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„Wer im ersten Verfahren so vehement gegen das Gesetz verstößt, dem kann man auch in einem zweiten nicht vertrauen.“

Interview mit Franz O. Schneider, Rechtsanwalt und Notar a. D. zur Abberufung einiger Mitglieder der Schiedsstelle
Bei den Ergotherapeuten gibt es nach wie vor keinen neuen Rahmenvertag. Der Bundesverband für Ergotherapeuten e. V. (BED) hat nun schriftlich die Abberufung einiger Mitglieder der Schiedsstelle gefordert – während der Deutsche Verband Ergotherapie (DVE) gegen eine Auflösung der Schiedsstelle ist. Wir haben mit dem Rechtsanwalt Franz O. Schneider, der den BED in dieser Sache vertritt, gesprochen und nach den Gründen und Folgen gefragt.
© Franz O. Schneider

Herr Schneider, die Ergotherapie-Verbände haben gegen den Schiedsspruch aus dem Februar 2021 Klage beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingereicht. Sie haben ein Kurzgutachten verfasst und darauf hingewiesen, dass es rechtswidrig war, keine Preise festzusetzen. Fordert der BED deshalb die Abberufung einiger Mitglieder der Schiedsstelle?

SCHNEIDER: Ja, das ist ein Grund. Mein Gutachten hat zudem scheinbar dafür gesorgt, dass Schiedsstelle und GKV-Spitzenverband angefangen haben, nachzudenken: Wir sitzen irgendwie beide in einer blöden Falle. Wir als Schiedsstelle haben auf der einen Seite einen schlechten Schiedsspruch gefällt, der gegen das Gesetz ist, und auf der anderen Seite habt ihr als GKV-Spitzenverband vergessen, eure Klage dagegen zu erheben. Der GKV-Spitzenverband hat dann im April bei der Schiedsstelle ein zweites Schiedsverfahren beantragt.

Das ist aber unzulässig. Schließlich ist das erste Verfahren ja noch rechtshängig. Das Landessozialgericht wird über diesen Streitgegenstand einzig und allein entscheiden. Aktuell versuchen Schiedsstelle und GKV-Spitzenverband mit dem zweiten Schiedsspruch das Klageverfahren zu unterminieren. Das ist rechtlich jedoch gar nicht möglich.

Der BED hat die Schiedsstelle mehrfach schriftlich darauf hingewiesen. Trotzdem hat sie weitergemacht. Das hat dazu geführt, dass wir diesen Ablehnungsantrag bei der Schiedsstelle eingebracht haben und die Abberufung der unparteiischen Schiedsrichter sowie der vier Mitglieder des GKV-Spitzenverbandes fordern. Denn wer so vehement gegen das Gesetz im ersten Verfahren verstößt, dem kann man auch in einem weiteren Verfahren nicht vertrauen. Das Bundesgesundheitsministerium hat als Aufsichtsbehörde dann den von der Schiedsstelle am 21. Juli 2021 anberaumten Verhandlungstermin einen Tag vorher absetzen lassen. Der Grund: Das Ministerium möchte vor einer Abberufung die beteiligten Personen der Schiedsstelle befragen.

Was wären denn die Folgen, wenn Klage und Abberufungsantrag Erfolg haben?

SCHNEIDER: Wenn der BED vor dem Landessozialgericht Recht bekommt, wird das Gericht den Schiedsspruch aufheben und der Schiedsstelle vorgeben, wie sie über die Preise zu entscheiden hat – zur Not mithilfe von Sachverständigen. Der BED wird zumindest alles daransetzen, dass die personelle Besetzung nicht weiter Bestand hat.

Was bedeutet eine Neubesetzung der Schiedsstelle für die Ergebnisse der anderen Fachgruppen?

SCHNEIDER: Das kann ich pauschal nicht beantworten. Meines Erachtens wäre es dringend erforderlich, zu überprüfen, was die Schiedsstelle bei den anderen Fachgruppen entschieden hat. Die Physiotherapeuten sollten zum Beispiel einmal prüfen, ob die Entscheidung überhaupt rechtmäßig zustande gekommen ist.

Das Gespräch führte Katharina Münster.

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