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Videotherapie im Scheinwerferlicht

Interview mit Claudia Fröhlich
Die meisten haben Fragen, aber wenig Bedenken. Viele sind sehr dankbar, seit wir ihnen die Videotherapie als Alternative zur Behandlung in der Praxis anbieten können.
© Claudia Fröhlich

Welche Bedenken hatten Sie?

Zu Beginn hatte ich Bedenken, ob meine Patienten die Videotherapie annehmen würden. Je sicherer ich jedoch mit dem Thema umgehe, desto eher kann ich auch unsichere Patienten von einer virtuellen Therapie überzeugen.

Was hat Sie positiv überrascht?

Überraschend ist, dass nicht nur die junge Generation, sondern auch viele ältere Patienten dankbar für die virtuelle Fortführung der Therapie sind. Einige leihen sich die erforderliche Hardware von Freunden, andere binden Familienmitglieder ein. Eine meiner Lieblingsgeschichten ist die des 75-jährigen Patienten, der in seinem blauen Trainingsanzug pünktlich zu jeder Videotherapie auf mich wartet und seine Hosenträger als Therabandersatz nutzt.

Welche Vorteile sehen Sie?

In die Physiotherapie kommen viele Patienten mit der Erwartungshaltung: „Mach mich wieder ganz.“ Durch die Videotherapie haben wir die Möglichkeit, unseren Patienten die Verantwortung zurückzugeben. Sie müssen selbst tätig werden und lernen dadurch, selbstwirksam zu sein. Außerdem können Patienten wie Therapeuten unabhängig von Ort und Zeit arbeiten, die Versorgungslage kann verbessert und der Zugang zu Spezialisten erleichtert werden.

Welche Grenzen gibt es?

Ein umfassender therapeutischer Befund ist in der Videotherapie eine Herausforderung. Vieles kann ich virtuell erheben, einiges jedoch nicht. Vor allem Sicherheits- und Provokationstests sind online nicht durchführbar. Diese fehlen mir dann in meinem Befund.

Was müssen Sie bei der Organisation beachten?

Beide Seiten sollten über die geeignete Hard- und Software sowie eine stabile Internetleitung verfügen. Außerdem sollten vorab alle rechtlichen Aspekte abgesprochen werden.

Wie läuft eine Videotherapie bei Ihnen ab?

Grundsätzlich nicht anders als eine Präsenztherapie. Zum Termin wähle ich mich ein und tausche mich mit meinem Patienten über seine aktuellen Beschwerden aus. Danach folgt die eigentliche Therapie. Zum Ende gehen wir noch das Eigenübungsprogramm durch, bevor wir den nächsten Termin und benötigte Materialien absprechen. Dann wird die Videotherapie-Sitzung beendet und dokumentiert.

Ihr Fazit zur Videotherapie?

Die Digitalisierung bietet uns optimale Möglichkeiten, unsere Patienten über die Grenzen unserer Praxis hinaus und unabhängig von Ort und Zeit zu betreuen. Die Videotherapie ist nur der erste Schritt zu einem neuen Verständnis von Therapie. Hierbei geht es nie darum, Bestehendes auszuradieren, sondern sinnvoll zu ergänzen. So kann die Videotherapie neben Präsenztherapie und Hausbesuchen angegliedert werden und neue Möglichkeiten für Patienten und Therapeuten eröffnen.

Nun überprüft der G-BA die Heilmittel-Richtlinie. Was meinen Sie, gehört Videotherapie in die Regelversorgung?

Dazu mein ganz klares Ja! Neben Präsenztherapie und Hausbesuchen sollte sie als dritte Säule der Therapie ein fester Bestandteil der Regelversorgung werden.

Sollte die telefonische Beratung auch ermöglicht werden?

Eine telefonische Beratung von bereits bekannten Patienten mit bekannten Beschwerden ist in einigen Fachbereichen und Fällen sehr sinnvoll. Bei unbekannten Patienten oder bekannten Patienten mit neuen Beschwerden sollte das jedoch kritisch diskutiert werden.

Claudia Fröhlich | Physiotherapeutin (B.Sc.) bei Theraphysia, Berlin

Bieten Sie auch Videotherapie an?

Kürzlich wurden viele der Sonderregelungen für den Heilmittelbereich aufgrund der Covid-19-Pandemie verlängert. Das gilt auch für die Videotherapie, die zunächst bis Ende Juni 2020 möglich war, dann vorübergehend pausierte und seit November wieder erlaubt ist. Seit dem 08. April 2021 steht fest: Zunächst bis zum 30. September 2021 ist Videotherapie weiterhin möglich.

Für Heilmittelerbringer bietet sich daher immer noch eine wunderbare Gelegenheit, Videotherapie zu testen und sich darüber eine Meinung zu bilden. Insbesondere weil der G-BA beschlossen hat, die Heilmittel-Richtlinie dahingehend zu überprüfen, ob und in welchen Fällen Videotherapie in die Regelversorgung aufgenommen wird. Im Oktober 2021 soll die Beschlussfassung dazu erfolgen. Nutzen Sie die Chance, probieren Sie es aus und finden Sie heraus, welche Vorteile Videotherapie für Ihre Praxis mit sich bringt und wie sie Ihr bestehendes Therapie-Angebot ergänzt – oder auch nicht.

Ihre Meinung zählt: Wir bieten Ihnen an dieser Stelle das Forum für Austausch und Diskussion. Viele Ihrer Kollegen sind unserem Aufruf gefolgt und haben in den letzten Monaten von ihren Erfahrungen berichtet. Wenn auch Sie sich äußern möchten, schreiben Sie uns eine Mail an wellner@up-aktuell.de. Denn wir möchten hören, was Sie zu sagen haben!

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