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Der Gewinn bestimmt den Preis – Wer an einen Investor verkaufen will, muss möglicherweise andere Prioritäten setzen

Die beiden Interviews dieses Schwerpunkts haben gezeigt, warum sich Unternehmen für Heilmittelpraxen interessieren. Zum Ende drehen wir den Spieß um und beschäftigen uns noch einmal mit dem Verkauf aus Sicht der Praxisinhaber. Denn ein wichtiger Punkt kam dabei noch nicht zur Sprache: der Preis. Um den möglichst hoch anzusetzen, muss die Praxis viel Gewinn abwerfen. Wer bisher – aus verständlichen Gründen – seinen Gewinn niedrig gehalten hat, um Steuern zu sparen, sollte vor dem Verkauf umdenken: Jetzt gilt es, sich zu überlegen, wie man seinen Gewinn erhöhen kann, um die Praxis wertvoller zu machen.

Die Mehrheit der Therapeuten gründet eine eigene Praxis, um gute Therapiekonzepte für Patienten angemessen bezahlt zu bekommen. Viele Praxisinhaber sehen ihre Praxis darum nicht so sehr als Unternehmen an. Natürlich achten alle darauf, dass genug Geld in die Kasse kommt, aber nicht wenige erwirtschaften ihr gutes Einkommen, indem sie sehr fleißig therapieren.

Die Zahlen zählen

Der eigene Fleiß bzw. die eigene Qualifikation und die darauf aufbauende Patientenbeziehung lässt sich kaum verkaufen. Ein Investor bewertet das Ergebnis der Praxis, nicht die Arbeitsleistung des Praxisinhabers. Es zählt der erzielte Gewinn, also der Betrag der übrig bleibt, wenn man alle Kosten, inklusive der rechnerischen Kosten für die Arbeitsleistung des Praxisinhabers vom erzielten Praxisumsatz abzieht. Während es in der Anfangszeit der Praxisgründung darum geht, das eigene Therapiekonzept zu etablieren, Beziehungen zu Patienten aufzubauen, gut mit Ärzten zusammenzuarbeiten und sich in der Rolle des Praxisinhabers zurechtzufinden, kann es in den letzten Jahren der Selbstständigkeit schon eher darum gehen, die Praxis so zu organisieren, dass sie möglichst viel Gewinn abwirft – und zwar ohne hohen Arbeitseinsatz des Inhabers.

Die Formel für höheren Gewinn: Mehr Umsatz, weniger Kosten

Wer sich auf diese Sichtweise einlassen kann, für den lautet die wichtigste betriebswirtschaftliche Formel: Umsatz minus Kosten gleich Gewinn. Damit wird klar, wie man den Gewinn erhöht: Umsatz steigern (möglichst ohne die Kosten zu erhöhen) oder Kosten senken (möglichst ohne weniger Umsatz zu machen).

Hier ein paar Beispiele, wie sich der Umsatz steigern lässt:

  • (Privat-)Preise erhöhen: Wenn Privatpatienten nicht das ganze Honorar erstattet bekommen, gibt es zwar Diskussionen, aber der Gewinn erhöht sich deutlich
  • Anteil der Privatpatienten erhöhen: Je höher der Anteil an Privatpatienten, desto höher der Umsatz
  • Minutenpreise vergleichen: Bei allen Leistungen werden die Minutenpreise errechnet, dann kann man sich entscheiden, von welchen Leistungen man in Zukunft mehr erbringen will und von welchen weniger. Zum Beispiel haben die meisten Zertifikatsleistungen in der Physiotherapie (inklusive MLD) schlechtere Minutenpreise als klassische Physiotherapie
  • Zeittakt optimieren: Physiotherapeuten können ihren Gewinn deutlich steigern, wenn sie ihren Zeittakt verändern. Als Nebeneffekt schaffen kürzere Behandlungstakte auch noch mehr Behandlungstermine mit denselben Mitarbeitern
  • Parallel-/Gruppenbehandlung: Ergotherapeuten und Logopäden können mit Parallel- bzw. Gruppenbehandlungen den Umsatz pro Minute problemlos um mindestens 50 Prozent steigern. Das bedeutet zwar Umstellungen oder eine andere Therapieplanung, aber der Effekt auf den Gewinn ist enorm

Und ein paar Tipps, wie sich Kosten einsparen lassen:

  • Privatkosten eliminieren: Vom Steuerberater hat man gelernt, Kosten der privaten Lebenshaltung möglichst elegant in die Praxiskosten zu überführen (Dienstauto, Arbeitsessen etc.). Solche privaten Kosten wird man für den Verkauf der Praxis aus dem Praxiskosten herausrechnen
  • Ausfälle reduzieren: Leerläufe der Mitarbeiter durch Behandlungsausfälle sind teuer. Ausfallgebühren, gezielte Kommunikation mit Patienten und Training der Therapeuten sorgen dafür, dass solche Kosten für Ausfälle reduziert werden.
  • Selbst abrechnen: Viele Praxen nutzen Abrechnungszentren, obwohl Computer zur Praxisverwaltung vorhanden sind. Das kostet in der Regel mindestens zwei Prozent des Umsatzes. Die spart man, indem man die Abrechnung selbst durchführt.

Potenzial aufzeigen

Wer über den Kaufpreis seiner Praxis mit einem Investor verhandelt und diese Punkte noch nicht umgesetzt hat, kann trotzdem versuchen, diese Möglichkeiten als zukünftiges Potenzial mit in den Kaufpreis hinein zu verhandeln. Wenn ich also eine Physiotherapiepraxis mit 30-Minuten-Takt an einen Investor verkaufe, dann ist es vollkommen akzeptabel, wenn die Möglichkeit den Zeittakt zu verkürzen bei der Gewinn- bzw. Kaufpreisberechnung mitberücksichtigt wird.

Welche Praxen kauft einen Investor – und zu welchem Preis?

Investoren kaufen nicht einfach jede Praxis, sondern haben in der Regel ein klares Bild davon, in welche Art von Unternehmen sie ihr Geld investieren wollen. Auf der Internetseite oder in Prospekten des Investors werden die Rahmenbedingungen für den Praxisankauf meistens einigermaßen genau definiert. So beschreibt Rehacon auf ihrer Internetseite die Eckdaten für Praxiszukäufe:

  • Schwerpunkt Physiotherapie, gern mit Erweiterungen in den Bereichen Ergotherapie, Logopädie, Gerätetraining, Kurse, Rehasport
    „
  • mindestens drei angestellte Therapeuten in Vollzeit (Mindestvolumen von 120 Behandlungsstunden in der Woche)
    „
  • positives Jahresergebnis (Es geht um den Gewinn nach Abzug des Unternehmergehalts.)
    „
  • Bereitschaft des Verkäufers, die Mehrheit seiner Praxis zu verkaufen

Die Kaufpreisberechnung erfolgt anhand von Zahlen. Letztlich geht es darum, wie viel Gewinn mit der Praxis zu erzielen ist. Auf Basis des zu erzielen Gewinnes wird der Kaufpreis errechnet: Gewinn mal zu vereinbarenden Multiplikator

 


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