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„Behandlungseinheit“ – die große Unbekannte

Worüber sprechen wir eigentlich (nicht) in den Verhandlungen?
Der Heilmittelkatalog (HMK) legt fest, wie viele Behandlungseinheiten Therapie beim Vorliegen einer bestimmten Indikation vom Arzt verordnet werden können. Auch die Frequenz, in der diese Behandlungseinheiten erbracht werden können, steht im HMK. Doch was genau sich einer „Behandlungseinheit“ eigentlich wirklich verbirgt, das ist erstaunlicherweise nicht geregelt.
© fotosipsak

Elf Mal findet sich der Begriff „Behandlungseinheit“ im Text der Heilmittel-Richtlinie. Immer wird damit geregelt, wer wie viel Therapie bekommt, oder wer diese Dinge verändern darf. Nur was eine Behandlungseinheit eigentlich genau ist, das bleibt ungeklärt.

Warum das wichtig ist? Aus zwei Gründen, einem formalen und einem medizinischen. Die Heilmittel-Richtlinie soll formal die Grundlage dafür liefern, dass eine „ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten“ gewährleistet ist, die den „allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse“ berücksichtigt. Wenn in der HeilM-RL die kleinste Einheit für Therapie eine Behandlungseinheit ist, dann wäre es schon wichtig zu klären, was sich die Beteiligten unter einer Behandlungseinheit vorstellen. Und auch medizinisch wäre es schon ganz interessant zu wissen, was denn genau „der Stand der medizinischen Erkenntnisse“ über Inhalt und Umfang einer Behandlungseinheit ist. Denn sonst wird die Behandlungseinheit womöglich unter Vernachlässigung der medizinischen Erkenntnisse definiert.

Definition im GKV-Vertrag?

Bei der Suche nach einer Definition der „Behandlungseinheit“ ist die nächste Recherchequelle der jeweilige GKV-Vertrag nach § 125 SGB V, der für jeden Heilmittelberuf eine Leistungsbeschreibung als Anlage vorhält. Doch darin wird der Begriff noch seltener verwendet als im Heilmittel-Richtlinientext. In der Leistungsbeschreibung werden Leistungen und Maßnahmen beschrieben. Dabei sind die allgemeinen Leistungen (z. B. Vor- und Nachbereitung oder Verlaufsdokumentation) meistens Bestandteil der dann folgenden Maßnahmen. Der zeitliche Umfang von Maßnahmen wird manchmal definiert, manchmal nicht, manchmal bleibt Interpretationsspielraum. Das gilt so auch für die Leistungen, die manchmal Bestandteil von Maßnahmen sind, manchmal jedoch ausdrücklich nicht. Selbst wohlwollende Leser der Leistungsbeschreibung schaffen es hier nicht, eine korrekte Definition der „Behandlungseinheit“ abzuleiten. Davon abgesehen vermisst man an dieser Stelle auch den in der HeilM-RL geforderten Bezug zum „Stand der medizinischen Erkenntnisse“.

Ähnliches gilt für die sogenannten Leistungsbeschreibungen der Berufsgenossenschaften oder der Beihilfestellen: Viel Text, der darüber hinwegtäuschen soll, dass sich hier niemand so genau festlegen kann oder will.

Helfen die medizinischen Leitlinien weiter?

Dehnt man die Suche nach einer Definition der „Behandlungseinheit“ weiter aus, gibt es zwei weitere mögliche Quellen. Es gibt eine Fülle von Therapiemethoden, die sich allerdings fast alle um die Festlegung der belegbaren richtigen Dosierung herummogeln. Natürlich gibt es hier und da Angaben, zur sinnvollen Dauer einer therapeutischen Intervention, aber im Allgemeinen fehlen die „Dosierungsangaben“. Bleibt das Studium der medizinischen Leitlinien, die bei der Definition einer „Behandlungseinheit“ ebenfalls eher selten konkret werden. In vielen Leitlinien wird so pauschal über Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie geschrieben, dass hier kaum Hilfestellung bei der Suche nach der richtigen Definition der Behandlungseinheit zu finden ist.

Ernüchternd kommt man zum Ergebnis, das die Heilmittel-Richtlinie auf eine Therapie-Behandlungseinheit referenziert, die – wenn überhaupt – in den Verträgen und Preislisten der Kostenträger beschrieben wird. Medizinisch begründete Leistungsbeschreibungen sucht man vergebens. Das sind wirklich schlechte Voraussetzungen für sinnvolle Preisverhandlungen.

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