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Videotherapie im Scheinwerferlicht

Interview mit Malte Schulze
Für Malte Schulze bietet die Videotherapie vor allem einen Gewinn an Flexibilität - auch für Therapeuten, die so beispielsweise auch von zu Hause arbeiten können.
© Malte Schulze

Warum behandeln Sie per Videotherapie?

Weil die Videotherapie Vorteile für Patienten und Therapeuten bietet, ohne dass die Behandlungsqualität darunter leidet.

Welchen Patienten bieten Sie Videotherapie an?

Unsere Therapeuten treffen gemeinsam mit den Patienten oder deren Angehörigen die Entscheidung, ob eine Videotherapie sinnvoll ist – sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen und insbesondere bei Stimmpatienten.

Wie reagieren Ihre Patienten darauf?

Die Patienten reagieren meist positiv. Einige Patienten kennen Videotherapie von Ärzten. Wir behandeln sogar einige über 70-jährige Patienten erfolgreich per Videotherapie.

Wie organisieren Sie Videotherapie und wie läuft sie bei Ihnen ab?

Jeder Therapeut verfügt über die nötige technische Ausrüstung und die meisten – nach anderthalb Jahren Pandemie – auch über die entsprechende Erfahrung, Videotherapien individuell angepasst durchzuführen.

Welche Vorteile sehen Sie?

Der größte Vorteil ist die bessere Versorgung von Patienten. Dazu kommt die höhere Flexibilität für Therapeuten. Wir erreichen Patienten, die weniger mobil oder von speziellen, lokal nicht verfügbaren Therapien abgeschnitten sind. Therapiepausen werden verkürzt und hart erarbeitete Behandlungserfolge bleiben bestehen.

Außerdem gibt es unseren Therapeuten die Flexibilität, von zu Hause zu arbeiten. Über 90 Prozent der Logopäden in Deutschland sind Frauen, viele davon mit Familie. Videotherapie ermöglicht ihnen, Beruf und Familie besser zu vereinbaren. Zu guter Letzt erweitern wir als Praxis unser „Einzugsgebiet“.

Welche Herausforderungen und Grenzen gibt es?

Dyspagietherapien sind von der Zulassung der Videotherapie ausgeschlossen und somit stellt diese Indikation eine klare Grenze dar.

Herausforderungen begegnen uns in der Kindertherapie – hier muss oft ein Elternteil während der Therapie anwesend sein. In der Telebehandlung betrifft dies neurologische Patienten mit schweren Störungen des Sprachverständnisses oder neuropsychologischen Begleitstörungen.

Ihr Fazit?

Die Versorgungsqualität steigt, da wir unter anderem spezialisierte Therapie (etwa Stimmtransition) mehr Menschen zugängig machen. Zudem können Therapien fortgeführt werden, die sonst abgesagt werden müssten. So hat der Lokführerstreik im September die Anreise für einige unserer Patienten unmöglich gemacht. Dank Videotherapie konnten wir hier Therapien fortführen und die Versorgung sichern.

Nun überprüft der G-BA die Heilmittel-Richtlinie. Was meinen Sie, gehört Videotherapie in die Regelversorgung?

Ja, alles andere wäre ein Rückschritt. Die Pandemie hat bewiesen, dass viele medizinische Dienstleistungen per Video erbracht werden können – ohne, dass Patienten darunter leiden. Die größere Flexibilität für Therapeuten erhöht die Attraktivität des Berufs – was dem Fachkräftemangel entgegenkommen dürfte.

Wann, bei welchen Indikationen eignet sich aus Ihrer Sicht Videotherapie?

Unter individueller Berücksichtigung der Patienten im Grunde für alle Indikationen.

Wie steht es mit der telefonischen Beratung? Sollte sie in Zukunft auch abgerechnet werden dürfen?

Telefonische Beratung kann zu verschiedenen Zeitpunkten der Therapie eine wichtige Maßnahme darstellen und sollte abgerechnet werden dürfen.

 

Malte Schulze, Geschäftsführer der Palabra Praxisgruppe aus Berlin.

Bieten Sie auch Videotherapie an?

Kurz vor Jahresende wurden viele der Sonderregelungen für den Heilmittelbereich aufgrund der Covid-19-Pandemie verlängert. Das gilt auch für die Videotherapie, die zunächst bis Ende Juni 2020 möglich war, dann vorübergehend pausierte und seit November wieder erlaubt ist. Lange war nicht klar, ob die Kameras nach dem 31. Januar 2021 wirklich wieder ausgeschaltet werden müssen. Seit dem 16. September 2021 steht fest: Zunächst bis zum 31. Dezember 2021 ist Videotherapie weiterhin möglich.

Für Heilmittelerbringer bietet sich daher immer noch eine wunderbare Gelegenheit, Videotherapie zu testen und sich darüber eine Meinung zu bilden. Insbesondere weil der G-BA beschlossen hat, die Heilmittel-Richtlinie dahingehend zu überprüfen, ob und in welchen Fällen Videotherapie in die Regelversorgung aufgenommen wird. Im Oktober 2021 soll die Beschlussfassung dazu erfolgen. Nutzen Sie die Chance, probieren Sie es aus und finden Sie heraus, welche Vorteile Videotherapie für Ihre Praxis mit sich bringt und wie sie Ihr bestehendes Therapie-Angebot ergänzt – oder auch nicht.

Ihre Meinung zählt: Wir bieten Ihnen an dieser Stelle das Forum für Austausch und Diskussion. Viele Ihrer Kollegen sind unserem Aufruf gefolgt und haben in den letzten Monaten von ihren Erfahrungen berichtet. Wenn auch Sie sich äußern möchten, schreiben Sie uns eine Mail an redaktion@up-aktuell.de. Denn wir möchten hören, was Sie zu sagen haben!

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