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Wie steht es um die Lobbyarbeit?

Darum ging es beim zweiten digitalen up|Netzwerktreffen
Wie viel und welche Lobbyarbeit braucht die Heilmittelbranche? Dieser Frage gingen Vertreter aus Politik, von Heilmittelverbänden und aus der Praxis bei der Podiumsdiskussion im Rahmen des zweiten digitalen up|Netzwerktreffens nach. Mehr als 300 Teilnehmer nahmen am letzten Wochenende im Oktober daran teil. Unter dem Motto „Fit für 2021 werden“ konnten sie nicht nur die Podiumsdiskussion live verfolgen, sondern auch digital verschiedene Online-Vorträge besuchen, sich im Chat vom Referententeam Fragen beantworten lassen und sich in offenen Netzwerkräumen austauschen.
© iStock: ipopba

Aufgrund der Corona-Pandemie fand nun bereits das zweite Mal in Folge das up|Netzwerktreffen digital statt. Am 30. und 31. Oktober 2020 standen den Teilnehmern 20 verschiedene Online-Vorträge zu den Themen Blankoverordnung, Digitalisierung, Planung 2021, Corona-Update und Mitarbeitersuche bzw. -bindung zur Auswahl. In virtuellen Räumen gab das Referententeam den Teilnehmern die aktuellsten Updates und viele nützliche Tipps für die Praxis. Zusätzlich boten offene Netzwerkräume die Möglichkeit, sich mit Kollegen auszutauschen.

Podiumsdiskussion ergänzt das Programm

Den Abschluss des ersten Tages des Netzwerktreffens bildete eine digitale Podiumsdiskussion zum Thema Lobbyarbeit in der Heilmittelbranche. Macht die Heilmittelbranche aktuell gute Lobbyarbeit? Ist die Art und Weise, wie Lobbyarbeit derzeit läuft, sinnvoll bzw. ist die Abstimmung über Zielsetzungen und Strategien ausreichend transparent? Oder brauchen wir Änderungen? Und wenn ja, was genau müsste sich verbessern? Darüber hat sich Ralf Buchner mit seinen Gästen Christine Donner, Geschäftsführender Vorstand des Bundesverbands für Ergotherapeuten e. V. (BED), Christiane Sautter-Müller, zweite Vorsitzende von LOGO Deutschland e. V., Olav Gerlach, Physiotherapeut aus Schleswig-Holstein und u. a. aktiv bei Therapeuten am Limit, Dr. Roy Kühne, MdB CDU/CSU und Monika Bischoff, Vorstandsvorsitzende des BerufsVerbands Oekotrophologie e. V. (VDOE) angeregt unterhalten.

Wir haben die wichtigsten Aspekte aus der Podiumsdiskussion aufgegriffen und für Sie zusammengefasst.

Therapeuten müssen sich engagieren

Zu Beginn der Podiumsdiskussion hat Dr. Roy Kühne das Wort. Auf die Frage, warum er als ausgebildeter Physiotherapeut in die Politik gegangen ist, verweist er auf die unbefriedigende Gesamtsituation in der Physiotherapie, die vor zehn bis fünfzehn Jahren vorherrschte – der Frust war zu groß. Er merkt an, dass sich viele Therapeuten über die die Verbandsarbeit nur beschweren, aber selbst nicht aktiv würden. Es sei wichtig, dass sich Therapeuten in Verbänden und Vereinen engagieren, so seine Meinung. Olav Gerlach ist einen anderen Weg gegangen, um sich Gehör bei der Politik zu verschaffen. Er ist Teil von Therapeuten am Limit, die mit unterschiedlichen Aktionen auf Missstände in der Branche aufmerksam machen – etwa die Protest-Fahrradtour nach Berlin oder die deutschlandweite Kreideaktion.

Der Bundesverband für Ergotherapeuten (BED) gehört zu den wenigen Verbänden, die Therapeuten am Limit unterstützten. „Wir finden es total wichtig, dass sich die Therapeuten selber organisieren – neben der Verbandszugehörigkeit“, so Christine Donner. Dadurch werde der nötige Druck auf die Politik aufgebaut. Frau Sautter-Müller von LOGO Deutschland sieht das ähnlich und antwortet auf die Frage, welche Lobbyarbeit wir brauchen: „Therapeuten, die kreativ und ungehemmt sind und kein Blatt vor den Mund nehmen.“

Verbände als Sprachrohr

Sich als Therapeuten Gehör verschaffen, auf die Straße gehen, Leute mobilisieren – das sei wichtig, fasst Ralf Buchner zusammen. Dann fragt er in die Runde, wer denn überhaupt die Interessen der Therapeuten vertritt, wer für die Therapeuten sprechen und Entscheidungen herbeiführen darf. Im TSVG sei geregelt, dass jeder Berufsverband, der meint, für Therapeuten sprechen zu wollen, nach bestimmten Kriterien geprüft wird, ob er maßgeblich ist oder nicht, schildert Frau Donner.

Die Verbände, die jetzt verhandeln, seien maßgeblich. „Sie haben die Aufgabe, die Stimmen von der Straße aufzunehmen, sie als Vertreter der Therapeuten an die Politik zu transportieren, ihr Lösungen zu präsentieren und diese auch umzusetzen“, so Frau Donner. Die immer noch sehr verfestigten Verbandsstrukturen würden die Arbeit jedoch erschweren, worauf auch Frau Sautter-Müller hinweist.

Stockender Informationsfluss

Herr Gerlach wirft die Frage in den Raum, woher die Verbände sich überhaupt die Meinungen der Therapeuten holen. „Es wird über uns und für uns gesprochen, aber nicht mit uns. Wir wissen vielleicht, wann verhandelt wird, aber nicht worüber.“ Ein großes Thema sei Transparenz. Hier schaltet sich Ralf Buchner ein und spannt den Bogen zum Thema Verschwiegenheitserklärung bei Verhandlungen. Alle Gäste verneinten die Frage, ob es entsprechende Schriftstücke gibt. Dennoch fühlte sich der Physiotherapeut nicht gut über die Verhandlungen informiert.

Mögliche Besetzung im G-BA

Im weiteren Verlauf des Gesprächs stellt Ralf Buchner folgende Hypothese auf: Nehmen wir an, es wird eine Stelle als Vertretung im G-BA frei. Wie würde diese besetzt werden? Welche Interessen würden dort vertreten werden? „Die, die maßgeblich sind, wären es auch im G-BA“, antwortet Frau Donner. Dann müsse man entscheiden, ob es eine eigene Heilmittelbank gibt. „Ich würde es als vollkommen unproblematisch erachten, wenn es mindestens einen Vertreter für jeden Heilmittelbereich geben würde.“

Auch Frau Sautter-Müller sieht diese Möglichkeit als machbar an. „Wenn jeder Heilmittelbereich einen Vertreter dort sitzen hat, dann stimmen sich die Verbände vorab ab und der Vertreter geht mit einem klaren Auftrag dort hin.“ Frau Bischoff stimmt dem zu, es sei auch ein relevantes Thema für die Ernährungstherapeuten. „Wenn wir es schaffen, dass alle vertreten werden, finde ich das absolut sinnvoll“, ergänzt Herr Gerlach die Runde.

Dr. Roy Kühne wirft im Zuge dessen eine Grundsatzfrage in den Raum. Und zwar, ob sich die Therapeuten selbst in der Dringlichkeit am Tisch des G-BAs sehen, um politisch mitzugestalten. Dann müsse die Hauptfrage von den Verbänden geklärt werden, wer die G-BA-Funktion wahrnimmt. „Denn die Person muss dann auch der Verantwortung gerecht werden“, ergänzt Dr. Kühne.

Die Zukunft der Verbände

Zum Schluss der Podiumsdiskussion möchte Ralf Buchner noch wissen, ob die Verbände es schaffen, sich selbst auf einer freiwilligen Basis zu organisieren oder ob es dafür die ordnende Hand des Gesetzgebers bedarf. Frau Donner vertritt ganz klar die Meinung, dass die Verbände das mit Unterstützung der Therapeuten alleine schaffen – sei es, indem sie sich im Verband organisieren, oder eigene Aktionen starten und aktiv werden. Damit das funktioniere, müssten aber die alten Strukturen aufgebrochen und neu aufgebaut werden. Frau Sautter-Müller spricht sich für eine Arbeitgebervertretung aus, eine Kassentherapeutische Vereinigung. Sie ist der Meinung, dass sich die Verbandslandschaft in den kommenden Jahren neu aufstellen wird und die Interessen, die die Verbände vertreten, deutlicher ausdifferenzierter werden.

Herr Gerlach findet klare Worte und sieht das TSVG als eine Galgenfrist für die herkömmlichen Verbände. Wenn sie es nicht schaffen würden, den Karren selbst aus dem Dreck zu ziehen, dann hätten sie die Daseinsberechtigung verwirkt. Das würde von sehr vielen in der Branche so gesehen werden. Natürlich sei es ein irrer Erdrutsch, wenn viele aus den Verbänden austreten würden. Aber die Frage sei dann, in welchen Strukturen wir uns organisieren. Und genau das sei das Problem. „Es müsste Alternativen geben, die es aktuell noch nicht gibt“, betont Gerlach. „Wenn die alten Strukturen so aufgesprengt werden – und da bin ich bei Frau Donner–, dass daraus etwas Neues herauswächst, wäre das sehr schön.“

Sie konnten beim Netzwerktreffen nicht dabei sein?

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