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Was ist eine angemessene Bezahlung?

Das richtige Entgelt finden
Therapeuten gehören immer noch zu den am schlechtesten bezahlten Gesundheitsfachberufen. Um den dadurch verursachten Fachkräftemangel zu beheben, hat der Gesetzgeber sich um die Anhebung der GKV-Honorare für Heilmitteltherapie gekümmert, zuletzt durch Einführung der bundeseinheitlichen Höchstpreise. Damit sind die Erwartungen bei allen Beteiligten geweckt. Doch was macht das „richtige“ Gehalt aus? Und wie stellt man Entgeltgerechtigkeit in der Praxis her?
© iStock: johannes86

Jetzt hat die Diskussion begonnen: Wie viel Entgelt (Gehalt) zahle ich meinen therapeutischen Mitarbeitern für ihre Arbeit? Diese Frage stellen sich nicht nur Praxisinhaber, sondern auch die Mitarbeiter, die nach Umsetzung der bundeseinheitlichen Höchstpreise jetzt „etwas vom Kuchen abhaben möchten“.

  • Praxisinhaber: Höhere Honorare ermöglichen angemessene Gewinne. Endlich gibt es die Chance, auch als Praxisinhaber Altersrücklagen bilden zu können.
  • Angestellte Therapeuten: Höhere Honorare sorgen für eine angemessene Bezahlung. Endlich haben die Chefs genug Geld, um Angestellte so zu bezahlen, wie es auch in stationären Einrichtungen möglich ist.

Die Zielsetzung von Praxisinhabern bei der Vergütung ihrer Mitarbeiter ist meistens ziemlich klar: Einerseits soll so viel Vergütung gezahlt werden, wie notwendig ist, um Fachkräfte zu gewinnen und möglichst dauerhaft zu halten. Andererseits soll die Vergütung nicht so hoch sein, dass für notwendige Rücklagen der Praxis und den Gewinn nichts mehr übrigbleibt. Und auch noch so hohe Vergütungen können fehlende Führung der Praxischefs nicht ersetzen.

Gleiches Gehalt für alle?

Fast jeder Praxischef hat schon einmal erlebt, was passiert, wenn man Gehälter zahlt, ohne zu berücksichtigen, was die Kollegen innerhalb der eigenen Praxis erhalten. Um neue Kollegen für die Praxis zu gewinnen, zahlt man höhere Einstiegsgehälter und vergisst, dass langjährige Kollegen schlechter bezahlt werden. Irgendwann reden die Mitarbeiter untereinander über ihre Gehälter, und dann steht das Thema Entgeltgerechtigkeit im Raum, das für die Arbeitszufriedenheit innerhalb der Praxis wichtig ist. Studien zeigen, dass weniger die absolute Höhe des Gehaltes über die Zufriedenheit eines Mitarbeiters entscheidet, als der Vergleich mit gleichrangigen Kollegen, die besser bezahlt werden.

So lieber nicht!

Hin und wieder kursieren Vorschläge im Netz, man möge das Bruttogehalt eines Angestellten als prozentualen Anteil seines Umsatzes kalkulieren. Wer das so macht, kalkuliert Ungerechtigkeit mit ein. Denn ein besser qualifizierter Lymphdrainagetherapeut macht weniger Umsatz – und verdient weniger – als ein normaler Physiotherapeut. Und jemand, der einen guten Draht zur Rezeption hat und deswegen viele Privatpatienten behandelt, macht mehr Umsatz – und verdient mehr, als der Therapeut, der Kassenpatienten behandelt.

Anders ist es dagegen bei freien Mitarbeitern, die ihre Patienten selbst akquirieren. Eine prozentuale Beteiligung am Umsatz ist dann sinnvoll und normal. Die freien Mitarbeiter können selbst über die Höhe ihres Einkommens bestimmen.

Rahmenbedingungen für Entgelte

Vier Faktoren beeinflussen die Höhe der Gehälter von Therapeuten in Heilmittelpraxen:

  • Anforderungsprofil: Die Höhe eines Grundentgelts wird in der Regel nach den Anforderungen der jeweiligen Stelle bemessen. Das können fachliche Qualifikationen sein, zum Beispiel Zertifikatsfortbildungen, die man höherwertig abrechnen kann oder soziale Qualifikation, zum Beispiel Führungsfähigkeit oder die Zulassungsfähigkeit für die fachliche Leitung der Praxis. In Tarifverträgen gibt es meistens mehrere Entgeltgruppen, die die unterschiedlichen Anforderungen an die Stelleninhaber abbilden. Mitarbeiter haben also die Möglichkeit, über höhere Qualifikation mehr Anforderungen abzudecken und dadurch ein höheres Grundgehalt zu erhalten, vorausgesetzt, es gibt eine entsprechende Stelle der Praxis.
  • Individuelle Umsetzung: Auch Mitarbeiter, an die man identische Anforderungen hat, die also derselben Entgeltgruppe zugeordnet werden, arbeiten unterschiedlich gut. Das hat damit zu tun, dass manche Mitarbeiter in der Lage sind, die erwarteten Anforderungen hervorragend umzusetzen (z. B. gute Auslastung, wenig Abbrüche), andere dagegen weniger gut. Deswegen gibt es in der Entgeltgruppe mehrere Entgeltstufen. Im öffentlichen Dienst steigt man automatisch mit der Anzahl der Berufsjahre von Stufe zu Stufe auf, in der ambulanten Praxis würde man das vermutlich etwas mehr an der Leistungsfähigkeit des jeweiligen Stelleninhabers bemessen. Mitarbeiter haben also die Möglichkeit durch bessere Anwendung ihrer Fähigkeiten innerhalb ihrer Entgeltgruppe aufzusteigen, und dadurch ein besseres Gehalt zu erhalten.
  • Marktbedingungen: Der Markt für Fachkräfte ist gerade leergefegt. Das führt dazu, dass die Fachkräfte höhere Gehälter fordern. An Orten, an denen die Lebenshaltungskosten besonders hoch sind (zum Beispiel München) werden diese Forderungen noch höher sein. Geringere Nachfrage nach Fachkräften wird dazu führen, dass die Entwicklung der Gehälter stagniert. In der Praxis wird man die Beträge der Entgeltgruppen regelmäßig auf Markttauglichkeit überprüfen (zum Beispiel einmal im Jahr) und möglicherweise anpassen. Damit erreicht man Entgeltgerechtigkeit, denn von solchen Anpassungen profitieren auch die Mitarbeiter, die schon länger dabei sind.
  • Kaufkraft: Für Mitarbeiter ist es wichtig, dass ihr Einkommen nicht weniger wert wird. Schnell ansteigende Mieten können manchen Gegenden dafür sorgen, dass Mitarbeiter weniger Geld zur Verfügung haben als noch vor zwei Jahren. Grundsätzlich kann die Entwicklung der Kaufkraft über die Inflationsrate abgebildet werden. Soll bedeuten, dass man die Entgelte seiner Mitarbeiter automatisch, zum Beispiel jährlich um die Inflationsrate erhöht. Damit müssten Mitarbeiter bei Gehaltsgesprächen nicht mehr über Inflationsrate diskutieren und Chefs könnten sich darauf konzentrieren, über die Arbeitsergebnisse des Mitarbeiters zu reden.

Natürlich ist utopisch anzunehmen, dass jede ambulante Praxis einen Mini-Haustarif erarbeitet. Aber grundsätzlich ist die Idee einer strukturierten Gehaltsfindung gut dazu geeignet Entgeltgerechtigkeit innerhalb der Praxis herzustellen und Gehaltsgespräche einfacher führen zu können. Das Gefühl vieler angestellter Therapeuten und auch Praxisinhaber, dass Gehälter „gewürfelt“ werden, würde damit wegfallen, eine Konzentration auf Arbeitsergebnisse versachlicht und Mitarbeitergespräche vereinfacht.

 

Krankenkassen planen Eingriff in die Tarifautonomie

Der GKV Spitzenverband hat den Heilmittelverbänden einen ersten Entwurf für die neuen bundeseinheitlichen Rahmenverträge zukommen lassen. Dort gibt es auch einen Passus, der die Praxisinhaber verpflichten soll, Vergütungserhöhungen der GKV an die angestellten Mitarbeiter weiterzugeben:

„Die von einem zugelassenen Leistungserbringer angestellten Leistungserbringer sollen von Vergütungsanhebungen in einem angemessenen Rahmen partizipieren. Die zugelassenen Leistungserbringer sollen daher vereinbarte Vergütungsanhebungen in einer angemessenen Höhe an angestellte Leistungserbringer weitergeben.“

Die Kassen vertrauen also nicht darauf, dass Angebot und Nachfrage auf dem Therapeutenmarkt ausreichen, um angemessene Gehälter für Therapeuten zu erhalten, sondern versuchen mit planwirtschaftlichen Ansätzen in die Tarifautonomie der Praxisinhaber einzugreifen!

Hier gibt es noch viele weiterführende Information zum Thema Mitarbeitervergütung:

Erwartungen der Angestellten lenken: So läuft die Kommunikation bei Gehaltsverhandlungen

Themenschwerpunkt: Tipps und Tricks für mehr Geld auf dem Konto Ihrer Mitarbeiter – ganz ohne klassische Gehaltserhöhung

Mitarbeiter durch betriebliche Altersvorsorge unterstützen: Betriebsrentenstärkungsgesetz gilt auch für Therapiepraxen

Außerdem interessant:

„Ausgebildete Physiotherapeuten wandern zunehmend ab in Krankenhäuser, die nach Tarif zahlen.“ – Interview mit Dr. Roy Kühne, MdB (CDU)

Das Zepter endlich selbst in die Hand nehmen – Warum nicht ein Tarifvertrag für angestellte Therapeuten?

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Folkmar (Mike) ''Baecker
22.11.2019 14:29

Gerechtigkeit wird bei Juristen sehr gern als unmöglich beschrieben, weil… Weiterlesen »

Frau Kerstin Voitus
22.11.2019 11:23

Sehr komplex viele Abhängigkeiten > Standort, Qualifikation, Einnahmen und Ausgaben… Weiterlesen »

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