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TSVG gibt Heilmittelverbänden mehr Einfluss: Bundeseinheitliche Verträge gelten für alle GKV-Praxen

Das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) verändert Vertragsstrukturen grundlegend und gibt damit Heilmittelverbänden deutlich mehr Einfluss – und auch mehr Verantwortung. Das stellt die Verbandslandschaft der Heilmittelbranche vor erhebliche Herausforderungen.
© iStock: Andrey Popov

Während es bisher die Möglichkeit gab, als einzelner Therapeut mit Krankenkassen Individualverträge abzuschließen oder als Verband einen separaten Versorgungsvertrag zu verhandeln, gilt in Zukunft nur noch ein normsetzender bundeseinheitlicher Vertrag. Diesen verhandeln alle maßgeblichen Verbände gemeinsam mit dem GKV-Spitzenverband für ihren jeweiligen Heilmittelbereich. Er regelt in Zukunft alles, was für eine Heilmittelpraxis mit GKV-Zulassung von Bedeutung ist, zum Beispiel Zulassungsvoraussetzungen, Abrechnungs- und Prüfregeln sowie bundeseinheitliche Preise. Für alle GKV-Praxen gilt: Sie müssen den Vertrag anerkennen, wenn sie weiter an der Versorgung von GKV-Patienten teilnehmen möchten – ganz egal ob der Inhaber Mitglied in einem Verband ist oder nicht.

Verträge auf Landesebene verlieren an Bedeutung

Das TSVG schafft damit Rahmenverträge auf Landesebene vollständig ab. Das bedeutet grundlegende Veränderungen für die Verbände. Denn viele haben starke Landesgruppen, deren wesentliche Aufgabe bislang die Preis- und Rahmenvertragsverhandlungen war. Zukünftig erlauben Verträge auf Landesebene aber nur noch die Berücksichtigung kurortspezifischer Besonderheiten und zusätzlicher Qualitätsanforderungen. Auswirkungen auf die bundeseinheitlich geregelten Abrechnungsverfahren und Vergütungsvereinbarungen haben sie nicht mehr.

Wer verhandelt genau? Noch nicht klar!

Der Gesetzgeber regelt im TSVG, dass Vertragsverhandlungen der GKV mit den „maßgeblichen Spitzenorganisationen“ der Heilmittelerbringer zu erfolgen haben. „Als maßgeblich sind für die erstmaligen Verhandlungen insbesondere die Verbände oder Organisationen anzusehen, die bereits nach dem bisherigen Recht als maßgeblich eingestuft worden sind und am Abschluss der Rahmenempfehlungen nach § 125 Absatz 1 in seiner bisherigen Fassung beteiligt waren oder sich haben vertreten lassen“, heißt es dazu in der Gesetzesbegründung.

Mit dieser Regelung können jetzt nicht nur die etablierten Verbände an den Vertragsverhandlungen teilnehmen, sondern auch jüngere, kleinere Verbände. Ganz eindeutig festgelegt, wer die Verhandlungspartner sind, hat der Gesetzgeber jedoch nicht. Daher wird es in näherer Zukunft sicher noch Auseinandersetzungen darüber geben, wer mit am Verhandlungstisch sitzen darf und wer nicht.

Kommentar: Mehr Einfluss ist eine Verpflichtung für die Verbände

Den Verbänden werden durch das TSVG in Zukunft viel mehr Mitsprachemöglichkeiten eingeräumt. Richtig so, denkt man und hofft darauf, dass damit auch mehr Einflussmöglichkeiten für die Mitglieder einhergehen. Denn das hat in der Vergangenheit leider nicht immer gut geklappt. Oft wurden deren kritische Fragen und abweichende Meinungen von den Verbänden als unzulässiges Infragestellen ihrer Positionen gewertet. Damit muss jetzt Schluss sein. Wer will denn bitte besser als die Praxisinhaber wissen, welche Probleme in den Praxen gelöst werden müssen?

Praxisinhaber über Vertragsergebnisse abstimmen lassen

Was passiert, wenn Kommunikation nicht ausreichend stattfindet, sehen wir beispielsweise im aktuellen Gerangel um den Brexit. Hier hat die Regierung einen Vertrag verhandelt, den nicht einmal die Parlamentarier der eigenen Partei unterstützen – geschweige eine parteiübergreifende Mehrheit im Parlament oder in der Bevölkerung.

Auf die Situation der Heilmittelerbringer bezogen, wäre ein solcher Vertrag jetzt dennoch beschlossen und würde umgesetzt. Denn ob die Therapeuten dem zustimmen oder nicht, wird gar nicht erst gefragt. Aber warum eigentlich nicht? Schließlich lassen auch die Gewerkschaften die von Tarifergebnissen betroffenen Mitarbeiter über Tarifverträge abstimmen. Warum sollte das in der Heilmittelbranche nicht möglich sein?

Es hätte auch noch den positiven Nebeneffekt, dass die Verbände gezwungen wären, bereits vorher stärker in die Kommunikation mit den Therapeuten einzusteigen, um sicherzustellen, dass man gemeinsame Ziele verfolgt und die Verträge bei einer Abstimmung nicht durchfallen. Die technischen Möglichkeiten für eine solche Kommunikation sind zweifellos da. Ist es der Wille der Verbände auch?


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