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„Ob sich Mitarbeiter impfen lassen, ist eine rein private Entscheidung“

Rechtsanwältin Anna Karina Lübbe zum Thema Corona-Impfung und Arbeitsrecht
Ende Dezember 2020 wurden hierzulande die ersten Menschen gegen das Corona-Virus geimpft. Wer wann Zugang zu einer solchen Impfung erhält, ist in der Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 festgelegt. Da Mitarbeiter in Heilmittelpraxen regelmäßig unmittelbaren Patientenkontakt haben, sind sie mit „hoher Priorität“ eingestuft und dürfen auf eine baldige Impfung hoffen. Doch können Arbeitgeber von ihren Mitarbeitern verlangen, sich impfen zu lassen? Darüber und über weitere arbeitsrechtliche Fragen zum Thema Corona-Impfung haben wir mit Anna Karina Lübbe, selbstständige Rechtsanwältin mit Schwerpunkt Arbeitsrecht und -schutz, gesprochen.
© Anton Schmolze

Frau Lübbe, grundsätzlich sind Corona-Impfungen freiwillig. Können Arbeitgeber ihre Mitarbeiter trotzdem zum Impfen verpflichten?

LÜBBE: Anders als beispielsweise bei der Masernimpfung gibt es aktuell keine Corona-Impfpflicht bzw. keine damit einhergehenden Beschäftigungsverbote, wenn Mitarbeiter sich nicht impfen lassen möchten. Ob sich Mitarbeiter impfen lassen, ist also eine rein private Entscheidung; eine Anordnung des Arbeitgebers wäre unzulässig. Zudem muss man derzeit berücksichtigen, dass noch gar nicht geklärt ist, ob Geimpfte das Virus weitergeben können oder nicht. Eine Impfung zu verlangen, obwohl man dadurch Patienten oder Kollegen ggf. gar nicht schützen kann, ist unverhältnismäßig. Bei der derzeitigen Impfkampagne steht der Schutz des Geimpften im Vordergrund.

Anders sieht es bei Neueinstellungen aus: Praxisinhaber können dann durchaus mit dem neuen Mitarbeiter vereinbaren, dass eine Corona-Impfung eine Einstellungsvoraussetzung ist. Lässt sich der neue Mitarbeiter darauf ein, hat er dann auch die Impfung nachzuweisen.

Dürfen Arbeitgeber Mitarbeitern, die sich freiwillig impfen lassen, Vorteile gewähren, etwa einen Bonus?

LÜBBE: Das ist durchaus denkbar. Arbeitgeber könnten zum Beispiel interne Impfkonzepte und somit Anreize für eine Impfung schaffen, soweit dies auf rein freiwilliger Basis geschieht. Es wird aktuell auch diskutiert, ob es offizielle betriebliche Impfprogramme geben sollte, mittels der die Arbeitgeber die Belegschaft über den Betriebsarzt impfen lassen könnten. Das sind aber alles noch Gedankenspiele.

Aufgrund des Verbots der Benachteiligung dürfen sich jedoch für Mitarbeiter, die sich nicht beteiligen wollen, keine negativen Konsequenzen ergeben. Die Weigerung, sich impfen zu lassen, darf sich also nicht auf ihr Arbeitsverhältnis auswirken, etwa indem man nur noch für „unliebsame“ Tätigkeiten eingeteilt wird.

Müssen Mitarbeiter dem Arbeitgeber sagen, ob sie geimpft sind?

LÜBBE: Aufgrund der Fürsorgepflichten, die der Arbeitgeber gegenüber seinen Angestellten hat, ist er berechtigt, nach einer Impfung zu fragen. Die Mitarbeiter müssen dann wahrheitsgemäß antworten. Da die Impfung den konkreten Mitarbeiter vor einer Infektion schützt, hat der Impfstatus zum Beispiel Auswirkungen darauf, welche (weiteren) Schutzmaßnahmen ergriffen werden und ob Mitarbeiter mehr oder weniger gefahrlos zu Hausbesuchen oder ins Seniorenheim geschickt werden können. Das bedeutet aber nicht, dass man nur Geimpfte „rauslassen“ darf. Mit der richtigen Schutzausrüstung können auch ungeimpfte Therapeuten problemlos Therapien durchführen.

Und wie sieht es bei Patienten aus? Dürfen Praxisinhaber von ihnen verlangen, dass sie ihren Impfstatus offenlegen?

LÜBBE: Auf freiwilliger Basis ist es grundsätzlich kein Problem, die Patienten um Angaben zum Impfstatus zu bitten. Sie sollten jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass es sich um eine freiwillige Angabe handelt und dass diese Angaben keine Auswirkungen auf die Therapie hat. Solange noch nicht geklärt ist, ob die Impfung auch verhindert, dass man das Virus an andere weitergibt, ist jedoch fraglich, ob man die Information überhaupt benötigt bzw. welchen Nutzen sie bringt. Man darf zudem auch ungeimpften Patienten die Therapie nicht verweigern. Jeder Patient hat unabhängig von seinem Impfstatus ein Anrecht auf Heilmittel. So oder so werden uns die Abstandsregelungen, die Maskenpflicht und sonstige Schutzmaßnahmen trotz der Impfmöglichkeiten wohl noch eine Weile begleiten.

Noch eine Ergänzung zum Thema Fürsorgepflicht. Ist es überhaupt vertretbar, ungeimpfte Therapeuten bei der Arbeit mit ungeimpften Patienten einzusetzen?

LÜBBE: Die Fürsorgepflicht darf nicht in eine Impfpflicht umgewandelt oder als Vorwand genutzt werden, um die Mitarbeiter doch zur Impfung zu zwingen. Wenn einzelne Mitarbeiter bewusst auf den Impfschutz verzichten wollen, ist dies derzeit ihr gutes Recht. Ihnen die Tätigkeit oder bestimmte Tätigkeiten aufgrund des Impfstatus zu verweigern, würde gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten des Arbeitgebers verstoßen. Der Mitarbeiter muss allerdings damit rechnen, dass er ggf. mehr Schutzausrüstung tragen muss als seine geimpften Kollegen.

Wir danken Frau Lübbe für das Gespräch!

[Das Gespräch mit Frau Lübbe führte Kea Antes]
Hinweis: Die Antworten bilden die aktuell geltende Rechtslage ab (Stand Januar 2021). Da wir jedoch noch ganz am Anfang der Impfkampagne stehen, können Regelungen, die jetzt Bestand haben, unter Umständen in Zukunft anders gewertet werden. So können arbeitsrechtliche Verfahren ggf. dazu führen, dass die Rechtsprechung neue Grundsätze/Grenzen aufstellt.

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