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TSVG: Blankoverordnung zu Ende denken – Wirtschaftlichkeitsproblem muss gelöst werden

Therapeuten sollen mehr Einfluss auf die Therapie bekommen. Die Politik sagt, die Blankoverordnung ist der nächste Schritt dorthin, einige Verbände fordern hingegen gleich den Direktzugang. Doch ganz egal, was in Zukunft kommt, die mit der Blankoverordnung verbundenen Herausforderungen für die Praxisinhaber müssen zuvor sinnvoll gelöst werden. Sonst droht die Heilmitteltherapie als reiner Kostenfaktor in der Gesundheitspolitik unterzugehen.
© iStock: Izabela Habur

Wer den Direktzugang fordert, der bekommt immer auch die Blankoverordnung dazu! Denn beim Thema Direktzugang geht es primär um die Frage der Indikationsstellung zur Heilmitteltherapie (s. Box). Ganz egal, ob der Arzt die Notwendigkeit für eine Heilmitteltherapie festgestellt hat (Blankoverordnung) oder der Heilmittelerbringer selbst (Direktzugang), der Therapeut entscheidet in beiden Fällen über Art, Kombination und Intensität des jeweils angewandten Heilmittels.

Das wirft einige entscheidende Fragen auf: Wie wird die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung gewährleistet? Wer entscheidet, wie viel Leistung bei gegebener Indikation angemessen ist? Und wer muss dafür geradestehen, wenn zu viele Leistungen abgegeben wurden?

Wirtschaftlichkeitsproblematik auf Heilmittelerbringer abgewälzt

Der Gesetzesentwurf zum Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) aus dem Hause Spahn lässt die obigen Fragen offen. Dort wird die Blankoverordnung für bestimmte Indikation als Regelfall etabliert, ohne das Wirtschaftlichkeitsproblem anzugehen. Richtwerte und Durchschnittsvergleiche sollen den Umfang der Heilmitteltherapie bestimmen, beim Überschreiten der Durchschnittswerte drohen Vergütungskürzungen. Das ist genau die Wirtschaftlichkeitslogik, die bei Ärzten zu erheblichen Verwerfungen in der Heilmittelverordnung geführt hat. Der Gesetzesentwurf von Jens Spahn sieht also vor, das Wirtschaftlichkeitsdilemma der Ärzte eins zu eins auf die Heilmittelbranche zu übertragen. Wenn er in der vorliegenden Form umgesetzt wird, bedeutet das, dass Heilmittel in Zukunft nur noch ein Kostenfaktor sind.

Verpasste Chance: Modellvorhaben

Antworten auf die Fragen zur Wirtschaftlichkeit hätten die im Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz (HHVG) vorgeschriebenen Modellvorhaben zur Blankoverordnung geben können. Doch leider haben diese Modellvorhaben nicht stattgefunden. Wenn man jetzt die Blankoverordnung einfach in die Regelversorgung übernimmt und den Regressdruck an die Heilmittelerbringer übergibt, dann kann man sich die im Gesetz vorgesehene Evaluation nach vier Jahren getrost schenken, denn im Ergebnis werden nur noch Kosten, nicht aber die Wirkung von Therapie bewertet werden. Denn wie sich die Blankoverordnung auf die Patientenversorgung auswirkt, soll bei der Bewertung keine Rolle spielen. Hoffentlich gelingt es, dieses Problem im Gesetzgebungsverfahren noch zu lösen.

Definitionen

Mit dem Begriff Direktzugang wird im Heilmittelbereich die Möglichkeit der Patienten beschrieben, sich ohne Umweg über eine ärztliche Verordnung direkt an einen Heilmittelerbringer ihrer Wahl zu wenden. Dabei muss man zwei Konstellationen unterscheiden: Zum einen den allgemeinem Behandlungsvertrag für alle Patienten, der durch das Heilpraktikergesetz beschränkt ist, und zum anderen den Direktzugang der GKV-Versicherten, der aktuell durch den Arztvorbehalt des SGB V verhindert wird.

Mit dem Begriff Blankoverordnung wird im Heilmittelbereich eine Verordnung beschrieben, auf der der verordnende Arzt lediglich die Indikation zur Heilmitteltherapie feststellt, es jedoch dem Therapeuten überlassen bleibt, Art, Kombination und Intensität (Dauer, Frequenz etc.) des Heilmittels nach medizinischer Notwendigkeit festzulegen.

Außerdem gehören zum Themenschwerpunkt Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) folgende Artikel:

Mehr Geld, weniger Verträge und eine Art Blankoverordnung – Bundesgesundheitsministerium legt Gesetzentwurf vor

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