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„Vielleicht haben einige Hersteller den Aufwand unterschätzt“

Interview mit Julius Lehmann, Leiter der Abteilung Veranlasste Leistungen, KBV
Der verschobene Starttermin der überarbeiteten HeilM-RL wurde von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) damit begründet, dass bisher zu wenige Softwarehersteller das notwendige Zertifizierungsverfahren für die entsprechend angepasste Praxissoftware durchlaufen haben (wir berichteten). Wir wollten es genauer wissen und suchten das Gespräch mit Julius Lehmann, Leiter der Abteilung Veranlasste Leistungen bei der KBV.
© KBV

Herrn Lehmann, die Spezifikationen für die Softwarehersteller sind seit Anfang des Jahres bekannt. Dennoch haben bisher nicht genügend Anbieter das Zertifizierungsverfahren durchlaufen. Wie kommt das?

LEHMANN: Ich denke das ist sehr vielschichtig. Zum einen sind die Anforderungen, die wir definiert haben, im Vergleich zur vorherigen Charge 2017 deutlich komplexer geworden. Wir haben deutlich mehr spezifiziert und einen 50-seitigen Anforderungskatalog erstellt. Das ist ein Brocken, durch den die Softwarehersteller durchmüssen. Es liegt aber auch daran, dass trotz der vereinfachten Heilmittel-Richtlinie die Vorgaben für das Ausfüllen der Verordnungen immer noch extrem vielschichtig sind. Und wenn man alle Vorgaben mehr oder weniger wasserdicht machen will, dann ist das einfach ein komplexer Sachverhalt, den man umsetzen und im Zertifizierungsverfahren auch nachweisen muss.

Der zweite Umstand ist Corona: Ganz viele andere Programmieraufgaben, die nicht am Anfang des Jahres schon auf der Roadmap standen, kamen dazwischen, wie die Einführung ganz neuer Formulare in der Verordnungssoftware, die so nicht planbar waren, aber noch viel dringlicher umgesetzt werden musste. Dadurch sind andere Themen immer weitergerutscht. Und vielleicht haben dann auch die ein oder anderen Hersteller den Aufwand unterschätzt, die die Rezertifizierung mit sich bringt. So kommt es, dass ein großer Teil viel zu spät am Start ist.

Sie haben gesagt, dass die Anforderungen deutlich komplexer im Vergleich zum alten Formular wären. Daraus höre ich, dass das Handling in Zukunft einfacher und weniger fehleranfällig wird. Darf man hoffen, dass sich der Aufwand lohnt?

LEHMANN: Die Gestaltung liegt immer in der Hand der Softwarehersteller, da haben wir überhaupt keinen Einfluss. Aber von der Funktionalität erhoffen wir uns eine deutliche Verbesserung. Dazu muss man aber auch sagen, dass wir die Richtlinie an sich dahingehend ja bereits überarbeitet haben. Etwa haben wir konzipiert, dass in der Praxissoftware abgrenzbar neue Verordnungsfälle definiert werden können. Aus der Software heraus kann ich klare Fallkonstellationen abbilden, sodass weniger Fehler entstehen und auch das ganze Kreuzchen setzen, Erstverordnung/Folgeverordnung außerhalb des Regelfalls, fällt weg. Wir gehen davon aus, dass es ein vernünftiges Produkt wird.

Das Gespräch mit Herrn Lehmann führte Ralf Buchner.

Das Video zum Interview können Sie in unserer up-Mediathek abrufen

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