up|unternehmen praxis

Kommunikation: „Auch Ärzte brauchen Zuspruch und Wertschätzung“ – Ein Interview mit Ralf Buchner

up-Herausgeber Ralf Buchner gibt selbst Seminare zum Thema Arztkommunikation. Im Interview mit unserem Redakteur spricht er über ein Thema, das Therapeuten beim Kommunizieren oft umtreibt: das Verkaufen. Sein Fazit: Jedes Arztgespräch ist ein Verkaufsgespräch, und das ist auch gut so.

up|unternehmen praxis: Ralf, wenn du vom „Verkaufen“ sprichst, zucken Therapeuten regelmäßig zusammen. Warum?

Ralf Buchner: Viele Therapeuten sind Idealisten. Das ist gut so, Therapeuten wollen ihren Patienten wirklich helfen und denken dabei nicht nur ans Geldverdienen. Der Begriff „Verkaufen“ ist jedoch in unserer aller Lebenswirklichkeit ganz stark mit Geld verknüpft. Deswegen glauben Therapeuten, „Verkaufen“ sei ein Vorgang, bei dem es primär darum geht, jemandem Dinge anzudrehen, die er nicht braucht. Doch in der Therapeutenwirklichkeit stellt sich das anders da: Wenn ich möchte, dass ein Patient die Hausübungen macht, sich eine andere Haltung angewöhnt oder bestimmte Dinge zukünftig unterlässt, dann muss ich das diesem Patienten „verkaufen“. Ich konzentriere mich dabei auf die positiven Aspekte, zum Beispiel die Trainingseffekte von Hausübungen. Das solche Übungen Arbeit machen und Zeit kosten ist klar und muss nicht extra erwähnt werden.

Und darum geht es tatsächlich: Verkaufen im therapeutischen Kontext bedeutet, sich auf die positiven Aspekte einer Sache zu fokussieren, den verbalen Scheinwerfer auf die wichtigen Ergebnisse zu lenken. Das lässt sich gut auf Arztgespräche übertragen. Da geht es nicht darum, Ärzte aus Geldgier dazu zu drängen, unnötige Heilmitteltherapie zu verordnen, sondern dafür zu sorgen, dass Patienten, die Bedarf an Therapie haben, eine Verordnung erhalten.


„Verkaufen im therapeutischen Kontext bedeutet, sich auf die positiven Aspekte einer Sache zu fokussieren, den verbalen Scheinwerfer auf die wichtigen Ergebnisse zu lenken.“


up|unternehmen praxis: Da kommen wir zu einer wichtigen Frage: Worum geht es hier überhaupt, warum soll ich als Therapeut einen Termin bei einem Arzt bekommen wollen?

Ralf Buchner: Therapeuten erwarten zur Recht Wertschätzung ihrer Arbeit, auch besonders von Ärzten. Eine Form dieser Wertschätzung ist aus Sicht der Therapeuten, dass der Arzt Verordnungen ausstellt und vielleicht sogar eine bestimmte Therapiepraxis aus fachlichen Gründen aktiv empfiehlt.

Stellt eine Arztpraxis nun beispielsweise regelmäßig Verordnung so aus, dass es Änderungsbedarf gibt, dann nehmen das manche Therapeuten persönlich und leiten daraus fälschlicherweise eine Geringschätzung ihrer Arbeit ab. Dann besteht aus ihrer Sicht Gesprächsbedarf.

Vielleicht möchte man als Therapeut dafür sorgen, dass ein Patient eine weitere Verordnung bekommt und will deswegen mit dem Arzt sprechen. Auch dann braucht man einen Termin bei diesem Mediziner. Das Ziel ist in beiden Fällen, den Arzt zu einer Verhaltensänderung zu bewegen, also Rezepte „richtig“ auszufüllen oder überhaupt eine Verordnung auszustellen. Und das ist dann selbstverständlich auch eine Art Verkaufsgespräch. Therapeuten bringen dabei keine Produkte an den Mann, sondern ihr Anliegen, ihr Problem, ihren Wunsch oder ihre fachliche Qualifikation. Immer verbunden mit dem Wunsch der Arzt möge das „kaufen“ und bei künftigem Verhalten berücksichtigen.

up|unternehmen praxis: Sich selbst gut darstellen, ohne dem Arzt etwas aufzuquatschen – wie stellen Praxisinhaber das am besten an?

Ralf Buchner: Als erstes sollten sie ihre eigene Einstellung zum Verkaufen prüfen. Es hilft, auch mal an Positivbeispiele zu denken. Also nicht an die nervige Telefonakquise, bei der dreimal am Tag jemand anruft, der ihnen Handyverträge und Wasserspender fürs Büro verkaufen will. Sondern an Verkäufer, die einem selbst einmal wirklich weitergeholfen haben, die einen gut beraten und zu einer Kaufentscheidung bewegt haben, über die man heute noch froh ist – etwa einer tollen Reise oder einem zuverlässigen Auto.

Eine gute Methode ist auch, sich etwas von guten Verkäufern abzuschauen. Kellner in mittelteuren Restaurants und Hotelrezeptionisten gehören in der Regel ebenso dazu wie Verkäufer von hochpreisigen Autos. Ich gehe manchmal in einen Porsche-Laden und tue so, als würde ich etwas kaufen wollen, nur um zu sehen, wie geschickt dort Verkaufsgespräche geführt werden.

up|unternehmen praxis: Was macht einen guten Verkäufer aus?

Ralf Buchner: Gerade im therapeutischen Umfeld hilft es, davon überzeugt zu sein, dass Therapie großartig ist. Richtig schlecht ist es, wenn ein Kellner das Essen in seinem Restaurant furchtbar findet. Dann wird er es nicht überzeugend verkaufen können. Aber ein Therapeut, der weiß, wie sehr er Tag für Tag seinen Patienten hilft, kann das auch selbstbewusst rüberbringen.

In Bezug auf die Kommunikation mit Ärzten gilt außerdem, dass denen oft gar nicht bewusst ist, was Therapeuten leisten können. Sie haben im Durchschnitt sechs bis acht Minuten Zeit mit ihren Patienten. Wenn Ärzte erfahren, dass Therapeuten viel mehr Zeit mit den Patienten verbringen und eine enge Bindung zu ihnen haben, und dass ich als Arzt davon profitieren kann, dann lässt sich das gut verkaufen.

up|unternehmen praxis: Und wie schaffen Therapeuten es, dass Ärzte ihnen das auch alles glauben?

Ralf Buchner: Wenn der Porsche-Händler nicht weiß, wie viel Benzin das Auto auf 100 Kilometer verbrauchen wird, ist das Vertrauen in ihn wahrscheinlich direkt futsch. Das gilt auch für Therapie: Studien raussuchen, die die Wirkung der Therapie belegen und Quellen zur Hand haben. Artikel aus dem Ärzteblatt ausdrucken, Informationen aus der Lebenswirklichkeit der Ärzte nutzen, denen vertrauen sie am meisten. Und sich dann klarmachen, was im konkreten Behandlungsfall die Therapie in Zukunft bewirken wird! Der Arzt weiß das nicht, sondern braucht eine klare Therapieprognose. Therapeuten, die keine Prognose für einen Behandlungsfall abgeben, gefährden die Fortsetzung der Therapie.


„Die beste Vorbereitung auf ein Gespräch ist es, sich wirklich für den Gesprächspartner zu interessieren. Je mehr ich über den anderen weiß, desto besser kann ich eine Beziehung zu ihm aufbauen.


up|unternehmen praxis: Arztgespräch ist aber ja nicht gleich Arztgespräch – wie bereiten Therapeuten sich auf den konkreten A vor, bei dem ein Termin ansteht?

Ralf Buchner: Es ist natürlich auch wichtig, sich klarzumachen, was für ein Arzt da vor einem sitzen wird. Also erst einmal Kommunikationsbefund aufnehmen: Stellt der Arzt kaum noch Neuverordnungen aus, sondern nur noch Verordnungen für dieselben Stammpatienten? Hat er schon jemals einen Patienten mit einer Verordnung außerhalb des Regelfalls geschickt? Was erzählen Patienten so von ihm? Wie geht es ihm privat, baut er gerade, welche Hobbys hat er, etc.  Das sind alles wichtige Infos, die dabei helfen, den Gesprächspartner einzuschätzen. Die beste Vorbereitung auf ein Gespräch ist es, sich wirklich für den Gesprächspartner zu interessieren. Je mehr ich über den anderen weiß, desto besser kann ich eine Beziehung zu ihm aufbauen.


„Danke, lieber Arzt, dass Du auf die Idee gekommen bist, Heilmittel zu verordnen. Das war eine gute Idee!“


up|unternehmen praxis: Wie steigen Therapeuten dann, gut vorbereitet wie sie sind, in das Gespräch ein?

Ralf Buchner: Die Regel lautet: Erst eine persönliche Beziehung aufbauen, bevor man den Versuch startet eine Verhaltensänderung auf der anderen Seite herbeizuführen. Das gilt auch nicht nur für die Ärztekommunikation. Also nicht damit anfangen, Ärzte fachlich zuzutexten! Das könnte ein Arzt als unzulässige Einmischung in seine Kompetenzen werten. Besser ist es, einen anderen Einstig zu wählen. Man könnte um eine fachliche Einschätzung bitten. Damit bestätigt man das Selbstbild des Arztes und die Kommunikation läuft. Oder man wählt die Feindbildstrategie und ärgert sich zusammen mit seinem Arzt über die blöden Krankenkassen, solche „Gemeinsamkeiten“ fördern die Kommunikation.

Dem Arzt muss zudem zu jedem Zeitpunkt des Gesprächs klar sein, was er davon hat. Ich will als Arzt keine Zurechtweisung durch den Therapeuten, wie ich eine Verordnung auszufüllen habe. Aber ich bin als Arzt sehr daran interessiert zu erfahren, wie ich eine Verordnung so ausfülle, dass ich nicht wegen formaler Fehler dafür in Regress genommen werden kann.

Ich bin als Arzt nicht daran interessiert für einen Dauerpatienten weiter Verordnungen auszufüllen, die mir möglicherweise Regressangst machen. Aber wenn der Therapeut sich darum kümmert, den Patienten in den langfristigen Heilmittelbedarf zu bekommen und er dann extrabudgetär versorgt werden kann, freue ich mich, wenn damit zukünftige Diskussionen mit dem Patienten unterbleiben.

Und ganz wichtig: Das Gespräch beginnt immer mit der Dankesformel: Danke, lieber Arzt, dass Du auf die Idee gekommen bist, Heilmittel zu verordnen. Das war eine gute Idee! Auch Ärzte brauchen Zuspruch und Wertschätzung – und vielleicht bekommt man als Therapeut dann ja davon auch mal etwas zurück.

 

Weitere Artikel aus unserem Themenschwerpunkt Arztkommunikation:

Is‘ was Doc? Wie sag ich’s meinem Arzt

Vor dem Gespräch: Kommunikation beginnt bei Ihnen selbst

Im Gespräch: Bewährte Strategien zum Einstieg

10 Tipps für das Arztgespräch – Ein Gastbeitrag von Anke Handrock

Themen, die zu diesem Artikel passen:
0 Kommentare
Inline Feedbacks
View all Kommentare
0
Wir würden gerne erfahren, was Sie meinen. Schreiben Sie einen Kommentar.x