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up-Leser berichten von ihren Erfahrungen mit Korruption

Die Frage der up-Redaktion nach persönlichen Erfahrungen mit Ärzten und Korruption hat Wellen geschlagen. Im Internet ging es hoch her und unser Briefkasten quoll über. Ungläubig „Ich bin sprachlos auf welche Ideen manche kommen“ und mit Unverständnis „Wie kann man sich das bei unserer Vergütung überhaupt leisten, einen Arzt dafür zu bezahlen“ berichteten viele Leser über ihre eigenen Erfahrungen.
© iStock: AndreyPopov

Ein Leser aus Berlin, der anonym bleiben möchte, schreibt:

    Auch ich habe leider Erfahrungen mit Korruption in Berlin machen müssen… Der Handchirurg im Haus bat mich Ende 2015 zum Gespräch darüber, wie ich mir eine zukünftige Zusammenarbeit vorstellen würde. Worauf genau er hinauswollte, sagte er nicht offen. (Er meinte, da käme ich schon alleine drauf!) Jedoch würde er dafür sorgen, dass seine Patienten nicht mehr zu mir kommen, wenn ich ihm nicht ein ansprechendes Angebot unterbreite! Ich ging nicht weiter darauf ein, musste allerdings ab Januar 2016 starke Einbußen an Patientenzahlen verzeichnen!
    Ich betrieb dann Akquise und durfte feststellen, dass einige Ärzte im Umfeld bereits mit Ergotherapiepraxen zusammenarbeiten und keinerlei Interesse an meiner Arbeit besteht! Vom Orthopäden im Haus kommen keine Patienten. Der schickt alle zu einer bestimmten Physiotherapiepraxis! Von einem meiner Patienten weiss ich, dass sein Arzt die ausgestellten Verordnungen nicht einmal aushändigt, sondern direkt in die Ergotherapiepraxis, die wohl der Frau des Arztes gehört, weiterreicht! Die Patienten müssen also dort ihre Therapie wahrnehmen. […]
    Von einer Freundin, die Physiotherapeutin ist, weiss ich, dass Provisionszahlungen von Therapeuten an Ärzte in Berlin zur Tagesordnung gehören. Sie riet mir sogar, mich auf so etwas einzulassen, um das Fortbestehen meiner Praxis zu sichern… Für mich kommt das nicht in Frage!
    All diese Umstände sind mehr als frustrierend!

Ebenfalls aus Berlin, aber auch aus anderen Teilen Deutschlands, teilt dieser Praxisinhaber seine Erfahrungen mit uns:

    […] In Berlin ist Korruption normal (mein erster Standort ist in Berlin) und Korruption ist ein gesamtdeutsches Problem (mein zweiter Standort ist in Göttingen) – und an meinen Arbeitsplätzen zuvor als Angestellter war ich in Offenburg, München und Wuppertal tätig – aus dieser Zeit kann ich noch viel mehr Geschichten erzählen![…]
    Wenn die Ärzte als „Zuweiser“ fungieren, erhalten die Patienten „ergänzende Heilmittel“, KG-Gerät, MLD sofern sie in ganz bestimmten Praxen behandelt werden. Kommen die Patienten zu mir, erhalten sie nur die Minimalversorgung als „Gruppenbehandlung“… Es liegt ja am Budget des Arztes wird meinen Patienten gesagt, jedoch liegt es nicht am Budget, sondern daran, dass der Arzt sein ganzes Budget gerne an den/die Therapeut/in verteilen will, von denen er auch Geld zurück erhält!

Eine Ergotherapeutin aus Süddeutschland berichtet:

    Auch bei uns gibt eine Kinderarzt-Praxis die Rezepte für die Ergotherapie nur dann an Eltern weiter gibt, wenn die Eltern nur in eine bestimmte Praxis für Ergotherapie gehen. Möchten die Eltern das nicht, verweigert der Kinderarzt das Ausstellen eines Rezeptes für die Ergotherapie. […] Dieser Kinderarzt hat die selbe Vorgehenswiese auch bei einer Praxis für Logopädie. […]
    Eine weitere Geschichte die mir passiert ist: Ein Kinderarzt rief mich in der Praxis an, um mir mitzuteilen, dass ich so schlecht telefonisch erreichbar wäre und ob er mich in der Mittagspause zuhause anrufen könne. Ich gab ihm meine private Telefonnummer und er meldet sich am nächsten Tag bei mir Zuhause. Es ging um ein Kind das wir beide behandeln. Eine Folgeverordnung wäre nötig gewesen. Der Kinderarzt sagte mir, dass er keine ausstellen würde und auch für andere Kinder nicht mehr. Die einzige Möglichkeit wäre, wenn ich ihm monatlich etwas auf sein Konto überweise, dann würde er weiterhin ausstellen. […]
    Also wohl nicht nur in Berlin ein Thema, auch hier bei uns. Obwohl alle Therapeuten-Kollegen über dieses Vorgehen Bescheid wissen, wird leider seit Jahren hier geschwiegen und nichts gegen den Arzt unternommen.[…]

Kurz und bündig schildert diese Physiotherapeutin ihre Begegnung mit einem Orthopäden:

    Sehr geehrte Redaktion,
    ich habe mich vor einigen Jahren bei einem neu niedergelassenen Orthopäden […] vorgestellt und um gemeinsame Arbeit zwischen Physiotherapeut und Arzt bemüht. Er fragte mich, was ich denn für ausgestellte Verordnungen bezahlen wolle. Daraufhin bin ich aufgestanden und habe die Praxis verlassen.

Aus Bayern berichtet dieser Praxisinhaber von Unterschieden zwischen Stadt und Land:

    Das Thema ist nicht neu. Ich habe von 1983 bis 2006 eine Praxis in einer Niederbayerischen Kleinstadt betrieben. Die damalige Praxisschwemme (Ausgangslage 10 Praxen Massage/KG in 1983; 20 Praxen 1985; 35 Praxen 1995) hat sowohl bei Therapeuten aber vor allem bei Ärzten, und da vor allem bei Orthopäden zu allen von Ihnen geschilderten Auswüchsen geführt. Ich bin seit 2007 in einer kleinen Praxis auf dem Land tätig, und ich fühle mich Dank der Hausärzte besser denn je.

Doch scheinbar hat selbst in Berlin noch nicht jeder Heilmittelerbringer Erfahrungen mit dem Thema Korruption gemacht. Denn auch diese Nachricht erreichte uns aus der Hauptstadt:

    Ich habe im Sommer 2015 eine GmbH gegründet und betreibe heute vier interdisziplinäre Praxen mit 25 Logopädinnen, ErgotherapeutInnen und PhysiotherapeutInnen. […] Entgegen meiner Erwartungen habe ich innerhalb der letzten zweieinhalb Jahre nicht eine (!) Situation erlebt, in der niedergelassene Ärzte in unserem Einzugsgebiet eine monetäre Forderung formuliert oder auch nur suggeriert haben.
    Ganz im Gegenteil haben wir ein hohes Maß an Sensibilität für den neu geschaffenen Korruptionsparagraphen für das Gesundheitswesen erlebt. Gezielte Empfehlungen wurden einer bestimmten Praxis wurden bei unseren Besuchen in der Regel mit dem Hinweis auf den § 299 a StGB ausgeschlossen.

Zum Themenschwerpunkt Korruption gehören außerdem auch diese Artikel:

Korruption – Nicht nur in Berlin ein Thema

Korruption verhindern durch Direktzugang – Ein Kommentar von Ralf Buchner

„Ärzte verteilen unsere Milliarden durch ihren Kugelschreiber“ – Interview mit Dr. Wolfgang Wodarg, Mitglied im Vorstand von Transparency International Deutschland

„Wenn keiner etwas dagegen tut, fällt immer einer hinten runter“ – Interview mit Dina Michels, Chefermittlerin bei der KKH Kaufmännische Krankenkasse in Hannover

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