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Videotherapie im Scheinwerferlicht

Interview mit Martina Anders
Martina Anders zieht ein positives Resümee ihrer Arbeit mit der Videotherapie. Durch sie konnte die Physiotherapeutin sogar Patienten außerhalb ihrer Reichweite gewinnen.

Warum behandeln Sie per Videotherapie?
Sie bietet eine hervorragende Alternative zur Präsenz in der Praxis. Vor allem im ersten Lockdown konnten viele Therapien weiterlaufen. Die Patienten fühlen sich sicher. Auch in Urlaubs-, Krankheits- oder Quarantänezeiten kann die Therapie ohne Unterbrechung durchgeführt werden. Anfangs war außerdem meine Einkommenssicherung ein wichtiger Grund.

Welchen Patienten bieten Sie Videotherapie an?
Allen, die kognitiv in der Lage sind, Anweisungen umzusetzen und die die technischen Voraussetzungen haben. Patienten mit Gangunsicherheiten und Schwindel biete ich Videotherapie nicht an.

Wie reagieren Ihre Patienten darauf?
Die meisten sehr positiv. Viele haben die Möglichkeit genutzt, um nicht in die Praxis kommen zu müssen – für sie eine gute Alternative. Manche waren erst skeptisch, ob alles funktioniert, aber dann überrascht, wie gut diese Art der Therapie sein kann. Wenige haben sofort abgelehnt, dann meistens aufgrund mangelnder technischer Voraussetzungen.

Wie organisieren Sie Videotherapie und wie läuft sie bei Ihnen ab?
Zunächst habe ich sie in meiner freien Zeit von zu Hause aus durchgeführt, da die Internetverbindung sowie die technischen und räumlichen Voraussetzungen in der Praxis nicht optimal waren. Inzwischen hat sich das geändert, und ich integriere Videotherapie zunehmend in den Praxistag. Über einen Einladungslink kann sich der Patient einloggen. Der Ablauf der Therapie ist der gleiche wie in der Praxis. Ich muss nur viel genauer erklären.

Welche Vorteile sehen Sie?
Der Patient muss selbst mitarbeiten, es ist also ausschließlich Hands-off-Arbeit. Alltagssituationen können direkt geübt werden. Nicht zu vergessen: Keine Anfahrt, kaum Zeitaufwand, überall möglich, kaum Ausfälle.

Welche Herausforderungen und Grenzen gibt es?
Manchmal ist es technisch schwierig. In der Therapie mit Kindern sind die Eltern Co-Therapeuten, das klappt nicht immer. Und bei der Übungsauswahl ist Variabilität gefragt.

Wie sehen Ihre ganz persönlichen Erfolge mit Videotherapie aus?
Ich konnte Patienten außerhalb unserer Reichweite gewinnen, und eine Teilnahme an meinen Kursen ist unabhängig vom Wohnort möglich.

Ihr Fazit?
Sehr positiv. Eine große Chance für die Therapie, auch außerhalb der bekannten Strukturen zu arbeiten. Es macht Spaß und bietet eine Abwechslung vom Praxisalltag. Ob der Patient im Urlaub ist oder eine leichte Erkältung hat – die Therapie kann weiterlaufen. So könnte vielleicht Homeoffice für Therapeuten möglich sein, wenn zum Beispiel Kinder betreut werden müssen.

Nun überprüft der G-BA die Heilmittel-Richtlinie. Was meinen Sie, gehört Videotherapie in die Regelversorgung?
Auf jeden Fall.

Wann, bei welchen Indikationen eignet sich aus Ihrer Sicht Videotherapie?
Sie eignet sich als Therapiebegleitung und -kontrolle. In Bezug auf Indikationen eignet sie sich vor allem bei orthopädischen Fällen, etwa nach Endoprothesen-OPs (Voraussetzung: Vollbelastung) und für leichter betroffene neurologische Patienten. Auch Handling bei Babys und Therapie mit Kindern sind gut möglich. Ich könnte sehr viele Indikationen aufzählen. Wichtig ist, dass der Patient kognitiv in der Lage ist, Anweisungen zu verstehen und umzusetzen.

Wie steht es mit der telefonischen Beratung? Sollte sie in Zukunft auch abgerechnet werden dürfen?
Ja, das wäre eine gute Ergänzung zur Therapie. Denn manchmal reichen eine Abfrage der aktuellen Situation und das Besprechen der weiteren Vorgehensweise.

Martina Anders | Physiotherapeutin, Gymnastiklehrerin und Praxisinhaberin, Seesen

Bieten Sie auch Videotherapie an?

Kürzlich wurden viele der Sonderregelungen für den Heilmittelbereich aufgrund der Covid-19-Pandemie verlängert. Das gilt auch für die Videotherapie, die zunächst bis Ende Juni 2020 möglich war, dann vorübergehend pausierte und seit November wieder erlaubt ist. Seit dem 16. September 2021 steht fest: Zunächst bis zum 31. Dezember 2021 ist Videotherapie weiterhin möglich.

Für Heilmittelerbringer bietet sich daher immer noch eine wunderbare Gelegenheit, Videotherapie zu testen und sich darüber eine Meinung zu bilden. Insbesondere weil der G-BA beschlossen hat, die Heilmittel-Richtlinie dahingehend zu überprüfen, ob und in welchen Fällen Videotherapie in die Regelversorgung aufgenommen wird. Im Oktober 2021 soll die Beschlussfassung dazu erfolgen. Nutzen Sie die Chance, probieren Sie es aus und finden Sie heraus, welche Vorteile Videotherapie für Ihre Praxis mit sich bringt und wie sie Ihr bestehendes Therapie-Angebot ergänzt – oder auch nicht.

Ihre Meinung zählt: Wir bieten Ihnen an dieser Stelle das Forum für Austausch und Diskussion. Viele Ihrer Kollegen sind unserem Aufruf gefolgt und haben in den letzten Monaten von ihren Erfahrungen berichtet. Wenn auch Sie sich äußern möchten, schreiben Sie uns eine Mail an redaktion@up-aktuell.de. Denn wir möchten hören, was Sie zu sagen haben!

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