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Hintergrund und rechtliche Vorgaben

SGB V und Heilmittel-Richtlinie legen die Rahmenbedingungen fest
Was gemeinhin als Blankoverordnung (Blanko-VO) bezeichnet wird, heißt formal „Heilmittelversorgung mit erweiterter Versorgungsverantwortung“. § 125a SGB V schreibt vor, was der GKV-Spitzenverband und die maßgeblichen Heilmittel-Verbände vertraglich zu regeln haben. In § 13a der Heilmittel-Richtlinie hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) Details zum Ausfüllen des Verordnungsformulars sowie Fristen für die Gültigkeit festgelegt.
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SGB V § 125a

125a (1) legt u. a. fest:
  • Der GKV-Spitzenverband und die maßgeblichen Verbände der Heilmittelerbringer schließen für jeden Bereich einen Vertrag über die Heilmittelversorgung mit erweiterter Versorgungsverantwortung ab.
  • Die Verträge sind bis zum März 2021 zu schließen.
  • Gegenstand der Verträge ist eine Versorgungsform, bei der die Heilmittelerbringer aufgrund einer durch einen Vertragsarzt festgestellten Diagnose und der Indikation für eine Heilmittelbehandlung selbst über die Auswahl und die Dauer der Therapie sowie die Frequenz der Behandlungseinheiten bestimmen können.
  • Die Auswahl der Therapie darf dabei nur im Rahmen der Heilmittel-Richtlinie für die jeweilige Diagnosegruppe vorgegebenen verordnungsfähigen Heilmittel erfolgen.
  • Vor Abschluss der Vereinbarung ist den Kassenärztlichen Bundesvereinigungen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
125a (2) regelt den Inhalt der zu schließenden Verträge. Dazu gehört u.a.:
  • welche Indikationen für die Blankoverordnung geeignet sind
  • Möglichkeiten zur Bestimmung der Dauer der einzelnen Behandlungseinheiten durch den Leistungserbringer sowie Regelungen zu der daraus resultierenden Preisstruktur
  • Maßnahmen zur Vermeidung einer unverhältnismäßigen Mengenausweitung
  • 125a (3): Schiedsstelle übernimmt

 

„Kommt ein Vertrag nach Absatz 1 ganz oder teilweise nicht bis zum 15. März 2021 zustande, wird der Inhalt des Vertrages innerhalb von drei Monaten durch die Schiedsstelle nach § 125 Absatz 6 festgesetzt.“

125a (6): Es muss eine Evaluation stattfinden

Die Auswirkungen der Blanko-VO auf das Versorgungsgeschehen im Bereich der Heilmittel, der Mengenentwicklung, der finanziellen Auswirkungen auf die Krankenkassen sowie die Auswirkungen auf die Behandlungs- und Ergebnisqualität innerhalb der ersten vier Jahre nach Abschluss der Verträge müssen wissenschaftlich begleitet und evaluiert werden.

Heilmittel-Richtlinie § 13a

13a (1): Auf diese Angaben auf der Blankoverordnung kann verzichtet werden:
  1. Anzahl der Behandlungseinheiten
  2. Heilmittel gemäß dem Katalog
  3. gegebenenfalls ergänzende Angaben zum Heilmittel (z.B. „KG-ZNS [Bobath]“ oder „Doppelbehandlung“)
  4. Therapiefrequenz (Angabe auch als Frequenzspanne möglich)
13a (2): Fristen

Die Behandlung muss innerhalb von 28 Tagen, bei dringlichem Behandlungsbedarf innerhalb von 14 Tagen nach Verordnung beginnen.

Die Blankoverordnung für Maßnahmen der Physiotherapie, Ergotherapie, Stimm-, Sprech-, Sprach- und Schlucktherapie sowie Ernährungstherapie ist maximal 16 Wochen, für podologische Maßnahmen maximal 40 Wochen ab Verordnungsdatum gültig.

13a (3): Ärzte müssen keine Blankoverordnung ausstellen

Bei wichtigen medizinischen Gründen, die gegen eine Auswahl der Heilmittel, der Dauer und Frequenz der Therapie durch die Therapeuten sprechen, können Ärzte auf die Blankoverordnung verzichten.

Werden die Ärzte Blankoverordnungen ausstellen?

Ärzte können bei entsprechenden Indikationen eine Blanko-VO ausstellen, müssen es aber nicht (vgl. § 13a (3) HeilM-RL). Es stellt sich also die Frage, ob die Ärzte bei der Blankoverordnung mitmachen. Einiges spricht dafür, denn mit der Blankoverordnung verlagert sich die Wirtschaftlichkeitsverantwortung weg von den Ärzten hin zu den Therapeuten. Darum stehen die Ärzte der Blanko-VO auch grundsätzlich positiv gegenüber, sind sie doch für eventuelle Mengenausweitungen oder Budgetüberschreitungen nicht mehr verantwortlich.

Zudem erleichtert die Praxissoftware die Ausstellung der Blanko-VO. Darin ist bereits jetzt eine Tabelle für die entsprechenden Indikationen angelegt. Noch ist diese natürlich leer. Sobald der GKV-Spitzenverband und die Heilmittelverbände diese jedoch in den Verträgen festgelegt haben, werden die Datensätze über ein Update in die Praxissoftware geladen. Wenn ein Arzt dann einen Patienten mit einer entsprechenden Indikation hat, wird ihm die Blankoverordnung automatisch vorgeschlagen – und aus den oben genannten Gründen, werden die meisten Ärzte dem sicher auch zustimmen.

Was halten Therapeuten von der Blankoverordnung?

„Ich kann es als Praxisinhaber kaum erwarten bis es endlich soweit ist, weil es eine große Entlastung sein wird“, sagte der Physiotherapeut Jens Uhlhorn bei der Podiumsdiskussion im Rahmen des up-Netzwerktreffens am 5. März 2021 auf die Frage, wie er zur Blankoverordnung stehe. „Als ich gehört habe, dass das geplant ist, dachte ich: endlich mal ein Schritt in die richtige Richtung. Endlich Strukturreformen.“ Natürlich müsse man bei der Ausgestaltung noch ein wenig aufpassen und genau hinschauen. „Aber vom Grundsatz her: Hurra, endlich, und los geht’s.“ Etwas zurückhaltender hat es die Logopädin Christiane Sautter-Müller ausgedrückt: „Als Berufsverbandsvorsitzende graust es mir vor dem nächsten Verhandlungsmarathon – ganz ehrlich.“ Als Praxisinhaberin schlage sie aber drei Kreuze, wenn sie sie habe, da sie nach wie vor viele Änderungen und Rückfragen aus der Ärzteschaft habe. Der Podologe Bastian Priegelmeir findet die Einführung der Blankoverordnung auch berufspolitisch als Praxisinhaber sehr interessant, weil man damit mehr in die Richtung Selbstbestimmung / Direct Access gehen könne.

Diese Artikel gehören zum Schwerpunkt Blankoverordnung:

Themenschwerpunkt 4.2021: Chancen und Risiken der Blankoverordnung

Medizinisch-therapeutische Aspekte der Blankoverordnung: Indikationen, Ängste, Therapiequalität und Evaluation

Wirtschaftliche Aspekte: Interview mit Jens Uhlhorn, Physiotherapeut und Praxisinhaber

Berufspolitische Aspekte der Blankoverordnung: Interview mit Dr. Claudia Kemper, Physiotherapeutin und Gesundheitswissenschaftlerin

„Aus Kassensicht interessiert uns, was die Therapeuten davon erwarten“ – Interview mit Michael Reimann, Unternehmensbereichsleiter Heilmittel bei der AOK Niedersachsen

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