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Videotherapie im Scheinwerferlicht

Interview mit Maria Gebert
Vor allem Kinder ab 4 Jahren therapiert die Logopädin per Videotherapie. Dabei benutzt sie nicht nur Therapiematerial aus der eigenen Praxis, sondern was im jeweiligen Haushalt vorzufinden ist. Dieser innovative Ansatz führt dazu, dass Therapieeinheiten nicht ausfallen müssen.

Warum behandeln Sie per Videotherapie?
Vor allem hilft die Videotherapie meiner Meinung nach dabei, dass Therapien so wenig wie möglich ausfallen müssen. Das kommt sowohl dem langfristigen Therapieerfolg als auch der Praxis zugute.

Welchen Patienten bieten Sie Videotherapie an?
Nach meiner Erfahrung ist sie für alle Patientengruppen geeignet, die sowohl mental als auch in Bezug auf ihr Störungsbild videotherapiefähig sind. Bei uns sind das insbesondere Kinder ab vier Jahren mit Sprachentwicklungsstörungen oder myofunktionalen Störungen und Stimmpatienten.

Wie reagieren Ihre Patienten darauf?
Ganz unterschiedlich. Die einen nehmen dieses Angebot sehr gern an, andere wiederum stehen der Sache ablehnend gegenüber. Und es gibt Patienten, die anfangs unsicher sind, ob es funktionieren wird, aber total begeistert sind, wenn es gut läuft.

Wie läuft Videotherapie bei Ihnen ab?
Ich habe einen Monitor, auf dem ich den Patienten gut sehen kann und zusätzlich einen Laptop, der auf meine Tischsituation gerichtet wird. Häufig bereite ich mich nicht speziell vor, sondern nutze Spielmaterialien, die beim Patienten vorhanden sind. Ich baue meine Übungen zum Beispiel in Memorys, Mensch ärgere dich nicht, Lotti Karotti oder Ausmalhefte ein. Solche Spiele gibt’s natürlich auch in unserer Praxis, und dann spielen wir sozusagen parallel. Arbeitsblätter werden per E-Mail oder Messenger-Dienst geschickt.

Welche Vorteile sehen Sie?
Durch das Videotherapie-Angebot verringert sich die Zahl der Therapieausfälle. Und nach meinen Erfahrungen können schnellere Therapieerfolge erzielt werden.

Welche Herausforderungen und Grenzen gibt es?
Ich sehe die Grenzen eindeutig bei kleineren Kindern unter vier Jahren. Diese brauchen erfahrungsgemäß eine direkte Eins-zu-eins-Spielsituation, um bei der Sache zu bleiben. Therapieeinheiten, in denen ein Laut erst angebahnt wird, sind meistens ungeeignet, da hier ein sehr genaues Hörbild und eventuell der Einsatz von taktilen Reizen notwendig sind. Außerdem kommen viele ältere Patienten häufig nicht mit den technischen Voraussetzungen zurecht.

Wie sehen Ihre ganz persönlichen Erfolge mit Videotherapie aus?
Wir wenden Videotherapie nur in einzelnen Therapieeinheiten an, zum Beispiel wenn ein Patient nicht in die Praxis kommen kann, weil ein Geschwisterkind krank ist, der Patient selbst im Urlaub oder ein Praxisbesuch zeittechnisch nicht möglich ist. Wir nutzen die Videotherapie, damit Therapiesitzungen nicht ausfallen. Direkte Erfolge, die ausschließlich der Videotherapie zuzuschreiben sind, kann ich somit nicht benennen.

Ihr Fazit?
Ich persönlich finde die Videotherapie aus den oben genannten Gründen super.

Nun überprüft der G-BA die Heilmittel-Richtlinie. Was meinen Sie, gehört Videotherapie in die Regelversorgung?
Auf jeden Fall!

Wann, bei welchen Indikationen eignet sich aus Ihrer Sicht Videotherapie?
In erster Linie bei jüngeren Patienten – und zwar zur Therapie von Störungen der Sprache vor Abschluss der Sprachentwicklung/SP1, Störungen der auditiven Wahrnehmung/SP2, Störungen der Artikulation/SP3, Störungen der Sprechmotorik/SP6, Sprechstörungen/SPZ sowie Störungen des oralen Schluckakts/SCZ.

Wie steht es mit der telefonischen Beratung? Sollte sie in Zukunft auch abgerechnet werden dürfen?
Aktuell kann ich mir das noch nicht vorstellen, da ich den Patienten zumindest sehen muss, um ihn bei bestimmten Übungen anzuleiten. Genau das ist ja unerlässlich, um Fortschritte zu erreichen.

Maria Gebert | Logopädin, Leipzig

Bieten Sie auch Videotherapie an?

Kurz vor Jahresende wurden viele der Sonderregelungen für den Heilmittelbereich aufgrund der Covid-19-Pandemie verlängert. Das gilt auch für die Videotherapie, die zunächst bis Ende Juni 2020 möglich war, dann vorübergehend pausierte und seit November wieder erlaubt ist. Lange war nicht klar, ob die Kameras nach dem 31. Januar 2021 wirklich wieder ausgeschaltet werden müssen. Seit dem 16. September 2021 steht fest: Zunächst bis zum 31. Dezember 2021 ist Videotherapie weiterhin möglich.

Für Heilmittelerbringer bietet sich daher immer noch eine wunderbare Gelegenheit, Videotherapie zu testen und sich darüber eine Meinung zu bilden. Insbesondere weil der G-BA beschlossen hat, die Heilmittel-Richtlinie dahingehend zu überprüfen, ob und in welchen Fällen Videotherapie in die Regelversorgung aufgenommen wird. Im Oktober 2021 soll die Beschlussfassung dazu erfolgen. Nutzen Sie die Chance, probieren Sie es aus und finden Sie heraus, welche Vorteile Videotherapie für Ihre Praxis mit sich bringt und wie sie Ihr bestehendes Therapie-Angebot ergänzt – oder auch nicht.

Ihre Meinung zählt: Wir bieten Ihnen an dieser Stelle das Forum für Austausch und Diskussion. Viele Ihrer Kollegen sind unserem Aufruf gefolgt und haben in den letzten Monaten von ihren Erfahrungen berichtet. Wenn auch Sie sich äußern möchten, schreiben Sie uns eine Mail an redaktion@up-aktuell.de. Denn wir möchten hören, was Sie zu sagen haben!

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