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„Es lohnt sich, Rezeptionsfachkräfte wertzuschätzen“

Interview mit Brigitte Harste, Referentin und Trainerin mit Spezialisierung auf Kommunikationstraining für beratende Berufe
Es gibt verschiedene Typen von Rezeptionsfachkräften: den Empfangsdrachen, die Stille und eben auch die perfekte Fachkraft, die die Patienten stets mit einem Lächeln begrüßt und sich kompetent um alles, was im Bereich Praxisorganisation anfällt, kümmert. Die Referentin und Trainerin Brigitte Harste kennt die Therapiebranche aus nächster Nähe: Ihr Mann hat selbst zwei Praxen. Sie erklärt uns, was eine gute Rezeptionsfachkraft ausmacht und was Praxisinhaber unternehmen können, damit die Praxisperle ihrer Arbeit optimal nachgehen kann.
© Arendt Schmolze

Frau Harste, welche Aufgaben fallen typischerweise in den Bereich der Rezeptionsfachkraft?

HARSTE: Die Rezeption ist das Herz der Praxis. Die Fachkräfte sorgen für die Stimmung – sie fangen schlecht gelaunte Patienten ab, lösen die Probleme usw. Sie organisieren die Terminierung und die Therapeuten in größeren Praxen, empfangen alle eingehenden Telefonate. Ich frage in den Seminaren oft, wonach ein Patient wohl die Qualität der Praxis beurteilt. Die Therapeuten sagen natürlich, dass es nur auf die Behandlungen ankommt. Aber das stimmt so nicht. Wichtig ist oft der erste Eindruck, der an der Rezeption entsteht. Dazu kommen Dinge wie Abläufe, Rechnungsmanagement, Terminkoordination und der Umgang mit der Abrechnungssoftware sowie der EDV.

Welche fachlichen Fähigkeiten sollte eine Rezeptionsfachkraft mitbringen?

HARSTE: Es kommt darauf an, welche Aufgaben die Fachkraft in der Praxis vornehmlich übernehmen soll. Hat sie viel Kontakt zu Patienten oder soll sie sich vermehrt um die Abrechnung kümmern? Das sollten sich Praxisinhaber auf jeden Fall vorher überlegen. Zum Beispiel können Hotelfachleute unglaublich gut mit Patienten umgehen, weil sie gelernt haben, immer freundlich und lösungsorientiert zu denken. Steuerfachangestellte hingegen können sehr gut organisieren. Insgesamt müssen Rezeptionsfachkräfte in Therapiepraxen aber von allem etwas mitbringen.

Welche sozialen und kommunikativen Fähigkeiten sind von Vorteil?

HARSTE: Auf jeden Fall müssen sie sehr empathisch und gelassen sein, gut mit stressigen Situationen umgehen können. Sie müssen auch gut zuhören und sich abgrenzen können. Am besten ist es, wenn die Rezeptionsfachkraft freundlich, aber auch bestimmt ist – also weder der Empfangsdrache noch die stille Maus. Sie muss ja nicht nur mit Patienten kommunizieren, sondern häufig auch mit Arztpraxen, der Reinigungsfachkraft, der IT, den Kollegen oder auch mal einer Krankenkasse.

In Therapiepraxen gibt es auch immer wieder Herausforderungen wie schwierige Patienten oder nicht gezahlte Rechnungen, falsche Verordnungen usw. Wie sollte sie damit umgehen?

HARSTE: Jemand, der alles persönlich nimmt, wird an der Rezeption nicht glücklich. Oft hören die Damen und Herren am Empfang den ganzen Tag Beschwerden oder Krankengeschichten. Wenn man das alles an sich heranlässt, geht man abends gebrochen nach Hause. Wer jedoch schon eine positive Sichtweise auf das Leben und auf die Menschen hat, kann damit oft besser umgehen. Hier ist einfach auch viel Gelassenheit gefragt. Das gilt auch für den Umgang mit falsch ausgestellten Verordnungen. Dabei ist es oft am einfachsten, ein gutes Verhältnis zu den Arztpraxen aufzubauen und behilflich zu sein.

Welche praktischen Fähigkeiten benötigt eine Rezeptionsfachkraft außerdem?

HARSTE: Grundsätzlich brauchen sie ein gewisses Organisationstalent. Weiterhin kommt es natürlich darauf an, was für Aufgaben anfallen und mit welchen Systemen die Praxis arbeitet. Gibt es eine Online-Terminvergabe oder den klassischen Kalender auf Papier?

In Therapiepraxen gelten besondere Regelungen. Benötigt eine Rezeptionsfachkraft spezielles Fachwissen im Gesundheitswesen oder kann sie sich dieses im Praxisalltag aneignen?

HARSTE: In der Regel eignen sich die Rezeptionsfachkräfte das Wissen in der Praxis an, es gibt keine spezielle Ausbildung. Sie lernen dann mit dem Sprung ins kalte Wasser die Aufgaben und Abläufe in der Praxis kennen. Einige werden von Vorgängern eingearbeitet. Eine gute Möglichkeit, die Fähigkeiten zu erweitern oder auszubauen, sind zudem spezielle Fortbildungen. Es gibt sowohl Seminare für Neulinge, in denen sie Grundlagen an die Hand bekommen, als auch für „alte Hasen“. So ist anfangs das Wissen um die Regelungen der Heilmittelverordnung und der korrekten Verordnungen wichtig, später sind spezielle Fertigkeiten in der Kommunikation mit schwierigen Patienten, Praxismanagement oder auch der Teamführung gefragt.

Und was können Praxisinhaber tun, um die Rezeptionsfachkräfte zu fördern?

HARSTE: Also generell lohnt es sich für jede Rezeptionsfachkraft, Fortbildungen oder Netzwerktreffen zu besuchen. Man lernt ja doch immer etwas Neues, denn es ändern sich fortlaufend Vorgaben. Vielen geht es auch um den Austausch. Einfach mal zu merken: „Ach, ich bin mit diesen Problemen gar nicht allein. Es geht vielen meiner Kollegen so.“ Das stärkt das Selbstbewusstsein.

Ich lege Praxisinhabern sehr ans Herz, ihre Rezeptionsfachkräfte wertzuschätzen. Sie sind Teil des Teams, für die Patienten wichtige Ansprechpartner und der erste Eindruck der Praxis.

Frau Harste, vielen Dank für das interessante Gespräch.

[Das Gespräch mit Brigitte Harste führte Katharina Münster]

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Physiotherapie Pantaleo
04.03.2021 14:28

Vielen Dank für den fachlich gelungenen Artikel und die Wertschätzung… Weiterlesen »

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