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„Entscheidend ist die Arbeit am und nicht im Unternehmen!“

Erfurter Physiotherapeut setzt mit seiner Gesundheitseinrichtung neue Maßstäbe
„Schön, dass Sie da sind!“, werden die Patienten in der physiotherapeutischen Praxis ‚physio4me‘ im alten Gebäude einer ehemaligen Etikettenfabrik in Erfurt empfangen. Schon diese Begrüßung unterstreicht das Konzept, mit dem Praxischef Philip Dedekind neue Maßstäbe setzen wollte und immer noch will: „Wer den Nutzen der Patienten in den Mittelpunkt stellt, kann nur erfolgreich sein“, so Dedekind in einem Interview mit dem Podcast „Praxen der Zukunft“ im September 2019. Sein Credo: „Als Inhaber arbeite ich am und nicht im Unternehmen.“
© AaronAmat,physio4me

Schon während seiner Ausbildung und in den ersten Jahren als angestellter Physiotherapeut befasste sich Philip Dedekind immer wieder mit der Frage, wie er Service und kundenorientierte Kommunikation mit hochqualifizierter Therapie verbinden kann. Er ist der Überzeugung, dass die Menschen heute zunehmend hocheffektive Behandlungsmöglichkeiten suchen. Ob akutes Trauma, chronische, genetische oder degenerative Erkrankungen – alle Patienten verfolgen das Ziel, zu genesen, die Lebensqualität zu erhalten oder gar zu steigern.

Beratung als wichtiger Erfolgsfaktor

„Mittlerweile rückt der medizinische Berater immer mehr in den Fokus der Patienten“, sagt der 36jährige Praxisinhaber. Er hat sein Behandlungsmodell, das aus drei Phasen besteht, darauf angepasst: In der Akutphase geht es um die physiotherapeutische Befundung mit der klaren Definition dessen, was der Patient erwartet. Es folgt die aktive Therapie sowie rezeptbegleitendes medizinisches Training, das Dedekind gleich in den ersten Behandlungen empfiehlt und ständig therapeutisch begleitet. In der Aufbauphase werden die Therapieergebnisse analysiert und die noch bestehenden Defizite ermittelt. Diese werden mit Hilfe von Funktionstraining und Rehasport abgebaut, an das sich ein freiwilliges Gerätetraining anschließen kann. In der Erhaltungsphase können die Patienten die erzielten Erfolge durch regelmäßiges Training bewahren und als Vereinsmitglied die medizinischen Trainingsgeräte weiter nutzen.

Praxiskonzept mit „Thüringer Gründerpreis“ honoriert

Anfangs wurde Dedekind als „Dreamcatcher“ oder Träumer belächelt, vor allem aus Sicht von Betriebswirten. „Schnell landeten wir in der Schublade ‚Massagepraxis‘ oder ‚Fitnessstudio‘“, erinnert er sich an die Anfangszeit im Juni 2012. Dies änderte sich schlagartig, als sein Business-Plan für Existenzgründungen im Dezember 2012 mit dem 3. Platz beim „Thüringer Gründerpreis“, einer Initiative des Thüringer Wirtschaftsministeriums, honoriert wurde. Und das Wachstum seiner Praxis, die er gemeinsam mit seiner Kollegin und Mitinhaberin Juliane Knabe betreibt, scheint ihm Recht zu geben. Sie starteten mit einem Mitarbeiter auf einer Praxisfläche von 250 Quadratmetern. Heute arbeiten 19 Mitarbeiter in Schichten von sieben bis 20 Uhr auf einer Fläche von 1.100 Quadratmetern. Pro Tag betreuen Knabe, Dedekind und ihr Team etwa 200 bis 300 Patienten.

Qualität vor Gewinn

Genau dieses Wachstum macht den Erfolg seines Modells aus. „Für uns bedeutet Leben Wachstum, während Stillstand der Tod ist“, so sein Leitsatz. „Halte ich mich daran, wachse ich und bin ein attraktiver Partner für meine Kunden.“ Dies spiegele zu hundert Prozent das wider, wofür er und sein Team einstehen und auf das sie sehr stolz sind. Es gibt drei Prinzipien, heißt es auf der Website. „Unser Warum“: Wir sind die Veränderung, die wir im Gesundheitssystem sehen wollen. „Unser Wie“: Qualität vor Gewinn. Und „Unser Was“: Expertenwissen und Premiumservice trifft auf Highclass-Equipment.

Knapp 6.000 Klicks pro Monat auf Homepage

„Mit unserer Praxis haben wir eine Marke platziert“, erklärt Dedekind nicht ohne Stolz. Und knapp 6.000 Klicks pro Monat auf der Homepage über Google seien für eine physiotherapeutische Praxis in Erfurt „einfach fantastisch“. 70 Prozent seiner Ideen konnte er bereits in die Praxis umsetzen, und er arbeitet weiter an Verbesserungen. Dabei versetzt er sich immer in die Rolle seiner „Kunden“. „Ich empfehle jedem Praxischef, sich feste Zeiten für die Arbeit an seiner Praxis zu nehmen, sich einfach mal ins Wartezimmer zu setzen und zuzuhören.“ Denn: Das Arbeiten am Unternehmen sei genauso wichtig wie im Unternehmen zu arbeiten. Mittlerweile macht dieser Teil seiner Tätigkeit 85 Prozent seiner Gesamtarbeitszeit aus.

Erfolgsgeschichte jedes einzelnen Patienten als Motivation

Der Spaß an der Arbeit und im Team spielt bei ihm und seinen Mitarbeitern eine entscheidende Rolle. „Die Erfolgsgeschichten jedes einzelnen Patienten machen einfach Lust auf mehr“, so der Therapeut. Das war nicht immer so. „Als Angestellter erlebte ich oft frustrierende Momente“, erinnert er sich. „Die Ideen, die mich beschäftigten, stießen häufig auf taube Ohren.“ Die Folge: Er hatte immer weniger Spaß an seiner Arbeit. Als Praxischef wollte er diesen Frust bei seinen Mitarbeitern nicht aufkommen lassen. Individuelles Coaching sowie Fortbildungsangebote machen ihn sicherlich zu einem attraktiven Arbeitgeber.

80 Prozent der Patienten trainieren weiter

Das Modell trifft offenbar auch den Nerv der Patienten, die die ergänzenden Angebote wie die medizinische Trainingstherapie von Anfang an annahmen. „Wir empfehlen das Gesundheitstraining bei Indikation schon in den ersten Behandlungen“, sagt Dedekind. „Und wir raten dazu, es direkt im Anschluss an die Therapie umzusetzen. Zwischen 20 und 30 Patienten pro Monat entscheiden sich für dieses Angebot.“ Eine Trainingseinheit kostet zehn Euro und umfasst die Anzahl des jeweiligen verordneten Heilmittels. „Etwa 80 Prozent unserer Kunden machen anschließend als Selbstzahler weiter. Je nach Tarif zahlen sie im Schnitt monatlich 75 Euro.“ Dafür bekommen sie 64 Stunden pro Woche rundum therapeutisch betreutes Gesundheitstraining mit innovativem Equipment. Etwa 20 Prozent buchen und zahlen die Mitgliedschaft gleich für zwei Jahre im Voraus. „Inzwischen haben wir über 8000 Kunden in der Therapie, 450 im Gesundheitstraining und 200 Kursteilnehmer.“

Einzig der Patient entscheidet

Mit seinem Modell habe er erreicht, dass die Fortsetzung der Behandlung mit der freiwilligen medizinischen Trainingstherapie logisch ist. „Und es ist einzig der Patient, der sich entscheidet, ob er diese Option zieht – im Sinne seiner Gesundheit. Es liegt an uns als Therapeuten, dieses Gefühl beim Patienten hervorzurufen.“ Er kennt die Bedenken seiner Kollegen, ihre Angebote zu „verkaufen“. „Ich brauche mich nicht zu verstecken, denn ich biete nur Möglichkeiten an. Diese werden angenommen dank der Qualität unserer therapeutischen Arbeit.“

Gesundheitssystem auf Erhalt der Gesundheit ausrichten

Dedekind ist überzeugt, dass ein Gesundheitssystem, das ausschließlich auf die Versorgung von Kranken ausgerichtet ist, dabei aber den Erhalt der Gesundheit hinten anstellt, die schwindenden therapeutischen Kapazitäten geradezu fordert. Es liege an den Therapeuten selbst, ihre Patienten bei medizinischen Fragen umfassend zu beraten und zusätzliche präventive Konzepte anzubieten. „Eine Gesundheitsbetreuung mit einem hohen Betreuungsspektrum ist für die Patienten sehr attraktiv.“ Und auch die Praxis profitiere: Durch Einkünfte auf dem ersten und zweiten Gesundheitsmarkt erziele sie nicht nur einen wirtschaftlichen Mehrwert, sondern durch die beiden Standbeine sinke auch das unternehmerische Risiko.

Vergrößerung der Praxis geplant

Daher plant der Praxisinhaber bereits die nächste Ausbaustufe. Die Praxisfläche soll um 400 Quadratmeter erweitert werden. „Damit gewinnen wir sechs weitere Behandlungsräume und können die Fläche für Krankengymnastik am Gerät (KGG) und die Medizinische Trainingstherapie (MTT) auf etwa 80 Quadratmeter verdoppeln. Und voller Stolz fügt er hinzu: „Wir sind in Thüringen der erste Anbieter, der Physiotherapie und Gesundheitstraining in seiner parallel laufenden Gesundheitseinrichtung „PhysioAktiv“ verbindet.“

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