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Videotherapie im Scheinwerferlicht

Interview mit Elke Kumar
Ergotherapie soll erreichen, dass der Klient (wieder) in seinem Alltag zurechtkommt. Dank Videotherapie können wir von ihm genauer als zuvor in einzelne Alltagssituationen mitgenommen werden. Bereits seit Januar 2020 biete ich Videoberatungen an – für Eltern von Kindern, die ich „Sandwichkinder“ nenne: Sie haben leichte bis mittlere Alltagsprobleme, aber die Schwierigkeiten sind nicht so stark ausgeprägt, dass es dafür eine Diagnose gibt. Per Video kann ich Eltern individuell coachen, wie sie ihr Kind sinnvoll unterstützen können, mit Schwerpunkt auf Gesundheitsförderung und Prävention. Aktuell biete ich auch für Kinder, die krankheitsbedingt Einschränkungen haben, Videotherapie auf Rezept an. Ich finde das hochgradig sinnvoll. Die Alternative wäre, dass gar nichts stattfindet und wertvolle Zeit verloren geht. Nebenbei gesagt ist auch toll, dass interdisziplinäre Besprechungen auf diese Weise in der Coronazeit unkompliziert stattfinden können.
© Elke Kumar

Welchen Klienten bieten Sie außerdem Videotherapie an?

Ich bin seit Januar 2020 auf die Entwicklungsförderung und Ergotherapie in der Pädiatrie spezialisiert. Hier nutze ich Videotherapie. Aber auch für die psychisch-funktionelle Behandlung im Erwachsenenbereich kann ich mir ergänzende Videotherapie sehr gut vorstellen.

Wie reagieren Ihre Klienten darauf?

Meistens sehr dankbar, denn es muss keine Betreuung für Geschwisterkinder sichergestellt werden, und der lange Fahrweg entfällt.

Wie organisieren Sie Videotherapie und wie läuft sie bei Ihnen ab?

Die Klienten bekommen einen Zugangscode und können sich per PC, Laptop oder Handy zuschalten. Schriftliches Material stelle ich per E-Mail oder als Download zur Verfügung. Wir arbeiten auf verschiedenen Plattformen.

Welche Herausforderungen und Grenzen gibt es?

Bei Videotherapie mit Kindern müssen die Eltern gut kooperieren. Manchmal scheitert es an funktionierenden Internetverbindungen. Und standardisierte Testverfahren sind nicht durchführbar, ebenso nicht Hands-on-Maßnahmen.

Wie sehen Ihre ganz persönlichen Erfolge mit Videotherapie aus?

Eltern haben sich auf das Experiment eingelassen und können jetzt Therapieinhalte teilweise auch zuhause besser umsetzen. Dank der Videotherapie bin ich viel näher „am Alltag dran“. Von Klienten ohne Rezept habe ich oft positives Feedback erhalten. Die Eltern fühlen sich gut unterstützt. Beim Arzt und auch im Kindergarten ist ja kaum Zeit, intensiver über die kindliche Entwicklung zu sprechen.

Ihr Fazit?

Corona hat das Thema vorangetrieben, aus meiner Sicht ein sehr positiver Schritt!

Nun überprüft der G-BA die Heilmittel-Richtlinie. Was meinen Sie, gehört Videotherapie in die Regelversorgung?

Ja, absolut! Allerdings als optionaler Bestandteil. Es muss individuell gut abgewägt werden, bei welchem Klienten Videotherapie an welcher Stelle des Therapieprozesses sinnvoll ist.

Wann, bei welchen Indikationen eignet sich aus Ihrer Sicht Videotherapie?

Da wir Ergotherapeuten nicht rein funktionell arbeiten, sondern den Alltag in den Fokus nehmen, Hilfsmittelberatung und -schulung sowie Umfeldgestaltung zu unserem Tätigkeitsgebiet gehören, würde ich das nicht an bestimmten Indikationen festmachen.

Wie steht es mit der telefonischen Beratung? Sollte sie in Zukunft auch abgerechnet werden dürfen?

Unbedingt! Viele Erstinformationen können ohne persönliche Anwesenheit auch am Telefon weitergegeben werden.

Elke Kumar | Dipl.-Ergotherapeutin & Praxisinhaberin, Hirschberg (bei Heidelberg)

Bieten Sie auch Videotherapie an?

Kürzlich wurden viele der Sonderregelungen für den Heilmittelbereich aufgrund der Covid-19-Pandemie verlängert. Das gilt auch für die Videotherapie, die zunächst bis Ende Juni 2020 möglich war, dann vorübergehend pausierte und seit November wieder erlaubt ist. Seit dem 16. September 2021 steht fest: Zunächst bis zum 31. Dezember 2021 ist Videotherapie weiterhin möglich.

Für Heilmittelerbringer bietet sich daher immer noch eine wunderbare Gelegenheit, Videotherapie zu testen und sich darüber eine Meinung zu bilden. Insbesondere weil der G-BA beschlossen hat, die Heilmittel-Richtlinie dahingehend zu überprüfen, ob und in welchen Fällen Videotherapie in die Regelversorgung aufgenommen wird. Im Oktober 2021 soll die Beschlussfassung dazu erfolgen. Nutzen Sie die Chance, probieren Sie es aus und finden Sie heraus, welche Vorteile Videotherapie für Ihre Praxis mit sich bringt und wie sie Ihr bestehendes Therapie-Angebot ergänzt – oder auch nicht.

Ihre Meinung zählt: Wir bieten Ihnen an dieser Stelle das Forum für Austausch und Diskussion. Viele Ihrer Kollegen sind unserem Aufruf gefolgt und haben in den letzten Monaten von ihren Erfahrungen berichtet. Wenn auch Sie sich äußern möchten, schreiben Sie uns eine Mail an redaktion@up-aktuell.de. Denn wir möchten hören, was Sie zu sagen haben!

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