„Wenn die Impfpflicht kommt, entgehen mir monatlich 30.000 Euro Umsatz“
Frau Bodynek, Sie haben eine Ergotherapie-Praxis, in der auch ungeimpfte Mitarbeiter arbeiten. Wie ist Ihre aktuelle Situation?
BODYNEK: Ich habe dieses Jahr mit großer Anstrengung ein neues Team auf die Beine gestellt und dazu vier neue Mitarbeiter gewinnen können. Davon sind drei nicht geimpft. Wir sind gerade dabei uns aus dem Umsatzminus zu berappelen, das Corona in unsere Praxis gebracht hat. Nun starten wir eigentlich sehr zuversichtlich ins neue Jahr. Aber nun heißt es, meine ungeimpften Mitarbeiter müssen sich im gleich im 1. Quartal 2022 impfen lassen, um im März einen vollen Impfschutz vorweisen zu können. Das ist für mich und mein Team natürlich ein Problem.
Welche konkreten Ängste und Sorgen haben Sie bezüglich der Impfpflicht?
BODYNEK: In meinem Team arbeiten elf Therapeuten, plus vier Kräfte im Büro, elf sind geimpft, vier sind ungeimpft. Wenn nun ab dem 15. März mehr als ein Drittel meiner Therapeuten nicht arbeiten darf, ist das natürlich mit großen Umsatzeinbußen verbunden. Ich möchte, dass alle Mitarbeiter arbeiten und Umsatz machen sowie ja auch ihren Berufswunsch ausleben können. Und nicht, dass es jetzt heißt: Wenn du dich nicht impfen lässt, muss ich dich schlussendlich entlassen. Dies kommt einem Berufsverbot gleich. Die Mitarbeiter bekommen dann kein Gehalt mehr und ich verliere wertvolle Therapeuten. Ich verliere aber auch bei drei ungeimpften Vollzeitkräften etwa 30.000 Euro Umsatz monatlich. Wenn mir diese 30.000 Euro regelmäßig entgehen, macht das meine Praxis innerhalb kürzester Zeit kaputt, sodass ich schließen müsste.
Ich kann die Mitarbeiter auch nicht ersetzen. Der Markt an Fachkräften ist leer. Wir haben es in einem Großaufgebot und Supervision tatsächlich geschafft, vier wundervolle Mitarbeiter zu gewinnen. Ob wir das kurzfristig wieder schaffen würden plus erneute Einarbeitung, ist mehr als fragwürdig.
Welche Informationen rund um die Impfpflicht fehlen Ihnen?
BODYNEK: Es heißt immer: Das ist jetzt das Gesetz und wir müssen uns daran halten. Aber es wird sicher immer Therapeuten geben, die sich nicht impfen lassen wollen. Das wird ja viele Praxen betreffen. Ich würde gerne wissen, was zu tun ist, wenn Mitarbeiter sich nicht impfen lassen wollen. Muss ich nur dem Gesundheitsamt melden, dass ich ungeimpfte Mitarbeiter habe und dann sagt mir die Behörde, was zu tun ist? Muss ich ungeimpfte Mitarbeiter entlassen? Und versuchen, womöglich noch in ihrer noch Anwesenheit neue zu rekrutieren? Aber dazu gibt es scheinbar noch keine endgültigen Regelungen.
Außerdem frage ich mich, wer mir meine Umsatzeinbußen ab Mitte März bezahlt, wenn ich meine ungeimpften Mitarbeiter nicht mehr arbeiten lassen darf. Im Moment wäre ich auch bereit, Verfassungsbeschwerde einzulegen.
Warum möchten sich Ihre Mitarbeiter nicht impfen lassen? Kennen Sie den Grund?
BODYNEK: Die neuen Corona-Impfstoffe machen einigen einfach Angst und dann möchte ich meine Mitarbeiter nicht dazu zwingen, entgegen ihrer Ängste zu handeln. Wir bieten ergotherapeutische und psychologische Therapie an und wissen, wie schwer es ist, Ängste zu heilen, vor allem wenn gerade die Angst auch aktuell ist. So versuche ich natürlich die Ängste meiner Mitarbeiter ernst zu nehmen, denn auch meine geimpften Mitarbeiter haben weiterhin Angst vor einer Corona-Infektion. Aber ich kann all diese Ängste als Praxischef natürlich nicht ausreichend auflösen. Allgemein gültig ist in Ergopraxen, dass von Kostenträgern bei psychischen Problemen unserer Patienten viele Behandlungen gezahlt werden, um Angstzustände zu behandeln, und nun soll ich in acht Wochen meine Mitarbeiter vom Impfen überzeugen? Das geht nicht.
Entstehen denn im Team Probleme zwischen geimpften und ungeimpften Mitarbeitern?
BODYNEK: Vordergründig nicht. In unserem eigenen Testzentrum testen wir schon lange alle täglich und bis jetzt: Geimpfte sowie Ungeimpfte, so sollte das Risiko für uns und unsere Patienten immer gleich sein. Es ist schon ein Kraftakt, das Team zusammenzuhalten. Man merkt schon, dass die Stimmung ein wenig frostig ist, selbst bei einem sich sehr wertschätzendem Team. Das darf nicht kippen.
Wie gehen Sie denn jetzt mit der Impfpflicht weiter vor?
BODYNEK: Dann muss die Praxis erstmal mit den geimpften und genesenen Mitarbeitern weiterlaufen. Nach der Impfung sind die Mitarbeiter aber auch schon mal krank, wie auch durch den Impfakt selbst. Auch dies kostet mich eine erhebliche Umsatzeinbuße. Über mehrere Monate könnte ich die Verluste wahrscheinlich nicht weiter tragen. Wenn ich keine neuen Mitarbeiter finden würde, müsste ich mir irgendwann überlegen, ob ich die Praxis schließen muss. Bei mir gilt, dass jeder Mitarbeiter, trotz der Trennung durch den Impfstatus, meine hohe Wertschätzung verdient und somit auch die Gleichstellung mit seinen jeweiligen Befindlichkeiten. Ich setze darauf, dass die Gesellschaft Lösungen findet, respektvoll, fair und wertschätzend auch Krisenzeiten zu meistern.
Frau Bodynek, vielen Dank für das Gespräch.
[Das Gespräch mit Regina Bodynek führte Katharina Münster]Diese Artikel gehören zum Schwerpunkt Impfen:
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