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„Zahle, was Du willst!“

Ungewöhnliche Aktion eines Podologen in seiner Privatpraxis
Mit einer außergewöhnlichen Aktion machte der Podologe Robinson Ehlerding im Spätsommer 2020 von sich reden: In seiner Privatpraxis in Ditzingen bei Stuttgart bot er seinen Kunden zwei Wochen lang an, für ihre Behandlung „nach eigenem Ermessen“ zu zahlen. Mit Erfolg, sodass er sein Experiment „Zahle, Was Du willst!“ bereits zwei Mal wiederholt hat.
© iStock: Mananya Kaewthawee

Auf die Idee zu dieser Aktion brachte ihn eine Mitarbeiterin: Sie hatte bei der Abrechnung einer Behandlung Ärger mit einer Kundin und fragte sich und ihren Chef anschließend, was die Dame wohl zu zahlen bereit sei. Der Praxisinhaber griff die Idee auf und startete das Experiment „Zahle, was Du willst!“. Das Prinzip kannte Ehlerding bereits von einer Software-Firma, in der die Kunden selbst festlegen, welchen Service sie buchen wollen  und entsprechend zahlen. Er entwarf ein Poster, entwickelte einen Werbe-Aufsteller und startete im August 2020 die Aktion.

Gut 55 Euro im Schnitt pro Behandlung

Mit dem Konzept „Zahle, was Du willst!“ ging der Praxisinhaber allerdings ein gewisses Risiko ein. Das Resultat überraschte ihn: Nach Ablauf der zwei Wochen hatten seine Kunden im Schnitt 55,46 Euro pro Behandlung bezahlt. „Ein schöner Durchschnitt“, freute sich der Praxischef, „tendenziell haben die meisten sogar mehr bezahlt.“ Die Ergebnisse ermutigten Ehlerding, die Aktion noch zwei Mal für je eine Woche zu wiederholen. „Beim letzten Mal lag der Durchschnitt noch ein wenig höher.“

Ein dauerhaftes Zukunftsmodell sei das Konzept „Zahle, was Du willst!“ wohl eher nicht. Aber Ehlerding gefällt das Experiment, und er kann sich durchaus vorstellen, diese Aktion ein bis drei Mal pro Jahr anzubieten. „Das passt für unsere Praxis. Vermutlich hängt der Erfolg sowohl von der Lage der Praxis – ob im ländlichen Raum oder in der Stadt – als auch vom Klientel ab.“ Ob andere Praxen seinem Beispiel folgen wollen, müsse jede Praxis für sich selbst entscheiden.

Kunden machten sich Gedanken über tatsächliche Kosten

Auch die Kundin, die dieses Experiment ausgelöst hatte, beteiligte sich noch ein weiteres Mal. Allerdings regte sie sich nicht mehr über den Preis auf, sondern fragte sich, ob eine Zahlung von 50 Euro noch gerecht sei. „Es ist schön zu sehen“, so Ehlerding, „dass die Kunden sich selbst einmal Gedanken über die tatsächlichen Kosten einer Behandlung machen.“ Neben Raumkosten und Arbeitslöhnen stellt der Hygieneaufwand nicht erst seit der Corona-Pandemie einen wesentlichen Kostenfaktor in einer polologischen Praxis dar. „Unsere Desinfektionsgeräte sind vergleichbar mit denen in einer Zahnarztpraxis. In der Anschaffung kostet ein Sterilisator rund 4.000 Euro, die regelmäßige Wartung nach liegt bei über 500 Euro.“

Steigende Kosten für Hygiene-Artikel

Dass die Krankenkassen aktuell eine Hygienepauschale von 1,50 Euro pro Verordnung zahlen, hält der Praxisinhaber für zu gering. „Allein für eine Impfberatung durchs Fenster habe ich bei meinem Hausarzt kürzlich einen Hygienebeitrag von 14,75 Euro gezahlt.“ Während der Pandemie haben sich die Preise für Hygiene-Artikel um bis zu 96 Prozent erhöht. Ein Beispiel: Für 50 Masken hat Ehlerding vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie 2,90 Euro gezahlt, zwischenzeitlich lag der Preis bei 39 Euro und letztlich musste er wieder knapp zehn Euro zahlen. Ein anderes Beispiel: „Früher habe ich 20 Fläschchen mit Desinfektionsmittel gekauft, zu Beginn der Pandemie durfte ich aufgrund der hohen Nachfrage maximal zwei Flaschen bestellen. Hinzu kam dann der Mindermengen-Zuschlag, der von fünf Euro auf 15 Euro erhöht wurde.“

Thema Preiskalkulation

Das Thema Preise hat Ehlerding schon seit der Gründung seiner Praxis im Jahre 2014 beschäftigt. Anfangs orientierte er sich an den Vergütungssätzen der Krankenkassen. Sie lagen damals bei 27 Euro für die Podologische Komplexbehandlung. Zu wenig, war er überzeugt und setzte seinen Preis mit 35 Euro an. Zwei Jahre später legte er für seine Preisfindung Kalkulationsmodelle einer großen Podologieschule zugrunde.

Über die Preise der Kassen konnte er sich nur wundern. Und auf Nachfrage bei seinem Berufsverband erfuhr er, dass diese Preise nur fiktive Preise seien und nicht nach den tatsächlichen Betriebskosten kalkuliert würden. In seiner Praxis zahlen seine Kunden privat beispielsweise 65,96 Euro für eine Podologische Fußpflege, während es auf Rezept 55,43 Euro kostet. „Das sind in etwa die Kosten nach Abzug der Mehrwertsteuer.“

Froh über bundeseinheitlichen Vertrag seit dem 1. Januar 2021

Trotz aller Kritik an der Preiskalkulation der Krankenkassen freut sich der Praxisinhaber, dass die Podologen die ersten Therapeuten sind, für die seit dem 1. Januar 2021 ein bundeseinheitlicher Vertrag über die Versorgung mit podologischen Leistungen und deren Vergütung gilt. Danach gibt es nur noch zwei Leistungspositionen, die Podologische Behandlung „klein“ (HPNR: 78010) und „groß“ (HPNR: 78020). Für eine Podologische Komplexbehandlung, die länger als 20 Minuten dauert, kann seither die „Podologische Behandlung (groß)“ für 40 Euro abgerechnet werden.

Einführung von Kundenkarten

Der Praxisinhaber, der laut eigenen Angaben gerne und immer wieder etwas Neues ausprobiert, hat neben der Aktion „Zahle, was Du willst!“ als ständige Einrichtung seit 2014 die anonymen Gerabo-Kundenkarten eingeführt. Sie haben zwei Funktionen:

  1. Mit jeder Behandlung sammelt der Kunde Treuepunkte, für die er bei Erreichen einer bestimmten Punktzahl eine Prämie bekommt wie beispielsweise eine Fußmassage.
  2. Der Kunde kann auf die Karte ein Guthaben einzahlen, von dem die Behandlungen abgebucht werden. Es gibt verschiedene Stufen solcher Karten bis hin zur „Goldenen“: Bei einem Guthaben von 800 Euro erhält der Kunde 20 Prozent Rabatt auf die private Dienstleistung ohne Rezept, zahlt also statt 65,96 Euro für die Podologische Fußpflege nur 52,77 Euro.

Image des Podologen in Öffentlichkeit voranbringen

Ehlerding ist mit Leib und Seele Podologe. Getreu seinem Leitbild sieht er die Podologie als ein wichtiges und ästhetisches Berufsbild im Gesundheitswesen. Er und sein Team nehmen sich Zeit für die Patienten, klären sie umfassend auf und sichern langanhaltende Behandlungsergebnisse – die „beste Basis für treue und zufriedene Kunden!“ Für die Zukunft wünscht sich der 32jährige Praxischef, das Image des Podologen in der Öffentlichkeit weiter voranzubringen und junge Menschen stärker an diesen Beruf heranzuführen.

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B. fisser-Wilmerding
04.04.2021 9:24

Sehr interessant, evtl selber mal ausprobieren:)

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