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Preisverhandlungen besser gestalten – Teil 1

Probleme der GKV-Honorarverhandlungen und mögliche Lösungsansätze
Die bundeseinheitlichen Preislisten gelten seit dem 1. Juli 2019 und hatten ursprünglich eine Laufzeit für ein Jahr – sprich bis zum 1. Juli 2020. Dann verlängerte sich diese Frist wegen Corona bis zum 1. Oktober 2020. Nun hat der Gesetzgeber erneut den Termin für neue Preise verschoben und zwar auf den 1. Januar 2021. Über die Frage, wie hoch denn jetzt die neuen Preise sein müssen, ist eine interessante Diskussion entbrannt.
© scyther5

Die Verbände haben eine Wirtschaftlichkeitsanalyse ambulanter Therapiepraxen erstellen lassen (WAT-Gutachten – wir berichteten) und daraus unterschiedliche Forderungen nach prozentualen Preiserhöhungen abgeleitet. Nach notwendigen strukturellen Veränderungen der Vergütungsvereinbarungen hören sich die Ausführungen der Verbände auf der Pressekonferenz zur Veröffentlichung des Gutachtens allerdings nicht an. Dabei dürfte eine der Ursachen für die prekäre Vergütungssituation der Heilmittelbranche gerade an den strukturellen Mängeln der Leistungsbeschreibungen und den damit verbundenen Preisvereinbarungen liegen. Wir haben einen Blick auf die Rahmenbedingungen der Preisverhandlungen geworfen und Probleme, aber auch Lösungsmöglichkeiten identifiziert.

1.     Unklare Zielsetzungen

Irgendwie ist nicht ganz klar, was genau die Heilmittelverbände und die GKV mit den Preisverhandlungen erreichen wollen (über das Ziel „mehr/nicht so viel“ hinaus). Das Ergebnis der Behandlung spielt bei der Vergütung faktisch keine Rolle, finanzielle Anreize für besseren Service oder aussagekräftigere Dokumentation sucht man vergebens. Die Möglichkeit, über Preise Einfluss auf die Qualität der Dienstleistung zu nehmen, wird verschenkt.

Wie geht es besser? Vor dem Start von Preisverhandlungen bräuchte es eine in der Branchenöffentlichkeit geführte Debatte über die Ziele. Damit würde den Verhandlern vermutlich deutlich vor Augen geführt, was die Kollegen, für die sie verhandeln, eigentlich wollen. Sie bekämen ein klares Mandat für ihre Verhandlungen.

2.     Mangelnde Transparenz

Was in den Preisverhandlungen eigentlich verhandelt wird, bleibt ein großes Geheimnis, denn die Heilmittelverbände lassen sich auf entsprechende Vertraulichkeitsvereinbarungen der GKV ein. Letztlich erfahren Praxisinhaber erst etwas, wenn der Vertrag oder der Preis steht. „Friss, Vogel, oder stirb!“ lautet die Devise hier, denn wer Verträge oder Preise nicht akzeptabel findet, kann nur seine Zulassung zurückgeben – was inzwischen ja auch nicht wenige Therapeuten getan haben.

Wie geht es besser? Neben klaren Zielvereinbarungen (s. o.) sollte es regelmäßige Zwischenberichte zum Verhandlungsstand geben. Man könnte bei wichtigen Fragen sogar an Abstimmung aller beteiligten Praxisinhaber über das Ergebnis von neuen Verträgen/Preisen nachdenken. Das würde die Position der Verhandler gegenüber der GKV auf jeden Fall deutlich stärken.

3.     Auslastung wird ignoriert

Die Auslastung von Therapiepraxen ist in einigen Regionen ein wirkliches Problem. Und bei der bisherigen Preisbildung ist immer von einer 100-prozentigen Auslastung ausgegangen worden. Das funktioniert in vielen Fällen nur über den Verzicht der Praxisinhaber auf entsprechenden Einnahmen.

Wie geht es besser? Indem das Thema Minderauslastung bei der Preisbildung berücksichtigt würde. Das wäre auch im Sinne der GKV, denn dann gäbe es einen sehr effektiven finanziellen Anreiz für die Praxisinhaber, mit einer höheren Auslastung mehr zu verdienen. Und die GKV hätte automatisch mehr Kapazitäten am Start.

4.     Unklare Leistungsbeschreibung

Unklare oder uneinheitliche Leistungsbeschreibungen führen im GKV-Kontext zu falschen/unwirtschaftlichen Preisen, die dann im schlimmsten Fall von Therapeuten durch Verstoß gegen die Leistungsbeschreibungen „korrigiert“ werden.  Ein solches Vorgehen verhindert eine realistische Preisfindung und treibt Therapeuten in den Vertragsverstoß.

Wie geht es besser? Indem in der Leistungsbeschreibungen endlich konkret festlegt würde, was für einen GKV-Versicherten zu leisten ist und was nicht.

5.     Kompliziertes Erlösmodell

Schaut man in die aktuellen Preislisten, dann stellt man fest, dass ein Therapeut nicht für seine Erfahrung und sein Wissen bezahlt wird, sondern für das, was er macht. Diagnostik wird anders bezahlt als Behandlung, Zertifikat A anders als Zertifikat B. Und mit etwas Pech bekommt man als Physiotherapeut mit Lymphdrainage-Fortbildung weniger Geld als ohne. Das macht die Preisverhandlung nochmals viel komplexer und im Ergebnis schlecht zu kalkulieren.

Wie geht es besser? Eine Lösung wären Preise pro Minute für Diagnostik, Behandlung und Vor- und Nachbereitung. Damit wäre es viel einfacher, möglichst gerechte GKV-Honorare zu verhandeln.

6.     Fehlende Innovation

Bisher fehlt es den Preisverhandlungen mit der GKV deutlich an Veränderungsbereitschaft: Fast alles bleibt so wie es immer war, nur um mehr oder weniger viele Prozentpunkte erhöht.

Wie geht es besser? Mit Ideen und dem Willen, auch neue Wege zu beschreiten, mit denen beispielsweise die ausufernden Bürokratiekosten refinanziert werden. Wie wäre es mit einer pauschalen zusätzlichen Verwaltungsgebühr pro Rezept, die unabhängig von den Behandlungen bezahlt wird? Oder mit einem Heilmittel-Forschungsfond, in den die GKV je Behandlungseinheit einen Euro einzahlen muss? Dann stünden pro Jahr 312 Millionen Euro zur Verfügung, um den von der GKV geforderten Nachweis zu erbringen, dass Therapie wirkt.

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