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Vier gute Gründe, warum sich niemand vor mehr Behandlungsfreiraum sorgen muss

Ein Kommentar von Ralf Buchner
Seit über einem Jahr könnte es einen Vertrag über die sogenannte Blankoverordnung geben. Die gesetzlichen Voraussetzungen dafür hat das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) geschaffen, die Heilmittel-Richtlinie ist schon seit langem vorbereitet. Und wenn die Heilmittel-Schiedsstelle ihren gesetzlichen Auftrag ernst genommen hätte, dann gäbe es Anfang 2022 bereits diverse Schiedssprüche zum Thema Blankverordnung. Davon sind wir leider noch weit entfernt.
© iStock: MichaelNivelet

Die Einzigen, die sich auf die Blankoverordnung freuen, scheinen die Ärzte zu sein. Denn: Mit jeder von ihnen ausgestellten Blankoverordnung geht das Risiko der Wirtschaftlichkeitsverantwortung weg von ihrer Praxis hin zum Therapeuten. Und das ist der Grund, weshalb Krankenkassen und Heilmittelerbringer Bauchschmerzen bekommen. Wovor sich die meisten fürchten: ein Regresstheater wie bei den Ärzten. Dabei ist diese Angst bei näherer Betrachtung völlig unbegründet, denn:

  1. Mengenausweitung? Kaum möglich. Der aktuell herrschende Fachkräftemangel führt dazu, dass bereits jetzt die Patienten in den Praxen Schlage stehen. Sprich: Die Therapeuten haben gar keine Kapazitäten, um eine Mengenausweitung infolge der Blankoverordnung entstehen zu lassen.
  2. Upgrading? Bedeutungslos. Die Kassen befürchten, dass Therapeuten im Zweifel immer das am besten bezahlte Heilmittel auswählen – also Manuelle Therapie statt KG oder eine Doppelbehandlung. Aber auch hier gilt: Längere Therapieeinheiten haben die für die Kassen faktisch keine Bedeutung, da das fehlende Personal die Anzahl der möglichen Behandlungseinheiten schlichtweg begrenzt. Außerdem ist die Möglichkeit des Upgrading durch den Heilmittelkatalog begrenzt, schließlich darf nicht in jeder Diagnosegruppe jedes beliebige Heilmittel verordnet werden.
  3. Ausnutzen monetärer Vorteile? Unrealistisch. Schon jetzt können Ergotherapeuten und Logopäden statt einer Einzel- eine Parallelbehandlung durchführen. Der Minutenpreis läge dann 40 bis 80 Prozent höher. Machen sie das? Nein!
  4. Wirtschaftlichkeitsverantwortung? Gesetzlich geregelt. Und auch hier werfe ich wieder das Thema Fachkräftemangel in den Raum. Weiterhin regelt das Gesetz ziemlich genau, dass z. B. Abschläge auf Vergütungen nur dann greifen dürfen, wenn es zu „einer unverhältnismäßigen Mengenausweitung in der Anzahl der Behandlungseinheiten je Versicherten, die medizinisch nicht begründet sind“ kommt. Keine Rede von Honorarabschlägen wegen höherwertiger Heilmittel. Weitere Gründe, die gegen die Ängste der Praxisinhaber sprechen, lesen Sie hier.

Eins ist klar: Eine Blankoverordnung würde zu einer besseren Versorgung der Patienten hinsichtlich Art, Dauer und Intensität der Therapie führen. Die Ängste auf allen Seiten sind unbegründet und die Therapeuten sollten alles dafür tun, dass sie endlich den gesetzlich vorgegebenen Behandlungsfreiraum erhalten, den sie brauchen. Es wird höchste Zeit!

Außerdem interessant:

Die Blankoverordnung – neues Denkmuster in der Heilmittelversorgung

Themenschwerpunkt 2.2022: Dauerbaustelle Versorgungsverträge

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Jytte
10.03.2022 19:37

Ehrlich gesagt gehöre ich als Physiotherapeutin und PI auch zu… Weiterlesen »

Thomas Fiederer
18.02.2022 20:38

Puh. Es ist schon sehr besorgniserregend das dieses Thema aktuell… Weiterlesen »

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