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EuGH-Urteil zu Fanpages: „Ich gehe nicht davon aus, dass die Aufsichtsbehörden eine Praxis belangen werden.“

Am 5. Juni 2018 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit seinem Urteil (Az. C-210/16) die Welt der sozialen Medien ordentlich durcheinandergewirbelt. Denn die Richter haben entschieden: Die Betreiber von Facebook-Fanpages sind gemeinsam mit Facebook für die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Besucher ihrer Seiten verantwortlich. Datenschutzbehörden können bei Verstößen also sowohl gegen Facebook als auch gegen die Betreiber einer Fanpage vorgehen. Wie Praxisinhaber mit diesem Urteil umgehen sollten und was es für die Zukunft der Fanpages bedeutet, haben wir Niels Köhrer, Rechtsanwalt mit Schwerpunkt IT-Recht und Datenschutz, gefragt.
© Niels Köhrer

Herr Köhrer, was bedeutet das EuGH-Urteil denn nun konkret für Praxisinhaber?

KÖHRER: Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Unternehmen – und dazu zählen natürlich auch Heilmittel-Praxen – die Verantwortung für den Datenschutz auf ihrer Facebook-Seite mittragen. Kommt es zu Datenschutzverletzungen, sind sie demzufolge dafür ebenso verantwortlich wie Facebook selbst.

Wie kam es zu der Entscheidung?

KÖHRER: Der EuGH hat damit in einem Streit entschieden, der bereits 2011 begann. Vor sieben Jahren erließ das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein einen Bescheid, mit dem es die Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein GmbH dazu aufforderte, ihre Facebook-Fanpage zu deaktivieren. Denn Facebook sammelt mittels sogenannter Cookies personenbezogene Daten der Fanpage-Besucher. Die Datenschutzbehörde störte sich daran, dass weder Facebook selbst, noch die Wirtschaftsakademie Besucher der Seite darauf hinweisen.

Die Wirtschaftsakademie klagte gegen den Bescheid beim Verwaltungsgericht in Deutschland. Ihre Begründung: Sie habe Facebook nicht mit Datenbearbeitung beauftragt und könne diese auch nicht kontrollieren. Die Datenschutzbehörde müsse darum gegen Facebook und nicht gegen sie vorgehen. Das deutsche Verwaltungsgericht hat die Frage an den EuGH weitergegeben.

Aber die Daten erhebt ausschließlich Facebook. Wieso sind dann die Fanpage-Betreiber mit in der Verantwortung?

KÖHRER: Hier wird es ein wenig kompliziert. Es stimmt zwar, dass Praxisinhaber selbst auf ihrer Fanpage keine personenbezogenen Daten sammeln. Sie können jedoch auf die von Facebook gesammelten Daten zugreifen. Über die Funktion Insight ist es den Betreibern von Fanpages möglich, anonymisierte statistische Daten über die Besucher ihrer Seite zu erhalten. Dazu gehören etwa Alter und Geschlecht, aber auch geografische Daten, Angaben zur beruflichen Situation, Kaufverhalten und vieles mehr. Das ist für Unternehmen besonders interessant, denn so können sie Werbung auf spezielle Zielgruppen zuschneiden.

Praxisinhaber haben keinen Einfluss darauf, welche Daten Facebook sammelt. Vielleicht haben sie nicht einmal Interesse daran, diese Informationen zu nutzen. Macht das einen Unterschied?

KÖHRER: Leider nein. Wer eine Fanpage betreibt, kann auf Nutzerdaten zugreifen. Eine Opt-out-Option gibt es hier nicht. Es gibt keine Einstellung bei Facebook, die das Datensammeln auf der eigenen Seite unterbindet.

Darum ist der Europäische Gerichtshof der Ansicht, dass Fanpage-Betreiber mit der Nutzung der Plattform Facebook auch deren Dienstleistungen in Anspruch nehmen und entsprechend verpflichtet sind, für den Schutz personenbezogener Daten zu sorgen. Kurz: Auch wenn Praxisinhaber keinen Einfluss darauf haben, welche Daten Facebook von den Besuchern der Fanpage sammelt, können sie die so erhobenen Daten dennoch nutzen und sind damit auch in der Verantwortung. Indem Sie die Fanpage erstellt haben, sind Sie auch mit dafür verantwortlich, was auf der Seite passiert.

Heißt das, Praxisinhaber sollten Ihre Fanpage jetzt am besten löschen?

KÖHRER: Es ist noch ein wenig zu früh, um die Folgen des Urteils abschließend zu beurteilen. Ich persönlich gehe nicht davon aus, dass die Aufsichtsbehörden eine Praxis belangen werden, sondern gegebenenfalls gegen Facebook vorgehen. Dies ist allerdings Spekulation.

Wer seine Facebook-Seite nun vorsichtshalber löscht, ist auf der sicheren Seite. Andererseits ist die Präsenz in den sozialen Medien auch ein wichtiges Marketing-Instrument, das viele Praxisinhaber bestimmt nur ungern aufgeben möchten.

Es gibt die Möglichkeit, die Seite nicht gleich zu löschen, sondern sie vorübergehend auf „nicht sichtbar“ zu stellen. Praxisinhaber können dann erstmal einmal abwarten, wie die Datenschutzbehörden mit dem Urteil umgehen. Möglicherweise wird sich Facebook an die europäischen Datenschutzbestimmungen anpassen, um nicht in großem Maße Kunden zu verlieren.

Was kann denn schlimmstenfalls drohen, wenn man seine Fanpage so betreibt, wie bisher?

KÖHRER: Wenn sich die deutschen Gerichte der Entscheidung des EuGH anschließen, können Datenschutzbehörden Untersagungsverfügungen aussprechen und gegebenenfalls Zwangs- und Bußgelder erheben. Auch Abmahnungen werden dann wohl nicht ausbleiben. Praxisinhaber sollten sich dann überlegen, ob der Facebook-Auftritt es wirtschaftlich wert ist, das Risiko einzugehen.

Und wie sieht es mit privaten Facebook-Profilen aus? Ist jetzt Jeder für Datenschutzverletzungen durch Facebook mitverantwortlich?

KÖHRER: Hier kann ich alle privaten Facebook-Nutzer erstmal beruhigen. Wer seine Facebook-Seite ausschließlich privat nutzt, muss sich keine Sorgen machen. Allerdings kann es nicht schaden, einmal kritisch zu hinterfragen, welche Informationen man Facebook durch seine Verhalten zur Verfügung stellt. Denn schließlich geht es hier auch um den Schutz der eigenen Daten.

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