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„Größe ist kein Selbstzweck. Für uns steht das inhaltliche Wachsen im Vordergrund“

Interview mit Svenja Streb, Investmentmanagerin bei Waterland Private Equity
„Private Equity” – bei denen einen löst der Begriff Gedanken an Investmentgesellschaften aus, die wie Heuschrecken über andere Unternehmen herfallen, bei anderen steht ein großes Fragezeichen. Wir haben mit Svenja Streb, Investmentmanagerin bei Waterland Private Equity, gesprochen. Waterland hat Anfang 2019 die Mehrheit an der Rehacon GmbH übernommen und ist damit neu in den Heilmittelmarkt eingestiegen. Mit mehr als 120 Therapiezentren in Deutschland ist Rehacon einer der größten Anbieter physiotherapeutischer Leistungen auf dem europäischen Markt.
© DGUV - Landesverband Nordost

Frau Streb, die offensichtliche Frage gleich zu Beginn: Was ist Private Equity und was hat das mit Therapeuten zu tun?

STREB: In der wörtlichen Übersetzung ist Private Equity ‚privat gegebenes Eigenkapital‘ – es handelt sich also um eine Möglichkeit zur Unternehmensfinanzierung, bei der Kapital nicht von Banken kommt, sondern von privaten Investoren. Dafür gibt es unterschiedliche Ansätze. Wir bei Waterland haben uns einer unternehmerischen Beteiligungsstrategie verschrieben.

Wenn man Private Equity hört, denkt man gleich an ganz große Summen. Wie viel verwalten solche Unternehmen denn? Sprechen wir von Millionen, hundert Millionen, Milliarden? Können Sie mit dem Bruttosozialprodukt kleiner Staaten konkurrieren?

STREB: Das ist ganz unterschiedlich. Die Spannweite ist sehr groß: Es gibt zum Beispiel vergleichsweise kleine Private Equity-Gesellschaften, die etwa das Kapital von Familien verwalten und dabei auf einige Millionen kommen. Es gibt aber auch sehr große Gesellschaften, die Vermögenswerte in einem hohen zweistelligen Milliardenbetrag oder noch mehr verwalten. Waterland ist dabei in der Mitte platziert und verwaltet etwa sechs Milliarden an Eigenmitteln. Vor zwanzig Jahren sind wir aber auch klein gestartet, mit rund 60 Millionen.

Sechs Milliarden ist ja schon eine ganze Menge. Das entspricht etwa dem, was wir 2016 an Heilmittelumsatz gemacht haben. Jetzt überrascht es auf den ersten Blick, dass sich ein Private-Equity-Unternehmen für die Heilmittelbranche interessiert. Warum investieren Sie hier?

STREB: Wir sind eine sehr unternehmerisch orientierte Beteiligungsgesellschaft – das heißt, wir versuchen, gemeinsam mit Unternehmern oder mit dem Management in Branchen und Firmen zu investieren, bei denen wir Wachstumspotenzial sehen und denen wir helfen können, dieses Wachstum zu generieren. Häufig ist das der Fall in Märkten, die noch sehr fragmentiert sind, in denen es also noch viele kleine Einheiten gibt. Wenn man sich zusammentut, wird man besser, hat andere Möglichkeiten und kann andere Qualität anbieten.

Konkret halten wir bei Waterland den Gesundheitsmarkt für sehr spannend. Unserer Einschätzung nach handelt es sich um einen Markt, der von Mega-Trends profitiert, vor allem vom demografischen Wandel. Unternehmen können dieser Marktentwicklung dann deutlich besser begegnen, wenn sie eine bestimmte Größe haben. Wir haben da schon eine Vielzahl positiver Erfahrungen gemacht, sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich.

In welche Bereiche des Gesundheitsmarkts hat Waterland bisher investiert?

Wir sind unter anderem an Reha-Kliniken, an orthopädischen Fachkliniken, an Seniorenzentren, aber auch an eine Gruppe von Kinderwunschzentren beteiligt – also in ganz unterschiedlichen Bereichen des Gesundheitsmarktes. In vielen unserer Beteiligungen hat Physiotherapie im weiteren Sinne einen wichtigen Anteil am Behandlungserfolg unserer Patienten und Bewohner. In Seniorenzentren und Rehakliniken etwa ist sie ein integraler Teil der Therapie. Und wenn die Patienten das stationäre Umfeld verlassen, werden sie häufig ambulant von Physiotherapeuten betreut. Wir haben den Heilmittelmarkt daher schon länger aus nächster Nähe beobachten können. Bei der Betrachtung dieses Marktsegments und dessen Organisation hat es uns ehrlich gesagt erstaunt, dass es keinen eindeutigen Marktführer gibt, den man auch klar erkennt. Umso überraschter waren wir dann, als wir auf Rehacon gestoßen sind.

Was ändert sich für ein Unternehmen wie Rehacon, wenn ein Private-Equity-Investor dazukommt?

STREB: Wir investieren grundsätzlich in Unternehmen, die bereits gut aufgestellt sind. Das trifft ja auch auf Rehacon zu. Auf den beachtlichen Leistungen, die Herr Reeder [Gründer und Geschäftsführer der Rehacon Gruppe – Anm. d. Red.] hier in den vergangenen Jahren erbracht hat, möchten wir aufbauen. Wir versuchen dabei, Partner für das Unternehmen zu sein und es sowohl finanziell als auch strategisch zu unterstützen.

Die finanzielle Unterstützung ist wohl das, was man sich am einfachsten vorstellen kann: Wir stellen Kapital zur Verfügung, um Wachstum zu finanzieren, zum Beispiel weitere Therapiezentren hinzuzunehmen und in Infrastruktur sowie digitale Systeme zu investieren. Ziel ist, dass die Gruppe ihre Angebote für Patienten und Mitarbeiter erweitern und verbessern kann.

Gleichzeitig möchten wir die Gruppe auch durch unser Branchenwissen und unsere Netzwerke weiterbringen. Ganz konkret können wir hier zum Beispiel Kooperationen zwischen Rehabilitation und Physiotherapie diskutieren. Da ist natürlich immer leichter, wenn man gemeinsam am Tisch sitzt und nicht auf unterschiedlichen Seiten.

Wie reagieren die Mitarbeiter, wenn ein Private-Equity-Unternehmen mit einsteigt?

STREB: Als Gesellschafter agieren wir eher im Hintergrund und treten nicht im operativen Geschäft auf. Es gibt in jedem Unternehmen eine Geschäftsführung, die sich um die täglichen Themen, zum Beispiel des Praxis- oder Klinikalltags, kümmert. Für die Mitarbeiter sollte es also keinen Unterschied machen, ob wir Gesellschafter sind oder jemand anderes. Wir haben eher die Rolle, die Geschäftsführung in strategischen Projekten zu unterstützen und ihr beratend zur Seite zu stehen.

Ihr Plan ist also, Rehacon weiter auszubauen, den Markt weiter zu konsolidieren, sprich mehr Praxen zusammenzuführen. Ist das soweit richtig? Und wie lange bleiben Sie an so einem Investment dran? Es gibt ja das Gerücht, dass Investmentfirmen immer zwei Jahre kaufen, dann drei Jahre schauen und dann auch wieder weg sind.

STREB: Das ist sehr unterschiedlich. Unsere typische Haltedauer liegt bei fünf bis sieben Jahren. So lange planen wir Partner der Unternehmen zu sein. Wenn es sich ergibt, kann der Zeitraum aber auch kürzer oder länger werden. Mit den Rehakliniken zum Beispiel arbeiten wir schon etwa neun Jahre zusammen. Das ist eben auch möglich – vorausgesetzt, man kann gemeinsam noch weiter wachsen und sich entwickeln.

Ist Rehacon ein kurzer Ausflug in den Heilmittelmarkt oder steckt eine langfristige Strategie dahinter?

STREB: Wir haben uns auf dem Heilmittelmarkt ganz viele Projekte vorgenommen. Konkret ist zum Beispiel Leistungssport eines der Themen, das uns am Herzen liegt. Hier haben wir bereits zwei neue Partner gefunden, mit denen wir diesen Weg gehen. Auch die besondere Betreuung von Seniorenzentren und Kliniken wollen wir weiter verfolgen.

Unsere Partnerschaft mit Rehacon ist erst seit ein paar Monaten publik und wir sind angenehm überrascht, wie viel positive Resonanz wir in der kurzen Zeit doch schon erfahren haben. Es haben sich bereits viele Interessenten gemeldet, die sich der Gruppe ebenfalls anschließen möchten.

Wenn Sie sich den Heilmittelmarkt anschauen, wie er heute ist und wie er in vier oder fünf Jahren aussehen wird, was erwarten Sie dann? Wie verändert sich die Struktur, wie viele Ketten gibt es, wie viele Praxen sind noch eigenständig unterwegs, wie viele in Gruppen organisiert?

STREB: Wenn man sich den Markt anschaut, kann man davon ausgehen, dass auch in fünf Jahren noch der Großteil der Zentren eigenständig organisiert sein wird – auch wenn wir gemeinsam mit Rehacon unsere ambitionierten Ziele erreichen und es dann vielleicht sogar noch zwei oder drei weitere vergleichbare Spieler gibt. Nach unserem Kenntnisstand ist Rehacon die größte Kette in Europa mit inzwischen über 120 Standorten. Damit repräsentieren wir aber weniger als ein Prozent des gesamten Marktes in Deutschland.

Sie möchten den Markt also nicht komplett umkrempeln, sondern nur ein wenig mehr Struktur hineinbringen. Wie messen Sie, ob Ihnen eine gute Marktdurchdringung gelingt? Haben Sie eine bestimmte Zielgröße an Praxen oder ein bestimmtes Umsatzvolumen?

STREB: Wir setzen uns keine bestimmten quantitativen Ziele, sondern eher inhaltliche, etwa welche Patientengruppe wir gut versorgen wollen. Konkret sind das, wie bereits erwähnt, etwa komplexere und interdisziplinäre Ansätze, wie die Themen Leistungssport und die Kooperation mit Krankenhäusern und Seniorenzentren. Auf dem Weg dahin können sich aber noch weitere Bereiche oder Patientengruppen ergeben, bei denen wir sagen: „Das ist für uns spannend, für diese möchten wir ein entsprechendes Angebot entwickeln.“ Größe ist ja kein Selbstzweck. Für uns steht das inhaltliche Wachsen im Vordergrund.

Frau Streb, vielen Dank für das Gespräch.

Hintergrund: Waterland Private Equity GmbH

Die unabhängige europäische Beteiligungsgesellschaft Waterland wurde 1999 in den Niederlanden gegründet und ist seit dem Jahr 2005 in Deutschland und der Schweiz aktiv. Schon vor dem Einstieg bei Rehacon war Waterland auf dem Gesundheitsmarkt aktiv. Neben MEDIAN, mit mehr als 120 Rehabilitationskliniken der führende private Anbieter in Deutschland, gehören auch die auf Orthopädie spezialisierte ATOS-Klinikgruppe sowie der Pflegedienstleister Schönes Leben zum Unternehmensportfolio. Zudem ist Waterland auch bei Hansefit signifikant beteiligt, einem Netzwerkverbund für betriebliche Sport- und Gesundheitsleistungen mit mehr als 1.400 angeschlossenen Fitness-Studios.

Im Rahmen einer Buy & Build-Strategie hat Waterland nur wenige Monate nach dem Einstieg bei Rehacon als ersten Zukauf das Therapiezentrum Anita Brüche in Hamburg erworben. Hier  schildert Frau Brüche, warum sie sich zu diesem Schritt entschlossen hat.

 


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