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Schlaganfallbehandlung im Team

Logopädische Praxis auf Augenhöhe mit Ärzten des Klinikums Landsberg
Das Thema Schlaganfall spielte für die Logopädin Irene Labryga zu Beginn ihrer Selbständigkeit keine große Rolle. In ihrer Praxis im bayerischen Landsberg am Lech lag ihr Fokus auf Stimm- und Atemtherapie. Seit 2014 aber behandelt sie täglich Schlaganfallpatienten, denn ihre Praxis ist Kooperationspartner des Klinikums Landsberg im Bereich der Schlaganfallbehandlung im Rahmen des NEVAS-Programms.
© stefanamer

NEVAS steht für Neurovaskuläres Netzwerk Südwestbayern. Es hat sich zum Ziel gesetzt, die Akutversorgung von Schlaganfallpatienten in Südwestbayern zu verbessern – entsprechend dem Leitgedanken „Time is Brain – Zeit ist Hirn“. Dabei werden auch Regionen eingebunden, die keine eigene neurologische Fachabteilung vorhalten können. Alle Schlaganfall-Patienten werden telemedizinisch aus dem Klinikum der Universität München/Großhadern in Kooperation mit den Ärzten vor Ort diagnostiziert und eingestuft; sollte ein neurochirurgischer Eingriff von Nöten sein, so kann der Patient dann bereits unter der Lysetherapie nach Großhadern gefahren werden.

Im Versorgungsbereich von NEVAS stehen in drei Zentrumskliniken (Klinikum Großhadern, Klinikum Ingolstadt und Bezirkskrankenhaus Günzburg) sowie 16 regionalen Kooperationskliniken Spezialisten aus allen relevanten medizinischen Disziplinen rund um die Uhr zur Verfügung. Teil dieses Programms ist ein logopädisches, ergotherapeutisches und physiotherapeutisches Screening, das bei jedem Patienten innerhalb von 24 Stunden durchgeführt wird.

Hinweis durch Lokalpresse

Irene Labryga las in der Lokalpresse von NEVAS und besuchte einen Vortrag des damals leitenden Arztes. „Ich war von dem Projekt begeistert und fand die Zusammenarbeit mit dem Uniklinikum Großhadern sofort extrem spannend“, erinnert sich die 43-jährige Praxisinhaberin. Gleich nach dem Vortrag sprach sie den Arzt an und fragte, ob er noch therapeutische Unterstützung bräuchte. Er brauchte, und der erste Schritt zu einer bis heute erfolgreichen Kooperation war getan.

Regelmäßige Fortbildung im Uniklinikum München Großhadern

Ihre anfänglichen Zweifel, ob sie der neuen Herausforderung auch gewachsen wäre, zerstreuten sich schnell. Nicht zuletzt dank der guten Begleitung durch das Uniklinikum Großhadern. Es bietet zwei Mal im Jahr kostenlose Fortbildungskurse an, und mehrmals im Jahr beraten Kollegen aus Großhadern sie in ihrer täglichen Praxisarbeit. „Außerdem haben wir jederzeit die Möglichkeit, auf der Strokeunit in Großhadern zu hospitieren“, sagt sie – eine Chance, die sie und ihre acht Mitarbeiter, darunter zwei Ergotherapeutinnen, immer wieder gerne wahrnehmen.

Arbeit auf Augenhöhe im NEVAS-Team

Die kollegiale Zusammenarbeit im NEVAS-Team ließen auch ihre letzten Zweifel schwinden und das Vertrauen in ihre Fähigkeiten wachsen. Ob Arzt, Pfleger oder Therapeut – alle arbeiten zum Wohle des Patienten gleichberechtigt zusammen und tauschen sich miteinander aus. Dies geschieht einmal pro Woche in ihrem Praxisteam und etwa alle sechs Wochen in den fachinternen Teams. Alle drei Monate trifft sich das Gesamtteam im Klinikum, das sich NEVAS-Visite nennt. „Hier kommen die zuständigen Ärzte, Pflegekräfte, Therapeuten unseres Klinikums und unserer Praxis sowie eine Abordnung aus Großhadern, bestehend aus dem leitenden Neurologen, jeweils einem Vertreter pro Fachdisziplin Logo Ergo Physio sowie Pflege zusammen. Wichtig ist, dass im Team ein Klima herrscht, in dem man angstfrei sprechen kann“, betont Irene Labryga, „sodass jeder seine persönlichen Eindrücke mitteilen kann. Denn jeder Schlaganfall ist individuell, und die Therapie ist eine Detektivarbeit.“

Die „Arbeit auf Augenhöhe“ sei wesentlicher Bestandteil der NEVAS-Philosophie. Dank der interdisziplinären Zusammenarbeit, so werde den Kooperationspartnern im Basiswissen des NEVAS-Projekts immer wieder vermittelt, sinke die Sterberate um 30 Prozent.

Behandlungsplan über Kliniksystem

Konkret läuft die Kooperation mit dem Klinikum Landsberg folgendermaßen ab: Gleich morgens loggen sich die behandelnden Therapeuten ins Kliniksystem ein und stellen fest, wer an diesem Tag behandelt werden muss. Neben den „älteren“ Fällen kommen im Schnitt ein bis zwei neue Schlaganfallpatienten dazu – das können bis zu zehn Patienten am Tag sein. Da das NEVAS-Projekt eine 24-stündige Versorgung fordert, sind die Mitarbeiter auch am Wochenende gefragt und wechseln sich mit den Bereitschaften ab. Die geleistete Arbeit rechnet die Praxis mit dem Klinikum ab.

Klinikarbeit bereichert Praxisalltag

„Wir haben übereinstimmend das Gefühl, dass die Arbeit in der Klinik und mit NEVAS unser Berufsleben bereichert“, freut sich die Praxisinhaberin. „Es ist extrem interessant, interdisziplinär im klinischen Kontext arbeiten zu dürfen und immer ‚am Puls der Zeit‘ zu sein.“ Einmal habe sie sogar ein Gehirn anfassen dürfen, erinnert sie sich noch heute voller Begeisterung.

2017 erhielt das Klinikum Landsberg die NEVAS-Zertifizierung – am schnellsten von allen regionalen Krankenhäusern, ergänzt Irene Labryga nicht ohne Stolz: „Das lag vor allem an uns, weil wir es geschafft haben, innerhalb von 24 Stunden sowohl einen Logopäden als auch einen Ergotherapeuten zu stellen.“

Ergotherapeuten dringend gesucht!

Ihre Klinik-Kooperation hilft ihr auch bei der Suche nach neuen Mitarbeitern. „Vor allem für Logopäden ist es ein wichtiges Argument, in meine Praxis zu kommen“, so ihre Erfahrung. Leider weniger bei Ergotherapeuten. Seit langem sucht sie händeringend nach ergotherapeutischer Unterstützung ihres Klinikteams. „Viele Ergotherapeuten trauen sich die Klinikarbeit nicht zu, aber sie sollten sich trauen, denn wir werden durch das Uniklinikum Großhadern großartig gefördert.“

Videotherapie im klinischen Bereich nicht möglich

Gerade in Zeiten von Corona sei ihre Hilfe besonders wichtig. Denn 80 Prozent der Schlaganfallpatienten haben Schluckstörungen, und damit erhöht sich das Risiko einer Lungenentzündung. Eine Videotherapie, wie sie die Krankenkassen während der Corona-Krise genehmigt haben, sei im klinischen Bereich allerdings nicht möglich. „Wir müssen für das Screening die Patienten berühren und Schluckversuche durchführen“, erklärt die Logopädin, „das kann gar nicht mit einer Videotherapie geleistet werden.“

Keine Scheu vor Corona

Ihre Mitarbeiterinnen zeigten keine Scheu vor Corona – im Gegenteil. Vor dem Shutdown sei ihre Angst wesentlich größer gewesen, Kinder zu behandeln und sie möglicherweise mit COVID-19 zu infizieren. Aber auch ihre Praxis habe die Folgen zu spüren bekommen: Statt 220 Therapien rechnet die Praxis jetzt 70 bis 80 ab. Nur eine Logopädin habe alle ihre Patienten angerufen und sie auf Videotherapie umgestellt – zu 100 Prozent. „Ich habe das Gefühl, die Patienten nehmen unser Angebot mehr und mehr war“, so die Praxisinhaberin. „Wir haben durch Corona zwar Einbußen, aber wir werden Corona auf jeden Fall überleben!“

Seid mutig und bietet Eure therapeutische Hilfe an!

Irene Labryga hat ihren Schritt zur Kooperation mit dem Klinikum Landsberg nie bereut – im Gegenteil: „Für mich ist die Klinikarbeit ein doppelter Gewinn: Einerseits erziele ich Einnahmen aus der Klinikbetreuung, andererseits melden sich viele Klinikpatienten im Anschluss an die Reha bei uns, und wir übernehmen ambulant die therapeutische Nachbetreuung“, freut sich die Praxisinhaberin. Außerdem stärke die Zusammenarbeit mit den anderen Professionen auch ihr Standing bei den Ärzten und helfe nicht zuletzt auch als Argument für die Gewinnung neuer Mitarbeiter. Sie kann allen Kollegen, die Lust auf  die Arbeit in der Klinik haben, nur raten: „Seid mutig! Geht auf die Ärzte zu und bietet Eure therapeutische Hilfe an. Es lohnt sich!“

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