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Hilfsmittel-Spezial: Geriatronik

Mucki

Leuchtturminitiative Geriatronik – Assistenzrobotik für den Verbleib in den eigenen vier Wänden
Das Forschungszentrum Geriatronik der Technischen Universität (TU) München hat die Leuchtturminitiative ins Leben gerufen. Geriatronik setzt sich aus den Begriffen „Geriatrie“ und „Mechatronik“ zusammen und hat zum Ziel, die Lebensqualität und die gesundheitliche Versorgung von Senioren zu verbessern. [In up_unternehmen praxis 12/21 finden Sie einen ausführlichen Bericht über das Projekt.] Das Forschungszentrum arbeitet in Garmisch-Partenkirchen am Assistenzroboter Garmi, der in Verbindung mit Mucki die ärztliche und therapeutische Versorgung von Patienten auch über größere Distanzen erleichtern soll.

Mucki und Garmi sind ein Team: Assistenzroboter Garmi unterstützt dabei, Handicaps im Alltag auszugleichen. Er wird vom Patienten bedient und befindet sich bei ihm vor Ort. Mucki befindet sich beim Arzt oder Therapeuten und ermöglicht über eine räumliche Distanz hinweg, die Diagnostik und Bewegungsübungen mit dem Patienten auszuführen. Sind die Bewegungsübungen mit Garmi eingeübt und gespeichert, kann der Patient jederzeit gemeinsam mit ihm an seinem Therapieziel arbeiten.

Das bietet klare Vorteile:

  • Der Patient vergisst das selbstständige Üben nicht mehr, weil ihn Garmi an die Trainingseinheiten erinnert.
  • Die Übungen werden korrekt und an die individuellen Patientenbedürfnisse angepasst ausgeführt. Mogeln ist mit Garmi zwecklos.

Was leistet Mucki eigentlich genau?

Mucki bildet den Arm des Patienten nach. Bewegt der Therapeut Muckis Roboterarm in der Praxis, führt Garmi diese Bewegung eins zu eins mit dem Arm des Patienten aus. So ist eine Tele-Rehabilitation auch aus der Ferne möglich. Über die beiden Robotersysteme kommunizieren der Arzt oder Therapeut und der Patient während der Behandlung nicht nur per Videochat, sondern auch haptisch. So sind Symptome erkennbar, Diagnosen können gestellt und Rehabilitationsprogramme ausgearbeitet werden. Künstliche Intelligenz (KI) kann diese Prozesse in Zukunft unterstützen.

Die Steuerung funktioniert wechselseitig: Der Patient spürt die Kraft, die der Therapeut am Roboterarm aufbaut. Gleichzeitig nimmt der Therapeut die Reaktion des Patienten, die bei Garmi entsteht, wahr. Alle Bewegungssignale werden in Echtzeit übertragen. Neben der Bewegung wird die Mimik des Patienten analysiert. Auf diese Weise lassen sich Schmerzen auch nonverbal erkennen.

Über KI-basierte Bildverarbeitungssysteme können Bewegungsanalysen ohne zusätzliche Sensoren erstellt werden. Sie werden bereits bei der Erkennung von Parkinson und zerebellärer Ataxie eingesetzt. Auch Mucki erstellt ein virtuelles Abbild des Patienten, den digitalen Zwilling, der schematisch in Echtzeit auf einem Bildschirm angezeigt wird. Er erkennt Symptome und Dysbalancen und zeigt Muskelaktivitäten an.

So soll ein Termin mit Mucki und Garmi in der Zukunft ablaufen

  1. Anamnese: Neben den Fragen des Arztes schlägt die KI Fragen vor, um die richtige Diagnose zu finden.
  2. Passive Tests: Nach der Analyse der Antworten schlägt die KI Bewegungstests vor, die den Diagnoseverdacht untermauern sollen. Dabei werden der Schmerz, das Bewegungsausmaß und die Muskelkraft gemessen und dokumentiert.
  3. Empfehlung von differentialdiagnostischen Tests: Die Daten von Schmerz und Beweglichkeit werden von der KI analysiert. Falsche Verdachtsdiagnosen werden verworfen, körperliche Untersuchungstest von Arzt und Therapeut bestätigen die verbliebene Diagnose.
  4. Physische Fernuntersuchung: Der Arzt untersucht den Patienten aus der Ferne. Mithilfe von Mucki steuert er Garmi. Die Bewegungssignale werden dabei in Echtzeit übertragen.
  5. Diagnose und Therapieempfehlung: Aus den erhobenen Daten und den Informationen der KI erstellt der Arzt die Diagnose.
  6. Durchführung der Therapie: Auf dieser Grundlage entwickelt der Therapeut ein Trainingsprogramm für die Tele-Rehabilitation. Garmi führt das Programm (teil-)autonom mit dem Patienten aus und dokumentiert jede Übungseinheit. So sind Arzt und Therapeut jederzeit über den Therapiefortschritt informiert.

Fazit

Es wird noch dauern, bis Garmi und Mucki die Therapie unterstützen können. Ebenso wird es Zeit brauchen, bis sich Arzt, Therapeut und Patient an diese Art der Assistenz gewöhnt haben werden. Doch der große Nutzen liegt schon jetzt auf der Hand: Trotz des demographischen Wandels und des prognostizierten Personalmangels besteht eine Chance auf eine gute, individuell anpassbare und regelmäßige Therapie – und zwar auch in strukturarmen Regionen.

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