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„Bitte kaufen Sie meine Praxis!“ – Michael Reeder, Gründer der Rehacon GmbH, erklärt, warum Praxisinhaber an ihn verkaufen

Herr Reeder, Sie sind in der Branche bekannt, als derjenige, der als Erster auf die Idee gekommen ist, Therapiepraxen in Form von Ketten zu betreiben. Da könnte man jetzt vermuten, Sie sind Finanzinvestor. Aber tatsächlich sind Sie von Beruf… REEDER: Physiotherapeut.
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Und wie wird man vom Physiotherapeuten zum Betreiber einer Kette?

REEDER: Grundsätzlich würde ich es nicht Kette nennen. Das Wort ist immer so negativ behaftet. Ich würde lieber von einem Verbund sprechen, denn es sind alles einzelne Therapiegesellschaften, die alle einzeln geführt werden.

Ich habe mich bereits 1992 selbständig gemacht und mich um interdisziplinäre Zusammenarbeit der einzelnen Therapiepartner bemüht. 1998/99 habe ich dann ein Konzept entwickelt, mit dem ich es geschafft habe, physiotherapeutische Praxen in direkter Nähe zu orthopädischen Praxen zu eröffnen und so die Grundlage für den interdisziplinären fachlichen Austausch zu schaffen. Ich habe eng mit Orthopäden zusammengearbeitet, was meiner Meinung nach ein wichtiger Ansatz für eine komplexe Therapie ist.

Lassen Sie uns hier kurz einhaken. „Zusammenarbeit mit Orthopäden“ – was bedeutet das genau?

REEDER: In habe in der Zeit, in der es berufsrechtlich und gesellschaftsrechtlich möglich war – also bis zum Inkrafttreten des Antikorruptionsgesetzes – mit Ärzten gemeinsam Therapiezentren ins Leben gerufen. Die beteiligten Orthopäden haben, unter Berücksichtigung der freien Leistungserbringerwahl, versucht, gerade im Bereich postoperativer Nachsorge ihre medizinischen Vorstellungen miteinzubringen, sodass Patienten, die im Therapiezentrum bleiben wollten, zum Beispiel eine der Operation angemessene konzeptionell fundierte Nachbehandlung bekamen.

Sie haben also Physiotherapie als Dienstleistung für Orthopäden eingeführt.

REEDER: Genau. Wir können Physiotherapie und wir wissen, wie eine hochwertige physiotherapeutische Behandlung auszusehen hat. Das haben wir als Dienstleistung angeboten. Mit Einführung des Antikorruptionsgesetzes war das aber so nicht mehr möglich und ich war gehalten diese Form der Zusammenarbeit einzustellen. Danach habe ich dann den Weg verfolgt, Praxen zu kaufen und in die Rehacon Gruppe zu integrieren.

Welche Vorteile hat eine Praxis davon, von Rehacon übernommen zu werden?

REEDER: Für Praxisinhaber ist es aufgrund der wirtschaftlichen Lage schwierig, einen Praxisnachfolger zu finden, der einen angemessenen Preis für ihr Lebenswerk zahlen kann. Wir versuchen, mit entsprechend qualifizierten Kalkulationen, faire Kaufpreise zu berechnen. Außerdem bemühen wir uns, wenn möglich, den Verkäufer noch im Unternehmen zu halten – etwa als freiberuflichen oder festangestellten Mitarbeiter oder als fachlichen Leiter.

Verkaufen auch Praxisinhaber an Sie, die nicht kurz vor der Rente stehen?

REEDER: Ja, inzwischen kommen immer mehr Praxisinhaber auf uns zu und sagen, ich habe keine Lust mehr auf die Administration: Ich bin Therapeut, ich möchte behandeln und mal wieder eine 40-Stunden-Woche haben. Bitte kaufen Sie mein Unternehmen und nehmen Sie mir die Verwaltung ab. Das können wir leisten und die Menschen in der Praxis haben Zeit, sich auf die Behandlung zu konzentrieren.

Was ist mit den angestellten Therapeuten, die übernommen werden? Laufen die schreiend weg oder freuen sie sich, dass ein Investor einsteigt?

REEDER: Bis jetzt ist noch keiner schreiend weggelaufen. Es sind bis auf zwei Mitarbeiter alle geblieben. Ich denke, die Menschen verstehen, dass auch die Verkäufer ihr Unternehmen und ihre Mitarbeiter in guten Händen wissen möchten. Die Praxisinhaber kennen die Leistungspakete, die wir unseren Mitarbeitern anbieten. Zudem verstehen auch die Mitarbeiter, dass es für sie mittel- und langfristig mehr Sicherheit bedeutet, wenn es jemand übernimmt, der das professioneller macht. Ich sage dann zu den Mitarbeitern, dass wir auch den Vorteil haben, nicht von einer Praxis leben zu müssen. So können wir den Fokus anders legen, etwa auf Qualität und Ausbildung. Bisher haben wir von den Mitarbeitern immer ein positives Feedback bekommen.

Wie sieht es mit dem Gehalt aus?

REEDER: Da liegen wir deutlich über dem Markt – zumindest, wenn ich es mit den Arbeitsverträgen vergleiche, die ich sehe, wenn wir Einrichtungen kaufen. Dazu bekommen unsere Mitarbeiter weitere Zuwendungen wie z.B. Sonderurlaubstage, Gesundheitsprämien, Anwesenheitsprämien, Fortbildungszuwendungen, Gesundheitsförderungen und Nettolohn-Optimierung.

Vor kurzem ist mit Waterland ein Investor bei Ihnen eingestiegen. Warum?

REEDER: Ich war eigentlich auf der Suche nach einer Möglichkeit eine Anleihe zu konzipieren, um weitere Praxen kaufen zu können. Dann hat mich aber das Interesse gleich mehrerer Private-Equity-Unternehmen überrascht. Ich habe mich schließlich dafür entschieden, weil ich besonders im vergangenen Jahr erkannt habe, dass der physiotherapeutische Markt sich ändert. Es wird immer mehr Digitalisierung kommen. Es wird auch immer mehr Schwerpunkteinrichtungen geben. Wir müssen den Krankenkassen mehr evidenzbasiertes Arbeiten anbieten und es muss zwischen ihnen und den Leistungserbringern ein Miteinander auf Gegenseitigkeit geben. Das schaffe ich nur mit starken Partnern.

Da war Waterland dann für mich der perfekte Partner, weil zu deren Portfolio bereits Rehabilitationskliniken, Kliniken, die auf Orthopädie spezialisiert sind, sowie Seniorenzentren gehören. Das war für mich die Basis, wieder so arbeiten zu können, wie ich es mir vorstelle: in einer komplexen, interdisziplinären Gruppe, die etwas Zukunftsorientiertes aufbauen will. Für mich war es das letzte Puzzle-Stück, um in einer geschlossenen Gesundheitskette bestmögliche Versorgung von Patienten zu leisten.

Herr Reeder, vielen Dank für das Gespräch.


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Andrea Earle
05.11.2021 14:59

Sehr interessant. Bin gerade am überlegen, meine Ergo und Physio… Weiterlesen »

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