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„Ich nutze Teamgespräche auch, um meine Visionen für die Praxis umzusetzen“

Interview mit Jan Eßwein, Inhaber einer Physiotherapiepraxis und Business-Coach
Teamgespräche sind eine gemeinsame Zeit für Praxisinhaber und Mitarbeiter. Sie finden in einem definierten Rahmen statt und tragen dazu bei, die Qualität des Miteinanders und der gemeinsamen Arbeit weiterzuentwickeln. Solche Teamgespräche stehen bei Jan Eßwein, Inhaber einer Physiotherapiepraxis, wöchentlich als fester Termin im Kalender. Uns hat er verraten, was für ihn erfolgreiche Teamgespräche ausmachen, wie er diese aus Sicht der Wirtschaftlichkeit betrachtet und wie er dafür sorgt, dass jedes Gespräch so effizient wie möglich abläuft.
© iStock: alvarez

Wie können Praxisinhaber Teamgespräche als Führungsinstrument einsetzen?

ESSWEIN: Neben Mitarbeitergesprächen sind sie die beste Möglichkeit, dem Team die Richtung zu weisen und es in diese zu lenken. Wir können sie zum einen nutzen, um reaktiv zu handeln, etwa wenn wir merken, dass etwas nicht rund läuft, beispielsweise bei der Behandlung oder Dokumentation. Zum anderen eignen sie sich, um proaktiv das Unternehmen zu gestalten. Jeder Praxisinhaber hat eine Vision. Und obwohl jeder Mitarbeiter Aufgaben sehr effizient ausführt, kann es dennoch sein, dass wir als Team nicht effektiv arbeiten, weil wir die Vision aus den Augen verlieren. Jedes Teamgespräch ist eine Möglichkeit, durch die eigene Führung kleine Impulse zu setzen, damit die Mitarbeiter wieder auf die richtige Spur gelenkt werden.

Teamgespräche bieten aber noch eine ganz andere Chance für Praxisinhaber. Sie ermöglichen uns, direktes Feedback einzuholen. Wenn es Ungereimtheiten gibt, dann kann das auch mich als Person direkt betreffen. Sind wir offen dafür, sind Teamgespräche eine große Chance, den unternehmerischen Blick zu schärfen.

Wöchentlich, monatlich oder nur anlassbezogen? Was empfehlen Sie, wie oft Teamgespräche stattfinden sollten?

ESSWEIN: Das kommt ganz darauf an, wie intensiv man Teamgespräche als Führungsinstrument nutzen möchte. Natürlich kann man sie nur dann einberufen, wenn es wirklich etwas zu besprechen gibt, sie also anlassbezogen durchführen. Es wäre aber meiner Meinung nach falsch, das Potenzial, das von den Gesprächen ausgeht, nicht voll zu nutzen. Daher empfehle ich allen, sie regelmäßig stattfinden zu lassen.

Wir kommen jeden Montag für 45 Minuten zusammen. Grundsätzlich ist das ein fixer Termin. Wenn ich das Gefühl habe, dass es gerade total rund läuft oder das Team mit Minimalbesetzung fährt, dann lasse ich den Termin aber auch mal ausfallen. Der Montag hat den Vorteil, dass ich meinen Mitarbeitern für die Woche direkt neue Impulse geben kann. Mache ich das freitags, ist das Gesagte nach dem Wochenende kaum noch präsent. Jeder Praxisinhaber muss letztendlich aber selbst entscheiden, an welchem Tag der Woche und wie oft das Teamgespräch stattfinden soll. Länger als vier Wochen sollten die Termine aber nicht auseinanderliegen. Dann geht leicht das Gefühl der Regelmäßigkeit verloren, erst recht, wenn mal jemand krank oder im Urlaub ist.

Wenn die Teammeetings stattfinden, können keine Patienten behandelt werden. Wiegen die Umsatzeinbußen den Nutzen überhaupt auf?

ESSWEIN: Das Thema Wirtschaftlichkeit sollte jeder Praxisinhaber auf dem Schirm haben, wenn es darum geht, wie oft und wie lange die Gespräche stattfinden. Ich kann ganz klar betiteln, was mich das Zusammenkommen kostet. Dafür addiere ich zusammen, was mich die Mitarbeiter pro Stunde kosten und wie hoch der Ausfall ist, den ich dadurch habe, dass keine Behandlungen stattfinden. Da kommt einiges zusammen. Aber ich sehe Teamgespräche ganz klar als Investition. Die Kosten, die durch sinkende Motivation, kein Streben in eine gemeinsame Richtung oder sogar das Abwandern von Mitarbeitern entstehen, sind viel höher als jene für regelmäßige Teamgespräche.

Kommen wir zum praktischen Teil. Wie gehen Sie die Gespräche an?

ESSWEIN: Zunächst bereite ich mich auf das Gespräch vor. Das nimmt fast immer mehr Zeit in Anspruch als das eigentliche Zusammenkommen und sollte nicht unterschätzt werden – insbesondere aus wirtschaftlicher Sicht. Wenn die Vorbereitung mal zu kurz kommt, merke ich das direkt. Dann ist nicht so der Zug in der Sache. Darunter wiederum leidet der Output des Gesprächs.

Wenn das hin und wieder mal vorkommt, ist das okay. Mich kosten die Gespräche jedoch einiges an Geld und für meine Mitarbeiter sind sie bezahlte Arbeitszeit. Dementsprechend erwarte ich auch, dass alle eine gewisse Disziplin an den Tag legen und die Gespräche effizient ablaufen. Wir starten immer pünktlich und achten darauf, dass es keine Störungen gibt. Smartphones sind aus oder im Nebenraum und es wird auch nichts nebenbei gegessen.

Und dann? Wie starten Sie in das Gespräch?

ESSWEIN: Zu Beginn sagt jeder kurz, wie es ihm gerade geht. Ich finde es wichtig, alle kurz abzuholen und ihnen zu signalisieren, dass sie gesehen und wahrgenommen werden. Manchmal frage ich direkt nach dem Wohlergehen. Ich wende aber auch gerne den sogenannten Energielevelcheck an. Wenn die Hand nach unten zeigt, sind es null Prozent Energie, wenn man sie auf Schulterhöhe hebt, sind es 50 Prozent und ganz nach oben gestreckt entsprechen 100 Prozent. Ohne Worte sehe ich so gleich am Anfang, ob alle okay drauf sind oder ob es jemanden gibt, dem es nicht so gut geht. Ich nehme mir dann die Zeit und hake kurz nach. Denn wenn jemand emotional unter Stress steht oder ihn sonst etwas belastet, kommt das, was ich sage, eh nicht an.

Dann folgen zwei Minuten Stille, in der jeder aufschreibt, was er gerne zur Sprache bringen möchte. Daraus erstellen wir dann eine Ad-Hoc-Agenda am Flipchart. Jeder sagt kurz, was er für ein Thema hat und wie lange Zeit er dafür benötigt. Etwa Fragen zur Abrechnung, fünf Minuten. Fachliches Thema, zehn Minuten. Es braucht etwas Zeit, bis man das einschätzen kann, aber dann funktioniert das sehr gut. Ich ergänze dann meine Themen. Nur wenn es ein größeres Thema zu besprechen gibt, teile ich das meinem Team vorab mit. Wir schauen schließlich noch gemeinsam auf den Behandlungsplan der letzten und der aktuellen Woche. Manchmal zeigen sich so weitere Aspekte, die man ansprechen muss. Etwa wenn auffällt, dass ein Mitarbeiter mehrere Überstunden gemacht hat. Dann schauen wir, wie wir die Kapazitäten besser verteilen können.

Wie schaffen Sie es, dass die geplante Zeit für das Teamgespräch bei einer Ad-Hoc-Agenda nicht aus dem Ruder läuft?

ESSWEIN: Für jeden Punkt auf der Agenda stellen wir einen Timer. Ist die Zeit rum, geht es weiter. Da bin ich als Chef gefragt, die Themen strikt abzuarbeiten. Und für den Fall, dass sich viele Themen ansammeln, schaue ich als erstes, welche wirklich jeden in der Gruppe etwas angehen. Alle anderen filtere ich raus. Die Anliegen werden dann separat besprochen, entweder nur unter den Betroffenen oder mit mir.

Und wie gehen Sie sicher, dass das Besprochene auch umgesetzt wird?

ESSWEIN: Zum Schluss legen wir immer To-dos fest. Wer kümmert sich um was und bis wann? Dabei achte ich darauf, dass die Ziele nach der SMART-Formel formuliert sind – spezifisch, messbar, aktivierend, realistisch und terminiert. Dann beenden wir das Zusammenkommen mit einem kurzen Ritual. Mal klatschen alle, mal gibt es ein High Five. Manchmal baue ich auch eine kleine Wertschätzungsrunde ein. Alle sagen Danke für etwas, was vergangene Woche bei der Arbeit besonders gut war oder bedanken sich bei einem Kollegen. Auch ich danke jedem, gerne auch in Form von Dankeskärtchen, die ich in der Runde vorlese und dann dem jeweiligen Mitarbeiter übergebe. Positive Rückmeldung in Form von Lob ist nicht nur für die Motivation enorm wichtig. Sie stärkt die persönliche Bindung und fördert Verhalten, das sich auf unsere Werte, auf unsere Vision einzahlt. Sie macht die Zusammenarbeit sinn- und freudvoller und hilft mir dabei, meine unternehmerischen Ziele zu erreichen.

Herr Eßwein, vielen Dank für das Gespräch!

 

[Das Gespräch mit Jan Eßwein führte Kea Antes]

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