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Videotherapie im Scheinwerferlicht

Interview mit Stephanie Leitold
Seit wann bieten Sie Videotherapie an, Frau Leitold? "Sofort nachdem die Kassen das o.k. gegeben hatten, habe ich Termine vereinbart."
© Leitold

Wie reagieren Ihre Patienten darauf?

Ich konnte gleich mit 1/3 von ihnen anfangen. Inzwischen finden ¾ meiner Termine online statt. Die Kinder sind total begeistert von der Abwechslung und viel motivierter, als sonst nach der Schule. Auch Erwachsene nehmen sie gut an.

Welche Bedenken hatten Sie?

Überhaupt keine, weil ich mich für neue Wege begeistern kann. Sonst wäre ich im falschen Beruf. Wir begleiten schließlich viele Klienten, die durch plötzliche Lebensereignisse ein völlig anderes Leben kennenlernen müssen. Warum sollte ich dann bei so einer Veränderung jammern?

Was hat Sie positiv überrascht?

Gerade Kinder, die ich bisher im Kindergarten- oder Schulsetting behandelt habe, erlebe ich nun in ihrem häuslichen Umfeld. Ich lerne die Eltern besser kennen; deren Mitarbeit hat sich deutlich erhöht. Ich bekomme mehr Einblick in den Familienalltag und kann meine Therapie besser darauf ausrichten. Gleiches gilt für die Erwachsenen. So können z. B. psychisch erkrankte Klienten selbst in den Phasen therapiert werden, in denen sie das Haus nicht verlassen.

Welche Vorteile sehen Sie?

Für Familien bedeutet es weniger Stress: Die Anfahrt fällt weg, Geschwisterkinder können besser beschäftigt werden. Für mich wird das häusliche Umfeld greifbarer und es bringt sich aktiver ein.

Welche Grenzen gibt es?

Ich sehe sie im motorischen Bereich bei allem, was ich erspüren, anpassen oder messen muss. Auch bei Gleichgewichtsproblemen oder Kindern mit z. B. pathogenen Reflexen ist es nur bedingt über Video möglich.

Was muss bei der Organisation beachtet werden?

Wichtig ist eine gute Internetverbindung auf beiden Seiten. Ich schicke meinen Klienten eine bebilderte Anleitung, die ich gemacht habe. Zusätzlich bin ich telefonisch erreichbar, sollte etwas nicht funktionieren. Ich plane 10- bis 15-minütige Pausen zwischen den Therapien ein. So kann ich alles in Ruhe herrichten und viel trinken.

Wie läuft eine Videotherapie bei Ihnen ab?

Ich bereite mich am Abend vorher darauf vor. Meine ständigen Begleiter sind ein weißes Blatt Papier, Holzfarbstifte, Schere, Tesafilm/Kleber, weil es sie in jedem Haushalt gibt. Viele Spiele können auch über Video gespielt werden, wie z. B. Schiffe versenken. Einige meiner Vorlagen schicke ich den Klienten entweder vorher, um sie gemeinsam zu machen, oder erkläre sie während der Therapie und versende sie anschließend. Im Videocall arbeiten wir weiter an ihren Therapiezielen mit dem Unterschied, dass ich ihre häusliche Situation einbinde. Manchmal brauche ich die Hilfe von Bezugspersonen, die Übungen zu begleiten oder den Kindern den richtigen Griff anzuleiten. Auf diese Weise wird auch das Üben zu Hause mehr.

Ihr Fazit zur Videotherapie?

Ich möchte sie nicht missen, als zusätzliche Möglichkeit. Meine Erfahrungen sind durchweg positiv und ich habe bereits fünf neue Anmeldungen nur dafür.

Würden Sie Videotherapie in die Regelversorgung aufnehmen?

Ja, es ist eine Bereicherung für unsere Arbeit und ein großer Fortschritt; gleichzeitig eine Chance für viele Klienten. Es wird nicht überall möglich, aber bei bestimmten Klienten ein Zugewinn sein.

Sollte die telefonische Beratung auch ermöglicht werden?

Sie wäre sehr wünschenswert. Einige meiner psychisch erkrankten Klienten haben nicht die finanziellen Mittel, sich ein Gerät mit Kamera zu kaufen oder aber ein Problem damit, sich darüber zu zeigen. Hier war es sehr schwierig, Kontakt während der Ausgangsbeschränkung zu halten und gerade sie hätten mich dringlichst gebraucht.

Stephanie Leitold | Ergotherapie Leitold, Straubing

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