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Videotherapie im Scheinwerferlicht

Interview mit Kristin Wätzig
Die Patienten bzw. die Eltern der zu behandelnden Kinder reagieren durchweg positiv und verstehen sofort die technische Umsetzung. Es war wahrscheinlich von Vorteil, dass vorwiegend Väter im Homeoffice sind, die sich mit den entsprechenden Plattformen und technischen Voraussetzungen gut auskennen.
© Kristin Wätzig

Welche Bedenken hatten Sie?

Am Anfang hatte ich Bedenken wegen der zum Einsatz kommenden Tools : Gibt es genügend Platz, auch für die Nutzung von Sportgeräten, zum Beispiel Pezziball, Stäbe oder Theraband.

Was hat Sie positiv überrascht?

Die Motivation und Bereitschaft der Patienten zur Videobehandlung. Und das pünktliche Treffen im virtuellen Raum mit ganz wenigen Störungen sowie die gute Zusammenarbeit mit den Patienten. Die Videotherapie fördert auch meine eigene Kreativität – bei nötigen und sinnvollen Übungsabwandlungen oder in Hinblick auf das nur begrenzt zur Verfügung stehende Behandlungsmaterial.

Welche Vorteile sehen Sie?

Wenn Patienten nicht zu uns in die Praxis kommen können, beispielsweise wegen häuslicher Quarantäne oder weil keine Möglichkeit besteht, das Kind allein in die Praxis zu schicken, ist es vorteilhaft, die Behandlung per Videotherapie durchzuführen.

Für uns als Praxis ist es während der Corona-Pandemie vor allem wichtig, mit unseren Patienten in Kontakt zu bleiben und ihnen ein gewisses Gefühl von Stabilität und Sicherheit zu geben.

Welche Grenzen gibt es?

Vor allem das Alter. Bei Kindern unter fünf Jahren ist nach meiner Erfahrung die Behandlung – auch gemeinsam mit den Eltern – eher schwierig durchzuführen. Außerdem müssen auf beiden Seiten Hardware und gutes Internet vorhanden sein. Und die Eltern müssen ihr Einverständnis zur Videotherapie erteilen.

Was müssen Sie bei der Organisation beachten?

Zunächst ist der Kontakt zu den Patienten bzw. deren Eltern herzustellen, um die technischen Erfordernisse zu klären und die Kontaktdaten abzufragen (E-Mail/WhatsApp). Bei der Terminvergabe sind längere Behandlungszeiten wegen möglicher technischer Störungen einzuplanen. Über die Videotherapie-Software müssen Zeiten eingestellt und Einladungen für den virtuellen Therapieraum verschickt werden. Behandlungsdokumentation und Therapieeinheiten müssen gemäß Rezept geplant werden.

Wie läuft eine Videotherapie bei Ihnen ab?

Die Patienten müssen sich mit mir zu einer verabredeten Zeit im virtuellen Raum treffen. Nach einer kurzen Besprechung des Therapieablaufes sowie der notwendigen Geräte folgt die Anleitung der entsprechenden Übungen mit Korrektur oder Vorführung. Die Behandlung dauert zwischen 20 und 30 Minuten, je nach Alter der Kinder/Jugendlichen. Abschließend wird der nächste Termin vereinbart.

Ihr Fazit zur Videotherapie?

Sie ist eine gute Alternative zur herkömmlichen Krankengymnastik. Voraussetzung ist allerdings, dass die Patienten bereits befundet wurden und regelmäßig über einen längeren Zeitraum in die Praxis gekommen sind. Bei „verpassten“ Terminen kann ich mit meinen Patienten praktischerweise schnell virtuell zusammenkommen.

Nun überprüft der G-BA die Heilmittel-Richtlinie. Was meinen Sie, gehört Videotherapie in die Regelversorgung?

Ja, auf jeden Fall!

Wie steht es mit der telefonischen Beratung? Sollte sie in Zukunft auch abgerechnet werden dürfen?

Ja. Es wäre schön, die telefonische Beratung zu Heilmitteln, Behandlungsvorgehen u. Ä. abrechnen zu können.

Kristin Wätzig | Physiotherapeutin bei Physiotherapie Porstmann, Döbeln

Bieten Sie auch Videotherapie an?

Kürzlich wurden viele der Sonderregelungen für den Heilmittelbereich aufgrund der Covid-19-Pandemie verlängert. Das gilt auch für die Videotherapie, die zunächst bis Ende Juni 2020 möglich war, dann vorübergehend pausierte und seit November wieder erlaubt ist. Seit dem 16. September 2021 steht fest: Zunächst bis zum 31. Dezember 2021 ist Videotherapie weiterhin möglich.

Für Heilmittelerbringer bietet sich daher immer noch eine wunderbare Gelegenheit, Videotherapie zu testen und sich darüber eine Meinung zu bilden. Insbesondere weil der G-BA beschlossen hat, die Heilmittel-Richtlinie dahingehend zu überprüfen, ob und in welchen Fällen Videotherapie in die Regelversorgung aufgenommen wird. Im Oktober 2021 soll die Beschlussfassung dazu erfolgen. Nutzen Sie die Chance, probieren Sie es aus und finden Sie heraus, welche Vorteile Videotherapie für Ihre Praxis mit sich bringt und wie sie Ihr bestehendes Therapie-Angebot ergänzt – oder auch nicht.

Ihre Meinung zählt: Wir bieten Ihnen an dieser Stelle das Forum für Austausch und Diskussion. Viele Ihrer Kollegen sind unserem Aufruf gefolgt und haben in den letzten Monaten von ihren Erfahrungen berichtet. Wenn auch Sie sich äußern möchten, schreiben Sie uns eine Mail an redaktion@up-aktuell.de. Denn wir möchten hören, was Sie zu sagen haben!

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