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Praxisverkauf: „Durch das Kapital ist eine hochwertige weitere Entwicklung möglich“

Anita Brüche, ehemalige Inhaberin eines Therapiezentrums, erklärt, warum sie sich dafür entschieden hat, an ein Unternehmen zu verkaufen

Vor mehr als 30 Jahren begann alles mit einer kleinen Praxis für Physiotherapie. Mittlerweile hat Anita Brüche rund 60 Mitarbeiter, die in ihrem Therapiezentrum in Hamburg interdisziplinär Physio-, Ergotherapie und Logopädie anbieten. Korrekt muss es eigentlich heißen „hatte“, denn Anfang Mai 2019 verkaufte sie das Therapiezentrum – an Rehacon, ein Portfoliounternehmen der Waterland Private Equity.
© Arendt Schmolze
Im vergangenen Jahr feierte die Physiotherapeutin und Unternehmerin Anita Brüche 30 Jahre Selbständigkeit. Mit gerade einmal 25 Jahren hatte sie 1988 ihre erste eigene Praxis eröffnet. Davor hatte sie bereits in verschiedenen Krankenhäusern und auch als Angestellte in einer Praxis gearbeitet. Schon mit Beginn der Selbstständigkeit war ihr klar: Wer Erfolg haben möchte, muss etwas dafür tun. „Ich habe mich selbst im Bereich Orthopädie und Neurologie, später auch in der Pädiatrie weiterqualifiziert“, berichtet die Physiotherapeutin. „So sind nach und nach verschiedene Fachbereiche hinzugekommen.“ Als die Räumlichkeiten zu klein wurden, zog sie 1996 mit der Physiotherapiepraxis um. Die neue Größe von etwa 400 Quadratmetern erlaubte es, den Bereich Pädiatrie weiter auszubauen. Außerdem war nun Platz, um auch medizinisches Gerätetraining anzubieten. Zudem erweiterte Brüche das Angebot der Praxis zunächst um Ergotherapie, später kam noch die Logopädie hinzu.

Wachstum erfordert neue Strukturen

2013 nutzte sie die Chance für eine weitere Expansion, nahm Räumlichkeiten der ehemaligen Commerzbank hinzu, und konnte so den Trainingsbereich deutlich erweitern. Mit der Größe und dem Angebot des Therapiezentrums wuchsen auch die Herausforderungen. „Die Aufgaben haben sich deutlich verändert“, erzählt die Praxisinhaberin. „Besonders die Verwaltungsaufgaben nahmen stark zu. Die Strukturen mussten sich ändern.“ Eine Kommunikation mit den Mitarbeitern auf Zuruf oder ausschließlich im direkten Austausch war schlicht nicht mehr möglich. Sie musste Organisationsstrukturen entwickeln, feste Leitlinien erarbeiten usw. „Das war für die Mitarbeiter zunächst eine große Umstellung“, so Brüche. Nach einiger Zeit zeigte sich jedoch, dass sich die Mitarbeiterzufriedenheit durch die veränderten Strukturen sogar verbessert hat. „Sie wussten so eben immer genau, woran sie sind, was sie zu erwarten haben und woran sie sich orientieren können.“ Zu diesem Zeitpunkt arbeiteten 17 bis 18 Mitarbeiter im Therapiezentrum. „Die Mitarbeiter haben auch kräftig dazu beigetragen, dass wir unser Angebot immer weiter ausbauen und uns weiterentwickeln konnten.“

Patienten profitieren von interdisziplinärer Zusammenarbeit

Vor zwei Jahren folgte die nächste Expansion. Anita Brüche nahm nochmals Räumlichkeiten hinzu, in die die Ergotherapie ausgegliedert werden konnte. Außerdem gründete sie eine kleine Akademie. Hier geben externe Dozenten Fortbildungen, die natürlich auch den mittlerweile rund 60 Mitarbeitern des Therapiezentrums offenstehen. Insgesamt ist das Therapiezentrum so über die Jahre auf eine Fläche von 1.250 Quadratmetern angewachsen – ein Bereich für Osteopathie befindet sich im Aufbau. Wichtig ist Brüche besonders die interdisziplinäre Zusammenarbeit: „Wir haben einen hauseigenen Server bei dem alle Mitarbeiter auf den gleichen Datensatz zugreifen. Das heißt, die Ergotherapeuten sehen, was die Physiotherapeuten gemacht haben, ebenso die Logopäden.“ Für die Patienten bedeutet das, dass sie interdisziplinär versorgt werden können und alles an einem Ort finden. „Ergänzend können sie zudem das Gerätetraining zum Muskelaufbau nutzen und ihren allgemeinen Gesundheitszustand verbessern.“

Genug Kraft für eine erneute Expansion?

„Wenn ein Unternehmen so groß wird, bringt das natürlich immer neue Herausforderungen mit sich“, erklärt die Physiotherapeutin. Die Erweiterungen und Veränderungen der vergangenen Jahre hätten viel Kraft und Energie gekostet. Erholungszeiten und Urlaub seien nur schwer planbar gewesen und häufig auch einfach zu kurz gekommen. „Wenn man von 7 Uhr morgens bis 20 Uhr am Abend geöffnet hat, muss man eben immer verfügbar sein“, so die Physiotherapeutin. Das ist auf Dauer sehr anstrengend. Und so kamen für Anita Brüche mehrere Faktoren zusammen, die schließlich dazu geführt haben, dass sie sich für den Verkauf des Therapiezentrums entschieden hat. „Wir haben noch Räumlichkeiten, die weiter ausgebaut werden können“, berichtet Brüche. „Aber damit würden vor allem die Verwaltungsaufgaben immer mehr zunehmen: Man braucht dann einen Mitarbeiter fürs Personalmanagement, einen für die IT, einen Kaufmann, und so weiter.“ Für Anita Brüche kam damit auch die Frage: „Will und kann ich das auf Dauer leisten? Oder ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, das Therapiezentrum in größere Hände zu übergeben, und so eine weitere Entwicklung zu ermöglichen?“ Eng damit verbunden ist auch die Frage, wie sich die Zukunft des Therapiezentrums langfristig für Mitarbeiter und Patienten sichern lässt. „Wenn man die Entwicklungen in der Politik betrachtet, merkt man, dass vor allen Dingen große Therapiezentren politisch gewünscht sind, die eine interdisziplinäre Versorgung bieten“, so Brüche. „Dass es immer mehr in Richtung größere Zentren geht, gilt nicht nur für die Heilmittelbranche, sondern auch für den ärztlichen Bereich und zeigt sich etwa auch an der Entwicklung von Kliniken und Krankenhäusern.“ Als Einzelunternehmer stoße man da einfach irgendwann an seine Grenzen.

Entscheidung für den Verkauf

So hat sich Anita Brüche 2018 dafür entschieden, das Therapiezentrum zu verkaufen. Als ersten Schritt hat sie sich dafür an einen Corporate Finance Berater gewandt. „Er ist zwar nicht auf die Heilmittelbranche spezialisiert, aber es hat mich erstaunt, wie viel Wissen und wie viele Kontakte er in diesem Bereich hatte“, so die Praxisinhaberin. Durch ihren Berater kam dann auch der Kontakt zu mehreren Interessenten zustande, darunter auch die Rehacon GmbH, eine Portfoliounternehmen der Waterland Private Equity mit deutschlandweit mehr als 120 Einrichtungen im Bereich Physiotherapie und Rehabilitation. „Im folgenden Austausch stellte sich dann heraus, dass meine Zukunftsvorstellungen für das Therapiezentrum mit denen von Rehacon auf einer Linie sind.“ Dem Verkauf Anfang Mai gingen dann umfangreiche Beratungen – rechtlich und wirtschaftlich – voraus. Rehacon und Waterland haben das Therapiezentrum auf Herz und Nieren geprüft. „Dieser Prozess war sehr anstrengend und aufwändig, denn ich musste ständig zuarbeiten“, berichtet Brüche. „Aber es ist nachvollziehbar, dass bei einem solchen Verkauf eben auch Prüfungen erforderlich sind.“

Großes Unternehmen bietet mehr Sicherheit

Nun, einige Woche nach dem Verkauf, zieht die ehemalige Praxisinhaberin folgendes Fazit: „Wir sind noch bei den Übergaben, aber bislang würde ich sagen, dass der Verkauf eine gute Entscheidung war – gerade auch für die Patienten und Mitarbeiter. Für diese ist die Übergabe an ein Unternehmen auch mit mehr Sicherheit verbunden, denn die Führung durch eine Einzelperson geht doch auch immer mit einem gewissen Risiko einher. Wenn man als Einzelunternehmer ausfällt, hat das doch Folgen für ein Unternehmen.“ Dass sie sich schließlich für Rehacon als Käufer entschieden hat, erklärt die ehemalige Praxisinhaberin so: „Es war mir wichtig, dass das Therapiezentrum von jemandem qualifiziert weitergeführt werden kann, von jemandem, der sich in diesem Bereich auskennt und auch die Zukunftsperspektive im Blick hat.“ Diese Erwartungen hat Rehacon erfüllt – gerade was die Verwaltungsaufgaben, die eben mit jedem Expansionsschritt erheblich wachsen, betrifft, ist ein Unternehmen wie Rehacon in einer guten Position, diese zu übernehmen. „Um die administrativen und kaufmännischen Aufgaben der Geschäftsführung wird sich in Zukunft die dortige Zentrale kümmern, während die fachlich-therapeutische und organisatorische Leitung bei meinen leitenden Mitarbeitern hier im Therapiezentrum bleibt.“

Mitarbeiter übernehmen mehr Verantwortung

Bereits in den vergangenen Jahren hat Anita Brüche ihr Team sehr stark aufgebaut und auch in die verantwortlichen Prozesse mit eingebunden. „Mein Ausscheiden habe ich so über längere Zeit über Einarbeitungsprozesse vorbereitet, nicht erst, als der Verkauf unmittelbar bevorstand. Das entspricht auch dem Credo des Therapiezentrums: Langsam mit guter Qualität Neues aufzubauen und zu festigen und dann eben auch Verantwortung an die Mitarbeiter zu übergeben.“ Die Mitarbeiter haben so das nötige Know-how, um auch nach ihrem Ausscheiden die fachlich-therapeutische und organisatorische Leitung zu übernehmen. Um den Übergang möglichst reibungslos zu gestalten, wird Anita Brüche noch bis zum Jahresende in einer beratenden Funktion im Therapiezentrum tätig sein.

Bedenken der Mitarbeiter konnten zerstreut werden

Mittlerweile sind auch die Mitarbeiter von den Vorteilen des Verkaufs überzeugt. Das war aber nicht von Anfang an so. „Zunächst einmal war das Team überrascht, weil der Verkauf doch recht schnell ging, vielleicht schneller als erwartet“, erinnert sich Brüche. Viele hatten natürlich zunächst auch Bedenken. Doch die konnte sie mit der Zeit ausräumen und dem Team die Vorteile für die Zukunft und die Entwicklung, die sich für jeden einzelnen ergeben können, aufzeigen. „Erst habe ich mit den leitenden Mitarbeitern gesprochen, dann mit dem gesamten Team und dann mit jedem Mitarbeiter ein Einzelgespräch geführt“, erzählt die ehemalige Praxisinhaberin. „Da konnte ich nochmal individuell auf die einzelnen Sorgen und Ängste eingehen. Doch erst als sich Michael Reeder, Gründer und Geschäftsführer von Rehacon, mit seinen Plänen für die Zukunft vorgestellt hat, waren auch die letzten Bedenken ausgeräumt.“ So sind dann auch alle geblieben.

Kapital bietet Sicherheit und Entwicklungschancen

Ein besonders wichtiger Punkt für die Verkaufsentscheidung war für Anita Brüche die Sicherheit, auch finanziell, die Rehacon, mit der Waterland Private Equity im Rücken, bietet. „Durch das damit vorhandene Kapital ist eben auch eine weitere, hochwertige Entwicklung möglich“, so die Physiotherapeutin. „Wir bewegen uns im Therapiezentrum auf dem höchsten Niveau, sowohl was die technische Ausstattung als auch die fachliche Qualifikation betrifft. Das soll unbedingt so weitergeführt werden. Folgen des Verkaufs sollen sich für die Mitarbeiter und Patienten nur in einer weiteren positiven Entwicklung des Therapiezentrums zeigen.“

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