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Videotherapie im Scheinwerferlicht

Interview mit Roland Thielsen
"Mir wird der 16.03. nicht aus dem Kopf gehen", antwortet Roland Thielsen, Logopäde und Praxisinhaber, auf unsere Frage, seit wann er Videotherapie anbietet. "Unsere Praxis war schnell mit zwei Videokonferenzmöglichkeiten ausgestattet. Es brauchte viel Umstrukturierung und die Anschaffung von Webcams."
© Suradech14

Wie reagieren Ihre Patienten darauf?

Grundsätzlich gut, dass wir diese Möglichkeit anbieten. Es macht einen modernen, zeitgemäßen Eindruck, ohne Präsenz therapieren zu können. Allerdings ist es nur bei einer Minderheit unserer Patienten (etwa fünf bis acht) überhaupt möglich. Wir betreuen hauptsächlich neurologisch-geriatrische Patienten, viele Pflegeheime und Kliniken. Außerdem ist die technische Ausstattung bei vielen Patienten zu Hause unzureichend.

Welche Bedenken hatten Sie?

Mich hat der Datenschutz lange beschäftigt, also welchen Kanal wir dafür nutzen. Außerdem hatte ich Zweifel an der Bild- und Tonqualität.

Was hat Sie positiv überrascht?

Dass die Abrechenbarkeit möglich ist. Es wäre schön, wenn das so bliebe. Außerdem hat mich der Pioniergeist bei den Patienten begeistert. Es ist eine Möglichkeit, mit ihnen in Kontakt zu treten und im Kontakt zu bleiben. In Ausnahmefällen konnte die Videotherapie dann auch von zu Hause angeboten werden.

Welche Vorteile sehen Sie?

Ich bleibe mit dieser Möglichkeit flexibel, weil ich verschiedene Kanäle nutzen kann.

Welche Grenzen gibt es?

Die schlechte Internetverbindung, die sich sehr auf die Bild- und Tonqualität auswirkt. Bei uns Zuhause war es auch die parallele Nutzung des Internets von uns Eltern beruflich und den Kindern für die Schule. Die Erprobung verschiedener Portale war nervig und zeitraubend. Hinzu kommt, dass wir viele halbstündige Therapiesitzungen für unsere Patientenklientel haben. Das bedeutet 25 Min. Therapie plus 5 Min. Vor- und Nachbereitung. Viele Therapien sind ohne Angehörige gar nicht möglich. So z. B. bei aphasischen Patienten, wenn es nur um das Einstellen der Kameraposition bei eingeschränktem Sprachverständnis geht. Die Dysphagietherapie, die einen unserer Schwerpunkte bildet, ist ohnehin rechtlich nur eingeschränkt erlaubt.

Was muss bei der Organisation beachtet werden?

Die Vor- und Nachbereitung erfordert sehr viel mehr Zeit. Das beginnt mit dem Einholen der Einverständniserklärung, also der datenschutzrechtlichen Absicherung, und endet beim eigentlichen Therapiesetting. Der gewohnte Zeitplan ändert sich, aber im Verlauf bekommt man zunehmend Routine.

Wie läuft eine Videotherapie bei Ihnen ab?

Vorab führe ich ein Gespräch, ob der Patient das Angebot der Videotherapie annehmen möchte. Dann erfolgt die Einverständnis- und Datenschutzerklärung. Haben wir dann einen gemeinsamen Kanal gefunden, vereinbaren wir den ersten Termin, der eher zum Ausprobieren und Beheben von Problemen dient. Meist kann ich erst im zweiten Termin inhaltlich weiterarbeiten.

Ihr Fazit zur Videotherapie?

Wir können nur einen Bruchteil meiner Patienten damit erreichen. Dennoch würde ich es als Ergänzung nutzen, wenn es weiterhin abrechenbar bliebe. Es ist zukunftsträchtig und wir müssen, was den Umgang mit den digitalen Medien angeht, weiter am Ball bleiben.

Würden Sie Videotherapie in die Regelversorgung aufnehmen?

Als Ergänzung ja, als Verpflichtung im Sinne eines Rechts auf Videotherapie nein.

Sollte die telefonische Beratung auch ermöglicht werden?

Zu jeder logopädischen Therapie gehört die Beratung dazu. Somit sollte auch zukünftig neben der abrechenbaren Videotherapie die telefonische Beratung von den Kassen bezahlt werden. Therapeutische Ziele lassen sich oft nur mit Unterstützung durch Angehörige erreichen.

Roland Thielsen | Logopädische Praxis Roland Thielsen, Kiel

2 Kommentare
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ute kramer
22.07.2020 14:38

Ist denn die Durchführung der Videotherapie nun nach wie vor… Weiterlesen »

Ulrike Stanitzke
23.07.2020 16:07
Antworten an  ute kramer

Hallo Frau Kramer, leider können Sie die Videotherpie nicht mehr… Weiterlesen »

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