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Freiräume bei Privat-Preisen nutzen

Man hat immer nur so viel Gestaltungsspielraum, wie man bereit ist, sich zu nehmen
Wenn man etwas von den GKV-Vertragsverhandlungen lernen kann, dann die Erkenntnis, dass die Preisdiskussion unter keinen Umständen von der Leistungsdefinition getrennt werden darf. Wer immer nur über den Preis diskutiert, ist schnell nur ein Kostenfaktor in der Wahrnehmung seiner Patienten.
© Werawad Ruangjaroon

Das kennen Sie vermutlich gut: Ein potenzieller Patient ruft an und fragt nach dem Preis für Therapie. Und ihre Rückfrage lautet hoffentlich: „Was genau sollen wir denn für Sie tun?“. Und dann kommt der Privatpatient zum Kern seines Anliegens, entweder er besteht auf der Nennung eines Preises oder er beschreibt, welches Problem ihn zum Therapeuten treibt.

Vorsicht vor den Privatpatienten, die auf Nennung eines Preises bestehen, noch bevor sie die Praxis auch nur betreten haben. Diese Patienten wollen primär, dass sie nichts dazu bezahlen müssen, dass Beihilfe oder ein anderer Kostenträger die Behandlungskosten natürlich in voller Höhe übernimmt. Wenn Ihre therapeutischen Reflexe noch einigermaßen in Ordnung sind, werden Sie ein solches Ansinnen freundlich, aber bestimmt, mit dem Hinweis ablehnen, dass es Ihnen nicht möglich sei, einem Ihnen nicht bekannten Patienten mit einer Ihnen noch nicht persönlich vorgestellten Schädigung einen Preis für eine Leistung zu benennen, deren Umfang ebenfalls noch nicht bekannt ist. Im schlimmsten Fall bietet man solchen Patienten einen etwa einstündigen Diagnostik-/Befundtermin für mindestens 120 Euro an. Mehr geht telefonisch wirklich nicht.

Aus den GKV-Strukturen ausbrechen

Gerade habe ich eine Veranstaltung mit meinen diesjährigen FH-Bachelor-Physiotherapiestudenten hinter mir, auf der bestimmt die Hälfte der Studenten, die alle schon in Praxen arbeiten, berichteten, dass Privatpatienten genau dieselben Leistungen erhalten würden, wie GKV-Patienten. Das finde ich wirklich erstaunlich, denn egal mit welchem Therapeuten egal welchen Heilmittelberufs ich mich unterhalte, praktisch niemand findet die GKV-Leistungsbeschreibungen sinnvoll.

Warum werden dann Privatpatienten nach dem identischen System behandelt? Fehlt für Privatpatienten der Bezugsrahmen, an dem sich Therapeuten orientieren können? Reagieren deshalb auch so viele Kollegen auf die Möglichkeiten der Blanko-VO so ablehnend? Können sie mit so viel „Freiheit“ nicht umgehen? Dabei könnte die Blanko-VO im GKV-Bereich endlich die Chance bieten, das Problem der Behandlungszeiten einmal anders anzugehen. Müsste man sich bei der inhaltlichen Füllung der Blanko-VO nicht strikt am Rahmenvertrag samt Leistungsbeschreibung orientieren, hätte man hier doch den entsprechenden Freiraum, um tat- sächlich bedarfsgerechte Therapie anzubieten.

Bei den Privatpatienten hat man diesen Freiraum schon jetzt – wenn man ihn sich nimmt. Denn bei Privatpatienten können Heilmittelerbringer ihren Leistungsumfang weitestgehend selbst bestimmen. Dabei sollte der Maßstab immer die Indikation/Schädigung und das Ziel der Patienten sein. Dies zu definieren, dabei helfen übrigens die ICF (mehr dazu lesen Sie hier).

Mit Erfolgen, nicht mit dem Preis argumentieren

Die Freiheit bei Privatpatienten will jedoch aktiv erkämpft werden. Gerade die Lehrer und andere Beihilfeempfänger werden sich beschweren, wenn die Kasse nur die Hälfte der Kosten übernimmt. Deswegen muss man das vorher ankündigen und es im Zweifel aushalten, wenn der Patient dann einfach nicht kommt.

Man muss seine Preise selbstbewusst vertreten und gut kommunizieren. Dabei sollte im Vordergrund stehen, welche Ziele der Patient hat und wie diese sich durch die Therapie erreichen lassen. Wenn Patienten nicht bereit sind, etwas dazu zu bezahlen, um eine sinnvolle Behandlung zu erhalten, muss man auch das akzeptieren und den Patienten ziehen lassen. Das ist immer noch besser als eine Therapie anzubieten, die nicht sinnvoll und bedarfsgerecht ist, nur um den Preisvorstellungen des Patienten zu entsprechen. Denn sonst mache ich mich als Therapeut unglaubwürdig.

Das ist Ihnen alles zu aufwändig, und Sie haben auf Diskussion mit Privatpatienten keine Lust? Kein Problem, niemand ist gezwungen den Freiraum für seine großartige Therapie zu nutzen, aber behaupten Sie nie wieder, man könnte ja gar nichts machen und Therapeuten hätten keinen Gestaltungsspielraum. Man hat eben immer nur so viel Gestaltungsspielraum, wie man sich bereit ist zu nehmen.

Physiotherapeuten klagen über fehlende Diagnostik-/Befundposition? Das ist bei Privatpatienten kein Problem, einfach endlich so arbeiten, wie man es immer gern machen würde, aber im GKV-Kontext nicht machen darf.

Physiotherapeuten klagen über zu kurze Zeittakte? Auch das ist bei Privatpatienten kein Problem, einfach die Patienten so lange einbestellen, wie man braucht, um das Problem des Patienten angemessen behandeln zu können, aber im GKV-Kontext nicht machen darf.

Physiotherapeuten klagen über schlechte Vergütung? Das ist bei Privatpatienten fast kein Problem, einfach den Preis verlangen, den sie sich immer als angemessen vorgestellt haben, den die GKV vermutlich auch in zehn Jahren noch nicht zahlen wird.

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