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Konsultationsprozess | Verbände und Interessenvertretungen

Direktzugang wird sich positiv auf die Patientenversorgung auswirken

So stehen IGThera-SH und die Vereinten Therapeuten zur Reform der Berufe in der Physiotherapie
Das Konsulationsverfahren läuft und wir u. a. bei den Verbänden und Interessensvertretungen nachgefragt, wie sie sich die Zukunft der Therapieberufe vorstellen und was sie auf den Fragenkatalog des BMG antworten werden. Die Vereinten Therapeuten und die IGThera-SH e. V. haben uns Einblick gewährt. Wir stellen Ihnen die Positionen in einer Kurzfassung vor.
© 2019 JOSEP SURIA

IGThera-SH e.V.: Klares Ja zum Direktzugang

„Ja, auf jeden Fall soll der Direktzugang kommen. So schnell wie möglich wäre gut, allerdings sollte unser Berufsbild vorher selbstbestimmt Entscheidungen treffen können, um entsprechende Rahmenbedingungen festlegen und eine entsprechende Qualitätssicherung gewährleisten zu können (Selbstverwaltung)“, findet die IGThera-SH. Der Direktzugang sollte mit einer mehrjährigen Berufserfahrung oder Stundenanzahl der praktischen Tätigkeit mit zusätzlichen Qualifikationen möglich sein, um z.B. auch der Wirtschaftlichkeitsprüfung standzuhalten.

Die IGThera-SH erwartet auch positive Auswirkungen des Direktzugangs auf die Qualität der Patientenversorgung. Patienten könnten schneller und besser versorgt werden, da keine Facharzttermine vorgeschaltet wären, auf die die Patienten lange warten müssen. So könnte die Behandlung in viele Fällen früher und zielgerichtet begonnen werden. Das Therapieangebot kann individueller an den Patienten angepasst und somit effizienter gestaltet werden.

Akademisierung keine Voraussetzung für Direktzugang

Der Akademisierung steht die IGThera-SH grundsätzlich positiv gegenüber, sieht sie aber nicht als Voraussetzung für den Direktzugang. Man ist der Meinung, eine mehrjährige Berufserfahrung bzw. gewisse Stundenanzahl an Praxistätigkeit sollten auch für einen Direktzugang reichen, evtl. mit einem Qualifikationsnachweis.

„Wir denken eine Teilakademisierung und duale Studiengänge wären weiterhin denkbar. Die Zahl der Studienplätze sollte ausgebaut werden. Voraussetzung sollte sein, dass der Nutzen des akademischen Abschlusses in der Praxis größer ist (Gehalt) und besser publiziert wird. Wir brauchen eine fortschreitende Akademisierung, damit wir international konkurrenzfähig werden und unsere Arbeit wissenschaftlich belegen können.“ Die Finanzierung der Ausbildung stellt die IGThera-SH sich über Bund und Länder unabhängig von den Kliniken vor und spricht sich für eine Ausbildungsvergütung für Fachschüler bzw. Fachstudenten während der praktischen Ausbildung aus.

 

Die Vereinten Therapeuten (VT) haben uns auf unsere Anfrage hin ihre Antworten und Lösungsvorschläge zum Fragenkatalog des BMG übermittelt – so wie sie ihn auch an das Ministerium geschickt haben. Insgesamt hat das Dokument eine Länge von 14 Seiten. Hier einige der wesentlichen Punkte:

Eine Vollakademsierung, bei der die Ausbildung zum Physiotherapeuten vollständig an der Hochschule, ohne praktische Einsätze am Patienten, erfolgt, lehnen die Vereinten Therapeuten ab. „In Anbetracht des überwältigenden Fachkräftemangels finden wir es vermessen, nur Abiturienten in einem praktischen Beruf zuzulassen“, lautet einer der Gründe dafür. Zudem würde es das Wohl der Patienten gefährden, wenn das praktische Arbeiten nicht unter Anleitung geübt wird.

Gesamtausbildung staffeln

Die VT stellen eine Staffelung der Gesamtausbildung vor: Eine Grundausbildung, die der fachschulischen Ausbildung entspricht, zur allgemeinen Patientenversorgung. Ein „Aufbaukurs Bachelor“, der eine Spezialisierung/Vertiefung der Fachgebiete (heute: Zertifikatsfortbildungen) beinhaltet und zum Direktzugang berechtigt. Ein „Aufbaukurs (Bachelor-)Fachtherapeut“, um sich als bereits ausgebildeter Therapeut für den Direktzugang nachzuqualifizieren. Und einen „Masterkurs“, der u. a. dazu befähigt, in der Forschung zu arbeiten, Leitlinien zu erstellen etc.

Zertifikationspositionen bezeichnen die VT als veraltet und unattraktiv. „Physiotherapeutische Techniken sollten alle in der Ausbildung zum Zweck der allgemeinen Patientenversorgung vermittelt werden und vollumfänglich abgerechnet werden dürfen.“

Direktzugang ja, aber nicht für alle

Mit der passenden Ausbildung im Hintergrund stehen die VT dem Direktzugang grundsätzlich positiv gegenüber. „Unserer Meinung nach wird die Qualität der Versorgung steigen. […] Wenn dem Patienten der Umweg über den Arzt erspart wird, ihm schneller geholfen wird, führt das zu mehr Zufriedenheit insgesamt.“ Gleichzeitig müsse mit dem mehr an Verantwortung aber auch die Vergütung massiv steigen, sonst würden sich wohl keine Kollegen finden, die bereit seien, die neue Verantwortung zu tragen. „Für den DA [Direct Access, Direktzugang – Anm. d. Red.] sind zusätzliche Abrechnungspositionen zu schaffen, diese wiederum lassen sich durch weniger Facharztbesuche einsparen bzw. ersetzen und ermöglichen insbesondere der älteren Bevölkerung eine wohnortnahe Versorgung.“ Zudem müssten die Leistungen der Berufshaftpflicht überarbeitet werden und im Falle des Direktzugang für Therapeuten ähnlich denen der Ärzte sein.

Weitere Stimmen zur Reform der Berufe in der Physiotherapie:

„Wir müssen dafür sorgen, dass wir qualitätsgesichert, hochwertig, evidenzbasiert arbeiten“ – Experten erklären im Podcast, wie sie sich die Zukunft der Therapieberufe vorstellen

„Der Direktzugang findet in der Praxis statt. Wir müssen ihn nur noch legalisieren.“ – Interview mit Dr. Roy Kühne, MdB und Physiotherapeut

Reform der Berufsgesetze: Das sagen die Therapeuten selbst

 

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