up|unternehmen praxis

Videotherapie im Scheinwerferlicht

Interview mit Judith Hopf
Auf die Frage, warum sie per Videotherapie behandelt, antwortet die Ergotherapeutin Judith Hopf: "Klienten, die aus Vorsicht nicht mehr in die Praxis kommen, sollen nichtsdestotrotz die notwendige Versorgung erhalten. Gerade in Quarantäne-Zeiten ist das gut umsetzbar."
© Judith Hopf

Welchen Klienten bieten Sie Videotherapie an?

Ich behandle vor allem Kinder und psychisch erkrankte Erwachsene per Videotherapie.

Wie reagieren Ihre Klienten darauf?

Die Videobehandlung wurde bisher nur in einzelnen Fällen abgelehnt. Zum Beispiel wenn ein Kind eigentlich eine Gruppe besucht und das Therapieziel mit Videotherapie nicht erreicht werden kann.

Wie organisieren Sie Videotherapie und wie läuft sie bei Ihnen ab?

Die Videotherapie fordert zu Beginn etwas mehr Vorbereitung. Ein kleiner Kasten mit möglichen Hilfsmitteln begleitet mich immer, sodass ich auch hier schnell reagieren kann. Die Behandlung beginne ich mit dem Ankommen des Klienten, beispielsweise einer Befindlichkeitsabfrage. Danach geht es in die Therapiephase, und zum Abschluss gibt es noch ein Ritual, wie ein Spiel, eine Geschichte oder Atemübung.

Welche Vorteile sehen Sie?

Die Versorgung kann aufrechterhalten werden und muss nicht aufgrund von gesetzlichen Beschränkungen unterbrochen werden. Es kann am bisherigen Therapiestand angeknüpft werden. Außerdem ist ein Einblick in den Alltag der Klienten möglich, ein Kinderzimmer ist live zu sehen. So sind die Umstände besser zu begreifen.

Welche Herausforderungen und Grenzen gibt es?

Gerade mit Kindern im Bereich der Motorik oder Wahrnehmung zu arbeiten, ist etwas anspruchsvoller. Gruppenangebote wie das Marburger-Konzentrations-Training lassen sich nicht in der Videobehandlung nachahmen.

Wie sehen Ihre ganz persönlichen Erfolge mit Videotherapie aus?

Ein Erfolg ist es, Klienten mit Depressionen dabei zu helfen, neue Routinen und Betätigungen zu finden, um mit dieser Situation umzugehen. Bei Kindern empfinde ich es als meinen größten Erfolg, die Therapiefortschritte zu sehen. Ein Junge kam nach einer Weile Videotherapie wieder in die Praxis, und seine Stifthaltung sah deutlich besser aus. Bei einem anderen Kind hatte sich die Konzentrationsspanne messbar gebessert.

Ihr Fazit?

Videotherapie ist ein unterstützendes Medium. Gerade für Klienten, für die ein Besuch in einer Einrichtung mit Hürden verbunden ist, kann das eine wichtige Versorgungsmöglichkeit sein. Face-to-Face zu arbeiten ist anders, weil es mehr Möglichkeiten bietet. Jedoch würde ich die Videobehandlung nicht als weniger effektiv beschreiben.

Nun überprüft der G-BA die Heilmittel-Richtlinie. Was meinen Sie, gehört Videotherapie in die Regelversorgung?

Definitiv. So lässt sich der Ausfall von Therapieeinheiten reduzieren, und mehr Menschen kann eine Versorgung ermöglicht werden.

Wann, bei welchen Indikationen eignet sich aus Ihrer Sicht Videotherapie?

Bei psychisch erkrankten Klienten habe ich sehr gute Erfahrungen mit der Videotherapie gemacht, gerade im Bereich Depressionen und bei Angstzuständen. Bei Kindern habe ich vor allem bei Konzentrationsschwierigkeiten und Graphomotorik Therapieerfolge feststellen können.

Wie steht es mit der telefonischen Beratung? Sollte sie in Zukunft auch abgerechnet werden dürfen?

Auf jeden Fall. Ich denke besonders an psychisch Erkrankte, die es teilweise nicht in die Praxis schaffen. Da könnte ich am Telefon direkt intervenieren. Telefonische Elterngespräche wären auch im Bereich der Pädiatrie hilfreich, gerade bei Betreuungsproblematiken oder in akuten Situationen.

Judith Hopf | Ergotherapeutin, Ergotherapeutische Praxis ZEITRAUM, Essen

Bieten Sie auch Videotherapie an?

Kürzlich wurden viele der Sonderregelungen für den Heilmittelbereich aufgrund der Covid-19-Pandemie verlängert. Das gilt auch für die Videotherapie, die zunächst bis Ende Juni 2020 möglich war, dann vorübergehend pausierte und seit November wieder erlaubt ist. Seit dem 16. September 2021 steht fest: Zunächst bis zum 31. Dezember 2021 ist Videotherapie weiterhin möglich.

Für Heilmittelerbringer bietet sich daher immer noch eine wunderbare Gelegenheit, Videotherapie zu testen und sich darüber eine Meinung zu bilden. Insbesondere weil der G-BA beschlossen hat, die Heilmittel-Richtlinie dahingehend zu überprüfen, ob und in welchen Fällen Videotherapie in die Regelversorgung aufgenommen wird. Im Oktober 2021 soll die Beschlussfassung dazu erfolgen. Nutzen Sie die Chance, probieren Sie es aus und finden Sie heraus, welche Vorteile Videotherapie für Ihre Praxis mit sich bringt und wie sie Ihr bestehendes Therapie-Angebot ergänzt – oder auch nicht.

Ihre Meinung zählt: Wir bieten Ihnen an dieser Stelle das Forum für Austausch und Diskussion. Viele Ihrer Kollegen sind unserem Aufruf gefolgt und haben in den letzten Monaten von ihren Erfahrungen berichtet. Wenn auch Sie sich äußern möchten, schreiben Sie uns eine Mail an redaktion@up-aktuell.de. Denn wir möchten hören, was Sie zu sagen haben!

Außerdem interessant:

Videotherapie im Scheinwerferlicht – Interview mit Hannah Becker 

Videotherapie im Scheinwerferlicht – Interview mit Jessica Engelke 

0 Kommentare
Inline Feedbacks
View all Kommentare
0
Wir würden gerne erfahren, was Sie meinen. Schreiben Sie einen Kommentar.x