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„Es schmerzt mich, dass Heilmittelerbringer strukturell deutlich schlechter gestellt sind als andere freie Berufe“

Ein Interview mit Ralf Buchner. Ralf Buchner ist Unternehmer, Geschäftsführer der Buchner & Partner GmbH und Herausgeber von up|unternehmen praxis. Wie Sie als up-Leser wissen, schreibt er auch selbst Beiträge für die Zeitschrift. Darin äußert er sich u.a. immer wieder zu politischen Themen – auch berufspolitischen. Er engagiert sich bei Veranstaltungen und Vorträgen für die Belange der Heilmittelerbringer. Doch das stößt auch immer wieder auf Fragen und Kritik. Einige haben wir hier gesammelt – und lassen Ralf Buchner darauf antworten.
© Buchner

Herr Buchner, Sie selbst sind kein Heilmittelerbringer. Warum interessieren Sie sich für die berufspolitischen Belange der Branche, allen voran das Thema Selbstverwaltung/Kammer?

BUCHNER: Ich interessiere mich für meine Kunden, das sind alles ausschließlich Heilmittelerbringer. Und nach dem Selbstverständnis unserer Firma tun wir alles, damit unsere Kunden gerade auch wirtschaftlich erfolgreich sein können. Vor diesem Hintergrund schmerzt es mich, wenn ich sehe, dass die Heilmittelerbringer strukturell deutlich schlechter gestellt sind als andere freie Berufe, auch schlechter gestellt als Handwerker oder gewerbliche Firmen. Deswegen haben wir uns entschlossen, die Diskussion über eine Selbstverwaltung der Heilmittelerbringer zu unterstützen.

Sollten die Therapeuten nicht selbst entscheiden, wie in welcher Form ihre Interessen vertreten werden – und sich auch allein um die Einrichtung von Kammern oder andere Lösungen kümmern?

BUCHNER: Klar sollen Therapeuten selbst entscheiden in welcher Form ihre Interessen vertreten werden. Das tun sie auch jeden Tag, indem sie zum Beispiel in einem Verband ein Ehrenamt übernehmen, oder eben gar nicht erst in einem Verband Mitglied werden.

Ich bin Dozent im Bachelorstudiengang Physiotherapie der FH Kiel. Vor rund zehn Jahren haben auf meine Frage: „Wer ist Mitglied in einem Verband?“ alle Studenten die Hand gehoben. Wenn ich dieselbe Frage heute stelle, dann rührt sich keine Hand mehr. Das macht mir Angst um die Zukunft der Heilmittelbranche. Denn wenn niemand mehr Mitglied in einem Verband werden will, dann muss man sich überlegen, wie man Mitbestimmung, demokratische Legitimation und erfolgreiche Lobbyarbeit anders organisiert.

Die Kollegen, die sich jetzt in den Kammerinitiativen engagieren, entscheiden ebenfalls selbst über ihr Engagement. Und da wir mit up die auflagenstärkste Zeitschrift der Heilmittelbranche verlegen, ist es geradezu unsere Kernaufgabe solche Diskussionen zu unterstützen und zu dokumentieren.

Schräg wird es, wenn eine Diskussion zu diesem Thema gar nicht erst zustande kommt. Und auch die Möglichkeit, up als Medium zu nutzen, um die Argumente gegen eine Selbstverwaltung/Kammer zu vertreten, ist bisher von keinem Kammergegner benutzt worden. Ja, Therapeuten sollen selbst entscheiden über ihre Zukunft, aber die Informationen um diese Entscheidung wirklich treffen zu können, die liefern wir über up und durch unsere Unterstützung der bundesweiten Initiativen zur Verkammerung der Heilmittelbranche.

Welche wirtschaftlichen Interessen stehen dahinter, wenn sich die Buchner & Partner GmbH für die Belange der Therapeuten engagiert, zum Beispiel als Partner der Open Space Zukunftskonferenzen?

BUCHNER: Das ist eine gute Frage, denn das diskutieren wir firmenintern durchaus kontrovers. Wenn wir Konferenzen unterstützen, kostet das viel Geld. Mehr Umsatz machen wir damit definitiv nicht. Ganz im Gegenteil, ich vermute, dass wir sogar Umsatzeinbußen haben, weil einige Therapeuten bzw. Heilmittelverbände sauer auf uns sind, weil wir uns nach deren Ansicht in Dinge einmischen, die uns nichts angehen. Aber die Zukunft unserer Kunden geht uns aus meiner Sicht sehr wohl etwas an.

Es ist doch die Frage, ob Heilmittelerbringer in Zukunft als eigenständige Freiberufler weiterhin Praxen in wirtschaftlicher Unabhängigkeit führen werden, oder ob wir in fünf Jahren nur noch große Ketten haben, die von branchenfremden Managern dazu genutzt werden, Geld aus dem GKV-System zu saugen. Das ist jetzt etwas überspitzt formuliert, trifft aber den Kern des Problems: Wo werden Heilmittelerbringer in fünf Jahren stehen? Diese Frage muss man diskutieren, und wenn ich die aktuellen Entwicklungen in der Gesundheitspolitik sehe, dann wird mir an mancher Stelle angst und bange.

Jetzt kommt die konkrete Antwort auf Ihre Frage: Natürlich ist es für unsere Firma ausgesprochen interessant zu wissen, dass es auch in Zukunft individuelle Praxen gibt, die unsere Leistungen benötigen und bereit sind, dafür Geld zu bezahlen. Insofern könnte man auch sagen, dass die Unterstützung der Kammeraktivitäten eine Investition in möglichen zukünftigen Umsatz ist.

Besonders die Verbände finden sich immer wieder im Fokus Ihrer Kritik. Was haben Sie gegen diese Form der Selbstverwaltung? Warum kritisieren Sie die Verbände so scharf?

BUCHNER: Das sind jetzt Behauptungen und mehrere Fragen auf einmal. Fangen wir mit der Behauptung an, Verbände ständen im Fokus meiner Kritik. Dazu lässt sich ganz klar sagen, das stimmt nicht. Ich rufe immer wieder dazu auf, dass sich Therapeuten in Verbänden engagieren. Und ich kritisiere nicht Verbände, sondern das, was manche Verbände tun oder eben ärgerlicherweise nicht tun.

Man kann es drehen und wenden wie man will, Verbände sind keine Selbstverwaltung, sondern privatrechtlich organisierte Zusammenschlüsse von Therapeuten mit ähnlich gelagerten Interessen. Der Grund dafür, dass Verbände keine echte Selbstverwaltung sein können, liegt genau in dieser rechtlichen Struktur. Denn ein Verband kann gegenüber seinen Mitgliedern nichts verbindlich durchsetzen. Wenn mein Verband mir zum Beispiel vorschreibt, dass ich einmal im Jahr eine Fortbildung besuchen soll, und ich habe dazu keine Lust, dann trete ich einfach aus dem Verband aus.

Das ist genau ein entscheidendes Problem das Verbände haben, diese rechtliche Unverbindlichkeit. Echte Selbstverwaltung funktioniert dann, wenn eine Pflichtmitgliedschaft besteht, sowie das für alle anderen freien Berufe gang und gäbe ist. Ein Beispiel: Die Ärztekammer kann ihre Berufsordnung gegenüber den Ärzten nur deswegen durchsetzen, weil es die Pflicht gibt, Mitglied der Ärztekammer zu sein.

Und jetzt nochmal zu Ihrer letzten Frage, die unterstellt ich würde Verbände scharf kritisieren. Wie schon gesagt, es geht nicht darum Verbände als solche zu kritisieren, sondern ihr Verhalten kritisch zu hinterfragen. Ein Beispiel: Wenn die GKV neue Zulassungsempfehlungen veröffentlicht, dann haben Verbände ein Recht auf Stellungnahme. Wenn die Zulassungsempfehlungen den wirtschaftlichen Interessen der Praxisinhaber zuwiderlaufen, so wie das im Sommer 2018 passiert ist, dann müssen sich die Verbände schon die Frage gefallen lassen, was sie zu den jeweiligen Regelungen im Stellungnahmeverfahren gesagt haben. Und wenn dann ein kleiner Physioverband diese offensichtlich unsinnigen Zulassungsempfehlungen auch noch verteidigt, ist es ganz normal dieses Verhalten zu kritisieren. Wer das nicht aushält, der hat nicht verstanden wie demokratischer Diskurs funktioniert.

Das einzige wofür ich manche Verbände wirklich scharf kritisiere, ist die Weigerung, sich in eine Diskussion über die Selbstverwaltung der Branche hinein zu begeben. Dass einige Verbandsvorsitzende sich gegen eine Selbstverwaltung positionieren, ohne die Mitglieder vorher umfassend informiert zu haben. ist hochgradig undemokratisch, wenig wertschätzend den eigenen Mitgliedern gegenüber und führt unterm Strich dazu, dass sich Therapeuten von Verbänden nicht angezogen fühlen – oder noch schlimmer, aus einem Verband austreten.

Wer offene Diskussion in einer Verbandsstruktur nicht zulässt, der muss sich nicht wundern, wenn sich immer weniger Therapeuten in so einer Struktur engagieren wollen. Selbstbestimmte Therapeuten brauchen auch selbstbestimmte Strukturen – und ja, solche Sätze werden von manchen Menschen als scharfe Kritik wahrgenommen, in Wirklichkeit sind dies Beiträge zur Diskussion über die Zukunft der Heilmittelbranche.

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Thomas Polster
28.12.2018 15:05

Vielen Dank an Herrn Buchner, sein Engagement und sein Team.… Weiterlesen »

Ute Reisch
28.12.2018 10:08

Sehr gut!!! Bitte weiter so! Wenn Ihr Verlag keine Verbandsarbeit… Weiterlesen »

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