anlage 2. Die anderen Teile, Anlage 3a, 3b usw., sind sauber geschiedst worden und entschieden und damit nach meinem Kenntnisstand auch veröffentlichungsfähig.“ Er hält es zudem für wichtig, dass die Therapeuten wissen, was für ein Vertragswerk für sie beschlossen wurde. Da sieht er den GKV-Spitzenverband, aber auch besonders die Verbände in der Verpflichtung, ihre Mitglieder zu informieren.

Von eine Regressklausel oder ähnlichem, die die Verbände davor zurückschrecken lassen könnte, die Verträge zu veröffentlichen, sei ihm nichts bekannt. „Ich weiß aber nicht, welche Absprachen es zwischen den Verbänden und dem GKV-Spitzenverband gibt. Vielleicht hat man beschlossen, erst zu veröffentlichen, wenn bis zu Ende verhandelt wurde, sprich wenn auch die Preisverhandlungen beendet sind, weil ja auch die Anlage 2 Teil des Vertrags ist“, so Kühne. Für ihn sei es auch weniger eine Frage von Recht und Unrecht, sondern von Moral. Man sollte die Menschen, die man vertritt, auch mitnehmen und sie informieren. Generell ist er der Ansicht, dass Therapeuten, die Mitglieder in Verbänden sind, ihr Recht auf Information mehr wahrnehmen können. Wer das Recht hat, Fragen zu stellen, der habe auch das Recht auf Antworten.

Hintergrund: Aufbau der Rahmenverträge

Zum Vertrag gehören eine ganze Reihe Anlagen, die verschiedene Punkte regeln. Anlage 1: „Leistungsbeschreibung“ legt fest, welche Leistungen die GKV in den einzelnen Bereichen von den Therapeuten erwartet. Anlage 2: „Vergütung“ regelt die Preise. Diese beiden Punkte sind besonders strittig. In Anlage 3 bzw. Anlage 3a und b „Notwendige Angaben“ ist festgehalten, welche Angaben auf den Verordnungen verpflichtend sind und wie Therapeuten damit umgehen können, wenn etwas nicht eingetragen ist. Gerade diese Angaben würden den Praxen natürlich sehr helfen – und sind auch bereits geschiedst worden. Hier stellt sich also die Frage, warum die Praxen sie nicht benutzen können. Anlage 4, 5 und 6 befassen sich mit „Fortbildung“, „Zulassung“ und „Anerkenntniserklärung“.

Mehr zum Thema sowie das Gespräch mit Dr. Roy Kühne können Sie sich im up_Nachrichten Webcast vom 05.05.2021 anschauen.

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2 Kommentare
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Haubold
07.06.2021 16:15

vielen Dank für die wichtigen Informationen , allerdings weiß ich… Weiterlesen »

Ulrike Stanitzke
10.06.2021 17:27
Antworten an  Haubold

Hallo Frau Haubold, hier hilft vielleicht ein Blick auf die… Weiterlesen »

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