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Videotherapie im Scheinwerferlicht

Interview mit Christoph Schwertfellner
Ursprünglich behandelte ich per Videotherapie, weil ich mich bereits im März in Quarantäne begeben musste. Wenig später zahlte die Krankenkasse auch offiziell für diese Art der Behandlung. Deshalb haben wir sie nach meiner Quarantäne weiter durchgeführt.
© Christoph Schwertfellner

Welchen Patienten bieten Sie Videotherapie an?

Vor allem Menschen mit muskuloskelettalen Beschwerden, also Patienten mit Schmerzen am Bewegungsapparat oder nach Sportverletzungen. Ich hatte bisher sehr unterschiedliche Diagnosen dabei, zum Beispiel Rückenschmerzen, Nackenschmerzen, Knie- und Sprunggelenksverletzungen, aber auch als Reha bei Gelenkprothesen.

Wie reagieren Ihre Patienten darauf?

Weitestgehend sehr positiv. Ich war selbst zuerst eher skeptisch, auch in Bezug darauf, wie es mit der technischen Umsetzung klappen würde – da wurde ich aber schnell eines Besseren belehrt, weil unser Programm die Benutzung wirklich vereinfacht. Natürlich gibt es trotzdem eine Handvoll, für die das Einrichten schwer umsetzbar ist. Dafür mussten wir uns andere Lösungen suchen. Besonders, wenn ein Therapieerfolg spürbar wird, sind viele Patienten gerne und mit viel Motivation dabei. Das Feedback ist entsprechend gut.

Wie organisieren Sie Videotherapie und wie läuft sie bei Ihnen ab?

Jeder Patient, der per Video behandelt wird, bekommt eine Probeeinheit, bei der wir kurz testen, wie die Verbindung und das Einrichten laufen. So sieht jeder direkt, wie das Ganze funktioniert, und eventuelle Fragen können gleich geklärt werden. Dann werden die jeweiligen Termine vergeben. Ansonsten ist die Therapie bei mir ganz ähnlich aufgebaut wie in der Praxis.

Welche Vorteile sehen Sie?

Termine von zuhause aus, keine Fahrtzeiten, jetzt in unserer aktuellen Situation keinerlei Infektionsgefahr. Möglicherweise kann die Videotherapie für stark chronifizierte Patienten sogar besser sein als eine Therapie in der Praxis. Per Video lässt sich nicht passiv behandeln, daher muss der Fokus auf Aufklärung und Bewegung liegen. Ich konnte dadurch mit einigen Patienten diesen passiven, chronischen Kreislauf durchbrechen.

Welche Herausforderungen und Grenzen gibt es?

Eine Herausforderung ist es, sowohl den Kostenträgern als auch den Patienten und Kollegen diese Form der Therapie nahezubringen.

Wie sehen Ihre ganz persönlichen Erfolge mit Videotherapie aus?

Mein persönliches Highlight war meine 89-jährige Patientin, die so begeistert mit dabei war. Und ein an passive Behandlung gewöhnter Patient mit Fibromyalgie, der zum ersten Mal in seiner Schmerzkarriere gerne Übungen gemacht hat. Ich bin stolz, dass wir uns als Praxis getraut haben, neue Wege zu gehen. Und auf das positive Feedback von allen Seiten.

Ihr Fazit?

Videotherapie ist eine moderne, der Zeit angemessene Form der Behandlung, die die konventionelle Therapie gut ergänzen kann.

Nun überprüft der G-BA die Heilmittel-Richtlinie. Was meinen Sie, gehört Videotherapie in die Regelversorgung?

Ja, unbedingt.

Wann, bei welchen Indikationen eignet sich aus Ihrer Sicht Videotherapie?

Bei Schmerzen am Bewegungsapparat, nach Sportverletzungen und bei chronischen Schmerzerkrankungen ganz besonders.

Wie steht es mit der telefonischen Beratung? Sollte sie in Zukunft auch abgerechnet werden dürfen?

Ich finde „ja“! Für Patienten kann es sehr hilfreich und beruhigend sein, wenn sie nachfragen können und dürfen. Für uns ist das leider kaum machbar, bzw. der finanzielle Anreiz ist nicht gegeben.

Christoph Schwertfellner | Physiotherapeut bei Physiotherapie im Palmpark, Simbach am Inn

Bieten Sie auch Videotherapie an?

Kürzlich wurden viele der Sonderregelungen für den Heilmittelbereich aufgrund der Covid-19-Pandemie verlängert. Das gilt auch für die Videotherapie, die zunächst bis Ende Juni 2020 möglich war, dann vorübergehend pausierte und seit November wieder erlaubt ist. Seit dem 16. September 2021 steht fest: Zunächst bis zum 31. Dezember 2021 ist Videotherapie weiterhin möglich.

Für Heilmittelerbringer bietet sich daher immer noch eine wunderbare Gelegenheit, Videotherapie zu testen und sich darüber eine Meinung zu bilden. Insbesondere weil der G-BA beschlossen hat, die Heilmittel-Richtlinie dahingehend zu überprüfen, ob und in welchen Fällen Videotherapie in die Regelversorgung aufgenommen wird. Im Oktober 2021 soll die Beschlussfassung dazu erfolgen. Nutzen Sie die Chance, probieren Sie es aus und finden Sie heraus, welche Vorteile Videotherapie für Ihre Praxis mit sich bringt und wie sie Ihr bestehendes Therapie-Angebot ergänzt – oder auch nicht.

Ihre Meinung zählt: Wir bieten Ihnen an dieser Stelle das Forum für Austausch und Diskussion. Viele Ihrer Kollegen sind unserem Aufruf gefolgt und haben in den letzten Monaten von ihren Erfahrungen berichtet. Wenn auch Sie sich äußern möchten, schreiben Sie uns eine Mail an redaktion@up-aktuell.de. Denn wir möchten hören, was Sie zu sagen haben!

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