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„Lösungsorientiertes Denken heißt, zu überlegen, was man minimal verbessern kann“

Interview mit der Kommunikationsexpertin Dr. Anke Handrock
Seit gut einem Jahr begleitet uns bereits die Corona-Pandemie und nimmt starken Einfluss auf unser Leben. Nur wenige soziale Kontakte sind möglich, der Alltag findet fast ausschließlich zu Hause statt, es gibt kaum Abwechslung und das Impfen geht nur sehr schleppend voran. Hinzu kommt die ständige Angst, sich möglicherweise anzustecken. Das drückt bei vielen auf die Stimmung, macht dünnhäutiger und negative Gedanken treten immer mehr in den Vordergrund. Wir haben mit der Kommunikationsexpertin Dr. Anke Handrock darüber gesprochen, was Praxisinhaber tun können, um die psychische Stabilität im Lockdown zu stärken.
© iStock: alvarez

Das Wetter ist schlecht, der Lockdown zieht sich immer länger hin und ich bemerke in der Praxis, dass meine Mitarbeiter immer häufiger unzufrieden und auch viele Patienten schlecht gelaunt sind. Manch einer fühlt sich von den Corona-Maßnahmen regelrecht fremdgesteuert und begehrt möglicherweise dagegen auf. Wie gehe ich mit einer solchen Situation um?

HANDROCK: Es ist natürlich richtig, je länger der Lockdown dauert und je weniger abschätzbar das Ende ist, desto schlechter ist die Situation kontrollierbar und desto höher ist die Unsicherheit. Dann ist es besonders wichtig, das eigene Denken zu steuern. Denn viel mehr Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen, habe ich nicht. Ich kann also denken ‚Die Welt ist furchtbar und alles ist schlecht.‘ oder ich tue das, was ich tun kann, um bestmöglich durch diese Zeit zu kommen. Das wäre mein Ansatz.

Wie kann ich das konkret umsetzen?

HANDROCK: Die Aufmerksamkeit geht dahin, wo mein Fokus liegt. Wenn ich mich also auf das Negative konzentriere, etwa morgens als Erstes die Nachrichten lese, mir die Corona-Zahlen anschaue und anfange, mich darüber aufzuregen, dann lenke ich meine Aufmerksamkeit in Richtung Probleme, Ausgeliefertsein, keinen Ausweg wissen, und so weiter. Wenn ich darauf verzichte und einen klaren und bewussten Umgang mit Nachrichten habe, mich zum Beispiel einmal am Tag darüber informiere, was ich wissen muss, und mich ansonsten darauf konzentriere, was ich beeinflussen kann, dann liegt mein Fokus darauf. Das führt zu mehr Kompetenzgefühl als das regelmäßige Checken aller schlechten Nachrichten.

Welche Frage muss ich einem Mitarbeiter stellen, damit er ins Handeln kommt?

HANDROCK: Sie könnten sagen: ‚Ich weiß genau, was alles nicht geht, aber lassen Sie uns schauen, welche Möglichkeiten wir dennoch haben, was wir dennoch tun können, um die Situation ein kleines bisschen besser zu machen.‘ Dabei geht es nicht darum, die große Lösung zu finden. Lösungsorientiertes Denken heißt, zu überlegen, was man jetzt minimal verbessern kann. Die Summe der kleinen Schritte führt dann zu einem Stück mehr Kompetenzgefühl und zeigt mehr Handlungsmöglichkeiten für mich als Einzelnen.

Ich kann das auch im Team umsetzen. Es gibt immer Mitarbeiter, die lösungsorientierter denken als andere. Dadurch, dass man solche Mitarbeiter zu entsprechenden Fragen anspricht, kann man andere Mitarbeiter mitnehmen und sie dazu bringen, über Dinge nachzudenken, über die sie sich bisher keine Gedanken gemacht haben.

Hilft es, abends zu reflektieren und sich bewusst zu machen, worauf man heute Einfluss hatte? Oder ist das zu anstrengend?

HANDROCK: Es hilft immer, sich zu fragen ‚Was ist mir gelungen?‘ und sich dann weiter zu fragen ‚Was habe ich dazu beigetragen?‘ und ‚Was kann ich morgen tun, damit mit etwas Vergleichbares wieder gelingt?‘. Wenn ich das schon seit Beginn der Corona-Pandemie mache, kann es durchaus sein, dass ich keine Lust mehr darauf habe. Dann hilft es, eine Pause zu machen. Wenn ich mich bisher jedoch eher abgelenkt habe, kann es mir durchaus helfen, jetzt zu überlegen, was mir und was uns als Team gelungen ist, was gut gelaufen ist und was ich dazu beigetragen habe.

Wenn ich das richtig verstanden habe, ist es im Team also einfacher, ins Handeln zu kommen, als mit einem einzelnen Mitarbeiter?

HANDROCK: Ja, vor allem dann, wenn ich im Team ein paar Leute habe, mit denen ich das vorbereiten kann. Es ist einfacher, wenn ich zwei oder drei Mitarbeiter habe, die darauf eingehen, die sagen ‚Also wenn ich so darüber nachdenke, dann geht das noch, dies könnten wir optimieren und jenes könnten wir tun…‘. Dann fangen auch die anderen an, in diese Richtung zu denken.

Es kann natürlich auch sein, dass man jemanden dabei hat, der ‚die Unke vom Dienst‘ ist. Dann muss man dieses Tierchen eben pflegen. Indem man sagt: ‚Ja, stimmt. Und während das auch wahr ist, lass uns doch gleichzeitig schauen, was trotzdem geht.‘ kommt man dann wieder auf die richtige Spur.

Man kann also etwas tun, wenn man merkt, dass die Stimmung in den Keller geht.

HANDROCK: Man kann zumindest das Denken in eine Richtung leiten, die ein kleines bisschen besser ist, als sie vorher war. Und das ist heutzutage schonmal gar nicht so schlecht.

Vielen Dank für das Gespräch!

[Das Gespräch mit Frau Dr. Handrock führte Ralf Buchner]

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