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Videotherapie im Scheinwerferlicht

Interview mit Ina Kimmel
Ina Kimmel hat ihre anfänglichen Zweifel gegenüber der Videotherapie ad acta gelegt: Mittlerweile nutzt sie diese nicht nur als Lösung, gesundheitlichen Risiken entgegenzuwirken, sondern sieht in ihr eine wirtschaftliche Option für eine lebensnahe Therapie.

Warum behandeln Sie per Videotherapie?

Zu Beginn der Corona-Pandemie war die Videotherapie (VT) eine Notlösung, damit es ohne gesundheitliche Risiken weitergehen konnte. Schnell wurde meinen Klienten und mir jedoch klar, dass die Vorteile auch darüber hinausgehen. Daher wurde aus einer Notlösung eine mittlerweile gern gesehene Option, die so manche Vorteile mit sich bringt.

Wem bieten Sie Videotherapie an?

Ich bin auf die Therapie von Stimmstörungen spezialisiert und biete die Videotherapie vor allem in diesem Bereich an.

Wie reagieren Ihre Klienten darauf?

Sehr gut und sehr offen. Meine Klienten sind sehr dankbar für das Angebot.

Wie organisieren Sie Videotherapie und wie läuft sie bei Ihnen ab?

Zunächst informiere ich den Klienten über diese Möglichkeit. Viele wissen noch nicht, dass so etwas durchführbar ist. Wenn Interesse besteht, stelle ich die organisatorischen und datenschutzrechtlichen Dokumente zur Verfügung, beantworte Fragen und lasse mir die Dokumente unterschrieben zurückschicken. Sollten technische Unsicherheiten bestehen, vereinbaren wir einen Termin für einen kurzen Technik-Check.

Welche Vorteile sehen Sie?

Während der Corona-Pandemie lagen die Vorteile auf der Hand: Schutz vor Ansteckung und Verbreitung des Virus. Aber auch unabhängig davon sehe ich klare Vorteile. Dazu gehört neben der zeitlichen und finanziellen Ersparnis von Fahrtzeit und Fahrtkosten das direkte Anwenden im häuslichen Umfeld. Meine Klienten haben durch die Videotherapie weniger Probleme dabei, das Erlernte aus der Therapie in ihren Alltag zu übertragen.

Welche Herausforderungen und Grenzen gibt es?

Die Herausforderungen liegen eher im technischen Bereich. Für die Stimmtherapie brauche ich eine gute Klangqualität und eine stabile Verbindung, sonst kann ich klangliche Merkmale der Stimme kaum heraushören. Bisher hatte ich allerdings nur eine Handvoll Klienten, bei denen sich die Videotherapie aufgrund einer schlechten Internetverbindung nicht umsetzen ließ.

Wie sehen Ihre ganz persönlichen Erfolge mit Videotherapie aus?

Am meisten freue ich mich darüber, dass Videotherapie keine Notlösung mehr ist. Die Erfolge in der Stimmtherapie sind absolut vergleichbar mit denen in der Praxis. Das hätte ich zu Beginn nicht für möglich gehalten.

Ihr Fazit?

Nach 1,5 Jahren Videotherapie kann ich nur allen Kollegen raten: Probieren Sie es aus, selbst wenn Sie skeptisch sind. Das war ich zu Beginn auch. Am Ende eröffnet sich eine tolle Möglichkeit, die eigene Arbeit ohne Einbußen in der Qualität digital durchzuführen. Das Thema Digitalisierung ist da und wird sich auch in der Heilmittelbranche nicht aufhalten lassen. Das ist gut so, und wir sollten offen damit umgehen.

Nun überprüft der G-BA die Heilmittel-Richtlinie. Was meinen Sie, gehört Videotherapie in die Regelversorgung?

Ja, unbedingt. Eine zeitgemäße Therapie muss auch online stattfinden dürfen. Andere Disziplinen wie die Psychotherapie machen uns vor, dass es funktioniert.

Wann, bei welchen Indikationen eignet sich aus Ihrer Sicht Videotherapie?

Durch meine Erfahrungen im Bereich der Stimmtherapie kann ich für diesen Therapiebereich meine klare Empfehlung aussprechen.

Wie steht es mit der telefonischen Beratung? Sollte sie in Zukunft auch abgerechnet werden dürfen?

Ja, eine telefonische Beratung kann aus den unterschiedlichsten Gründen nötig sein und sollte dann auch abgerechnet werden dürfen.

Ina Kimmel | Logopädin und Praxisinhaberin, Dortmund

Bieten Sie auch Videotherapie an?

Kurz vor Jahresende wurden viele der Sonderregelungen für den Heilmittelbereich aufgrund der Covid-19-Pandemie verlängert. Das gilt auch für die Videotherapie, die zunächst bis Ende Juni 2020 möglich war, dann vorübergehend pausierte und seit November wieder erlaubt ist. Lange war nicht klar, ob die Kameras nach dem 31. Januar 2021 wirklich wieder ausgeschaltet werden müssen. Seit dem 16. September 2021 steht fest: Zunächst bis zum 31. Dezember 2021 ist Videotherapie weiterhin möglich.

Für Heilmittelerbringer bietet sich daher immer noch eine wunderbare Gelegenheit, Videotherapie zu testen und sich darüber eine Meinung zu bilden. Insbesondere weil der G-BA beschlossen hat, die Heilmittel-Richtlinie dahingehend zu überprüfen, ob und in welchen Fällen Videotherapie in die Regelversorgung aufgenommen wird. Im Oktober 2021 soll die Beschlussfassung dazu erfolgen. Nutzen Sie die Chance, probieren Sie es aus und finden Sie heraus, welche Vorteile Videotherapie für Ihre Praxis mit sich bringt und wie sie Ihr bestehendes Therapie-Angebot ergänzt – oder auch nicht.

Ihre Meinung zählt: Wir bieten Ihnen an dieser Stelle das Forum für Austausch und Diskussion. Viele Ihrer Kollegen sind unserem Aufruf gefolgt und haben in den letzten Monaten von ihren Erfahrungen berichtet. Wenn auch Sie sich äußern möchten, schreiben Sie uns eine Mail an redaktion@up-aktuell.de. Denn wir möchten hören, was Sie zu sagen haben!

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