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Keine Blankoverordnung – nirgendwo

GKV-Spitzenverband und Heilmittelverbände ignorieren gesetzliche Vorgaben
Der Auftrag des Gesetzgebers ist eindeutig formuliert: Der GKV-Spitzenverband und die maßgeblichen Heilmittelverbände sollen einen Vertrag über die „Blankoverordnung“ schließen, in dem u. a. geregelt wird, bei welchen Indikationen Therapeuten selbst über die Auswahl und Dauer der Therapie sowie die Frequenz der Behandlungseinheiten bestimmen können – und zwar bis zum 30. September 2021. Das genau steht so im § 125a Abs. 1, Satz 3 SGB V.
Frau hält großes Blatt Papier vor sich
© iStock: PeopleImages

Der 30. September ist vorüber, trotzdem gibt es aktuell noch keinen einzigen veröffentlichten Vertrag über Blankoverordnungen. Das ist um so ärgerlicher, als dass die Frist zum Vertragsabschluss aufgrund der Corona-Pandemie bereits um sechs Monate verlängert worden ist. Ursprünglich hätten alle Therapeuten bereits seit März 2021 Blankoverordnungen bearbeiten können.

Schiedsspruch ohne Verhandlungen?

Das Gesetz legt für den Fall, dass bis 30. September 2021 die Verträge nicht abgeschlossen sind, fest, dass „der Inhalt des Vertrages innerhalb von drei Monaten durch die Schiedsstelle […] festgelegt wird.“ Das könnte spannend werden, denn wenn es noch gar nicht zu richtigen Verhandlungen gekommen ist, dann dürfte es ziemlich schwierig für die Schiedsstelle werden, mal eben so einen Vertrag für die Blankoverordnung festzulegen.

Denn die Vereinbarung für die Blankoverordnung muss neben einer Diagnoseliste auch eine Regelung enthalten, mit der die Wirtschaftlichkeit der Behandlung gemessen bzw. gesteuert werden kann. Da im Heilmittelbereich – anders als im ärztlichen Bereich – keinerlei Strukturen zur Steuerung der Wirtschaftlichkeit bestehen, steht die Schiedsstelle ziemlich hilflos vor einer mehr oder weniger nicht allein zu lösenden Aufgabe.

Gesetzliche Vorgaben nicht einfach ignorieren

Die Vorstellung der einzelnen Vertragspartner sind sehr weit voneinander entfernt. Nicht nur GKV und Heilmittelverbände haben sehr unterschiedliche Vorstellungen, sondern auch die Heilmittelverbände untereinander sind sich bislang keineswegs einig. In den Reihen der GKV rauft man sich vermutlich inzwischen frustriert die Haare ob der Planlosigkeit der Heilmittelverbände. LOGO Deutschland berichtet in einer Pressemitteilung, dass der GKV-Spitzenverband und einige Berufsverbände die Schiedsstelle aufgefordert haben, den Schiedsspruch zur Blankoverordnung doch bitte erst zum 31.12.2022 zu erstellen. Kann das wirklich sein, dass die öffentlich-rechtliche GKV dazu aufruft, gesetzliche Vorgaben zu ignorieren?

Ja, vermutlich kann das sein. Denn erstens hat das BMG schon bei den bundeseinheitlichen Rahmenverträgen auf die Nichtveröffentlichung von Schiedssprüchen und nicht eingehaltene Termine einfach gar nicht reagiert. Alle Beteiligten haben also gelernt, dass es kein Problem darstellt, geltendes Recht zu ignorieren. Und zweitens kann man es der GKV nicht zum Vorwurf machen, dass es keine Vertragsergebnisse gibt, wenn die Heilmittelverbände möglicherweise heillos zerstritten sind oder einfach schlicht keinen Plan haben.

Und in den Heilmittelpraxen reibt man sich verwundert die Augen und fragt sich, was denn wohl noch auf der Strecke bleibt von diesem ursprünglich begeistert gefeierten Gesetz, das zusätzlich zur Blankoverordnung noch weitere Themen vorgibt, die ausgehandelt werden müssen (Telemedizin, Kosten der Telematik-Infrastruktur), nun aber an der mangelnden Verhandlungsfähigkeit aller Beteiligten zu scheitern droht.

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