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Videotherapie im Scheinwerferlicht

Interview mit Mira Strauß
Auf die Frage, warum sie per Videotherapie behandelt, antwortet die Ergotherapeutin Mira Strauß: "Videotherapie ermöglicht es, mit den Klienten in Kontakt zu sein und zu bleiben. Damit haben wir einen wichtigen Baustein in die Behandlung integriert. Denn Videotherapie erleichtert den Alltag von Therapeuten und Klienten gleichermaßen. In der Ergotherapie ist die alltägliche Betätigung ein zentrales Thema und mittels Kameras und Gespräch noch besser umsetzbar als durch eine einfache Videoaufnahme. Ich habe mir oft gewünscht, einfach mal Mäuschen spielen zu können und zu sehen, wie sich ein Klient in seinem gewohnten Umfeld betätigt. Auf dieser Grundlage können wir gemeinsam analysieren und die Behandlung so adaptieren, dass er wieder (oder überhaupt) Spaß hat."
© Mira Strauß

Welchen Patienten bieten Sie Videotherapie an?

Allen, die dafür offen sind. Am sinnvollsten ist Videotherapie bei Gesprächen, bei runden Tischen und um eine Betätigung ganz genau zu beobachten und zu analysieren.

Wie reagieren Ihre Patienten darauf?

Die meisten begrüßen das Angebot. Außerdem entfällt die Anfahrt. Manche waren anfangs im Umgang mit der Technik unsicher. Da diese aber immer öfter auch in anderen Bereichen zum Einsatz kommt (z. B. Homeoffice, Homeschooling), haben sich die meisten schnell daran gewöhnt.

Wie läuft bei Ihnen Videotherapie ab?

Fast jeder Klient hat ein Smartphone, ein Tablet oder einen PC. Die Termine versende ich per SMS oder als E-Mail – mit Datum, Uhrzeit und Anmeldecode.

Ich nehme mir Zeit und Ruhe wie bei sonstigen Therapieeinheiten auch: Ich bin in dem Raum ungestört, habe immer etwas zum Schreiben dabei und plane schon vorher Aufgaben oder habe Aufgabenblätter vorbereitet, die ich entweder bei der Sitzung per Bildschirm teile oder vorab maile.

Welche Herausforderungen und Grenzen gibt es?

Ich finde Videotherapie bei technisch unsicheren Menschen schwierig, eine gewisse Affinität ist für mich Voraussetzung. Auch sind nicht alle Klienten technisch gut ausgestattet oder haben eine ausreichende Internetverbindung. Grenzen gibt es bei sehr jungen und sehr alten Klienten, die eine andere Art der Ansprache benötigen.

Wie sehen Ihre ganz persönlichen Erfolge mit Videotherapie aus?

Eine Familie war sehr dankbar, dass ich in der Phase des ersten Lockdowns flexibel und schnell auf Videotherapie umgestiegen bin. Eine Hochrisikoperson konnte so weiter behandelt werden.

Ihr Fazit?

Die Videotherapie wird noch viel zu selten genutzt, da an alten Gewohnheiten festgehalten wird. Ich finde, dass sie als Baustein für eine erfolgreiche Therapie bisher gefehlt hat. Ich möchte die Videotherapie noch viel häufiger einsetzen.

Nun überprüft der G-BA die Heilmittel-Richtlinie. Was meinen Sie, gehört Videotherapie in die Regelversorgung?

Absolut! Niemand kann oder sollte die Augen verschließen und sich einer notwendigen Neuerung verweigern. Was nicht heißt, dass alle anderen Therapieformen eingestampft werden sollten. Videotherapie sollte einfach eine Möglichkeit in der Therapie sein.

Bei welchen Indikationen eignet sich aus Ihrer Sicht Videotherapie?

Vor allem wenn es um Beratung oder Analyse einer Betätigung geht. Und auch bei der Aufrechterhaltung von Kontakten.

Wie steht es mit der telefonischen Beratung? Sollte sie in Zukunft auch abgerechnet werden dürfen?

Auf jeden Fall! Gerade bei den Klienten, die nicht die technischen Voraussetzungen oder die Affinität zu PC und Co. haben. Auch hier gilt für mich: Telefonische Beratung sollte ein Baustein sein.

Mira Strauß | Ergotherapeutin & Lehrkraft für den Fachbereich Pädiatrie, Edingen-Neckarhausen

 

Bieten Sie auch Videotherapie an?

Kürzlich wurden viele der Sonderregelungen für den Heilmittelbereich aufgrund der Covid-19-Pandemie verlängert. Das gilt auch für die Videotherapie, die zunächst bis Ende Juni 2020 möglich war, dann vorübergehend pausierte und seit November wieder erlaubt ist. Seit dem 16. September 2021 steht fest: Zunächst bis zum 31. Dezember 2021 ist Videotherapie weiterhin möglich.

Für Heilmittelerbringer bietet sich daher immer noch eine wunderbare Gelegenheit, Videotherapie zu testen und sich darüber eine Meinung zu bilden. Insbesondere weil der G-BA beschlossen hat, die Heilmittel-Richtlinie dahingehend zu überprüfen, ob und in welchen Fällen Videotherapie in die Regelversorgung aufgenommen wird. Im Oktober 2021 soll die Beschlussfassung dazu erfolgen. Nutzen Sie die Chance, probieren Sie es aus und finden Sie heraus, welche Vorteile Videotherapie für Ihre Praxis mit sich bringt und wie sie Ihr bestehendes Therapie-Angebot ergänzt – oder auch nicht.

Ihre Meinung zählt: Wir bieten Ihnen an dieser Stelle das Forum für Austausch und Diskussion. Viele Ihrer Kollegen sind unserem Aufruf gefolgt und haben in den letzten Monaten von ihren Erfahrungen berichtet. Wenn auch Sie sich äußern möchten, schreiben Sie uns eine Mail an redaktion@up-aktuell.de. Denn wir möchten hören, was Sie zu sagen haben!

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