up|unternehmen praxis

Preisverhandlungen besser gestalten – Teil 2

Wie GKV-Honorare betriebswirtschaftlich richtig kalkuliert werden können
Wenn es um GKV-Honorare geht, dann wird seit Jahrzehnten über prozentuale Aufschläge diskutiert, von denen wir ganz genau wissen, dass sie zu niedrig sind. Doch wie lassen sich die Preisverhandlungen besser gestalten? Indem die GKV-Honorare betriebswirtschaftlich richtig kalkuliert werden. Im ersten Schritt braucht es vereinbarte Rahmenverträge inklusive aller Anlagen wie Zulassungsbestimmungen und Leistungsbeschreibungen. Diese Rahmenbindungen müssen dann mit Kosten (auch die der Risiken) versehen werden.
© Tinpixels

Ein Preis wird im Wesentlichen von zwei Faktoren bestimmt: Der Preisbereitschaft der Zielkunden, in diesem Fall der Kassen, und die Kosten, die für die Bereitstellung der Dienstleistung in meiner Praxis entstehen. Möchte man betriebswirtschaftlich richtig kalkulierte GKV-Honorare, müssen beide Punkte berücksichtigt werden.

Schritt 1: Preisbereitschaft der Kassen ermitteln

Die GKV hat den gesetzlichen Auftrag, Versichertengelder sorgsam zu verwalten. Daher möchte sie überall dort, wo es geht, Geld einsparen. Andererseits gilt es aber auch, das gesetzlich vorgeschriebene Sachleistungsprinzip umzusetzen. Die GKV ist darauf angewiesen, dass es bundesweit eine wohnortnahe ambulante Versorgung mit Heilmitteln gibt. Fehlen hier die Vertragspartner, weil die gezahlten Honorare lausig sind und niemand einen solchen Vertrag abschießen will, wird es teuer für die GKV. Denn dann dürfen Patienten die Leistung auf eigene Rechnung auch zu deutlich höheren Preisen beziehen und die GKV muss sie in voller Höhe erstatten. Eine grundsätzliche Preis- und Zahlungsbereitschaft ist bei der GKV daher durchaus vorhanden.

Ein weiterer Faktor ist das Ergebnis der Heilmittelbehandlung. Wenn die GKV wüsste, dass eine bestimmte Behandlung einigermaßen sicher zu einem bestimmten Ergebnis führen würde, dann wäre die Preisbereitschaft sicherlich höher. So läuft das beispielsweise bei Modellvorhaben und IV-Verträgen: Die zu erbringende Leistung wird an klare Parameter geknüpft, die nicht zwingend an das Ergebnis der Behandlung gebunden sind, sondern auch mit der schnellen Verfügbarkeit oder Intensität/Frequenz der Leistungserbringung gemessen werden können. Auch für das Fachwissen und die Erfahrung von Spezialisten sind GKV-Kassen durchaus bereit, einen höheren Preis zu bezahlen.

Die Preisbereitschaft der Kassen lässt sich erfragen. Jede Kasse hat z. B. Kosten für Indikationen, die nach deren Ansicht unkontrolliert verpuffen. Solche Themen bieten eine gute Grundlage, um andere Leistungen/Verfahren zu vereinbaren, die Preisbereitschaft der Kassen dafür ist höher. Das ist wie bei Privatpatienten: Je stärker der „Schmerz“, desto größer wird die Preisbereitschaft.

Heilmittel-Schiedsstelle als weiterer möglicher Einflussfaktor

Entpuppt sich die GKV bei Preisverhandlungen als unwillig, eine geforderte Preiserhöhung zu vereinbaren, hat der Gesetzgeber das Schiedsverfahren etabliert. Die Heilmittel-Schiedsstelle entscheidet dann über die Preise – ganz konkret die Unparteiischen. Auch dieser Aspekt sollte bei der Frage nach der Preisbereitschaft der GKV mit berücksichtigt werden, genauer, auf welche Argumente die unparteiischen Mitglieder der Schiedsstelle wohl eingehen werden und auf welche nicht.

Ein Beispiel: Die Forderung nach einer 50-prozentigen Honorarerhöhung, damit die Praxisinhaber endlich angemessen bezahlt werden, dürfte auf eine geringere Preisbereitschaft stoßen als die Forderung, die Vergütungen so zu justieren, dass die RKI- und BG-Vorgaben zu Gesundheits- und Arbeitsschutz optimal umgesetzt werden können. Das kommt zwar rein rechnerisch auf den identischen Betrag heraus, aber für die „Preisbereitschaft“ der Schiedspersonen dürfte es einen erheblichen Unterschied machen, ob die Forderung 50 Prozent mehr Unternehmergewinn lautet oder die Honorarerhöhung damit begründet wird, dass Praxisinhaber von der GKV durch den Rahmenvertrag dazu gezwungen werden, die RKI- und BG-Anforderungen zu erfüllen und die dafür anfallenden Mehrkosten übernommen werden müssen.

Schritt 2: Kosten kalkulieren

Bei der Ermittlung des richtigen Preises sind neben der Preisbereitschaft der GKV die anfallenden Kosten in einer Therapiepraxis eine entscheidende Größe. Diese lassen sich ganz grob in zwei Kostenarten unterteilen:

  1. Die Gemeinkosten: Da sind allgemeine Kosten, die sich nicht ohne Weiteres einer konkreten Behandlung zurechnen lassen, wie z. B. die Rezeptionsmitarbeiter. Diese Kosten müssen anteilig auf die einzelnen Behandlungen bzw. Produkte verteilt werden. Die Gemeinkosten werden im Rahmen der GKV maßgeblich durch die Inhalte der Rahmen- bzw. Versorgungsverträge bestimmt.
  2. Die Einzelkosten: Darunter fallen all jene Aufwendungen, die direkt durch die Erbringung der Dienstleistung/des Produktes entstehen. Also etwa die Zeit des Behandlers oder, ganz aktuell, die speziellen Corona-Hygienekosten, die bei der Desinfektion eines Behandlungszimmers nach jeder Therapie anfallen. Die Einzelkosten werden maßgeblich durch die jeweiligen Leistungsbeschreibungen beeinflusst.

 

Gemeinkosten bestimmen:

In den Rahmenverträgen wird ganz detailliert vereinbart, wie z. B. die räumlichen Voraussetzungen beschaffen sein müssen, damit Heilmittelerbringer überhaupt einen GKV-Versicherten behandeln dürfen. Auch Anforderungen an Praxisprozesse werden gestellt. Das führt dazu, dass die Gemeinkosten nicht vollkommen frei anhand eigener Erwägungen bestimmt werden können, sondern sklavisch die in den Verträgen vorgegebenen Bedingungen erfüllt werden müssen.

Letztlich besteht nur eine einzig mögliche betriebswirtschaftlich akzeptable Methode, die Gemeinkosten einer Praxis zu kalkulieren: Indem die Kosten, die durch die Bestimmungen des Vertrages zusammenkommen, einzeln bestimmt und dann addiert werden. Im Ergebnis erhält man die gesamten Gemeinkosten eines Praxisinhabers, der eine GKV-Zulassung hat.

Einige Beispiele:

  • Die GKV vereinbart mit den Heilmittelverbänden eine bestimmte Raumgröße. Damit ist geklärt, wie groß die Fläche einer Praxis mindestens sein muss. Die Mietgemeinkosten können also nicht geringer sein, als im Vertrag vereinbart.
  • Im Rahmenvertrag ist geregelt, dass die Praxis mindestens 25 Wochenstunden geöffnet sein muss. Praxisinhaber haben also auf jeden Fall die Personalgemeinkosten, die durch die von der GKV festgelegten Mindestöffnungszeiten entstehen.

 

Einzelkosten berechnen

Die GKV-Leistungsbeschreibungen bilden den kalkulatorischen Rahmen für die Einzelkosten von Praxisinhabern. Dort wird z. B. die Zeit einer Leistung beschrieben. Ärgerlicherweise geschieht das aber teilweise in Form von variablen Zeiträumen, die Position „Krankengymnastik“ etwa wird mit der Zeitspanne von 15 bis 25 Minuten beschrieben. Wie soll man hier sinnvoll kalkulieren? Und wie bitte legt man bei einer solchen Leistungsbeschreibung einen angemessenen Preis fest? Das sind durchaus wichtige Fragen, die jahrelang unbeantwortet geblieben sind und die einer der Ursachen für die aktuelle Preissituation sind.

Zusätzlich gibt es zwischen GKV und Heilmittelverbänden unterschiedliche Interpretationen darüber, welche Aktivitäten innerhalb der Behandlungszeit zu erledigen sind und welche nicht. Eine eineindeutige Leistungsbeschreibung ist also die Grundlage für die Ermittlung fairer Preise.

Mindestumsatz beachten

Auch der Mindestumsatz und der Gewinn von Praxisinhabern spielt eine Rolle. Denn die Kosten genau zu kennen, ist die eine Sache. Zu wissen, wieviel Umsatz später tatsächlich mit GKV-Versicherten gemacht wird, eine andere.

Ein Beispiel: Die GKV-Honorare decken die oben genannten Kosten vollständig ab, immer unter der Voraussetzung, dass die jeweilige Praxis voll ausgelastet ist. Jetzt kommt aber ein Schneesturm und alle Patienten sagen ab. Oder die Logopädiepraxis hat ständig Absagen von Eltern kranker Kinder. Das sind Punkte, die bei einer Kalkulation der GKV-Honorare ebenfalls berücksichtigt werden müssen.

Dabei gilt: Je höher das Risiko des Praxisinhabers, desto höher muss sein möglicher Gewinn (nach Therapie) sein. Anhand des Rahmenvertrags lassen sich die Höhe und die Eintrittswahrscheinlichkeit des jeweiligen Risikos ermitteln. Auch dieses Ergebnis sollte in die Preisverhandlung mit einfließen.

Diese Artikel gehören zum Themenschwerpunkt Fristenverschiebung der Rahmenverträge:

Themenschwerpunkt 10.2020: Fristenverschiebung der Rahmenverträge

„Vielleicht haben einige Hersteller den Aufwand unterschätzt“: Interview mit Julius Lehmann, Leiter der Abteilung Veranlasste Leistungen, KBV

Fristenverschiebung der Rahmenverträge: Das sagen Politik und Verbände zur geplanten Verschiebung 

GPVG beschlossen: Bundeskabinett verschiebt Inkrafttreten der bundeseinheitlichen Heilmittelverträge

Kommentar zu verschobenen Rahmenverträgen: Lasst die ärztlichen Softwareanbieter zahlen!

Preisverhandlungen besser gestalten – Teil 1: Probleme der GKV-Honorarverhandlungen und mögliche Lösungsansätze 

0 Kommentare
Inline Feedbacks
View all Kommentare
0
Wir würden gerne erfahren, was Sie meinen. Schreiben Sie einen Kommentar.x